TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/31 I404 2174690-1

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Veröffentlicht am 31.10.2017
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Entscheidungsdatum

31.10.2017

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1

Spruch

I404 2174690-1/4E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See als Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des BFA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, Zl. 1124775705-161062691, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 01.08.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er noch am selben Tag an, dass er die nigerianische Staatsbürgerschaft habe, am 25.10.2001 in Esan geboren sei und christlichen Glaubens sei. Sein Vorname sei Odin. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass es in Nigeria viele Kulte gebe. Er habe ein Problem mit Anhängern eines Kultes. Sie hätten ihn aufgefordert, ihrem Kult beizutreten. Er habe sich jedoch geweigert, dies zu tun. Daraufhin hätten sie ihm gedroht und ihm ein Ultimatum gestellt. Sie hätten ihm gesagt, dass er binnen zwei Wochen beitreten müsse, da sie ihn sonst töten wollten oder er müsse das Land verlassen.

2. Im vom BFA in Auftrag gegebenen Gutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung vom 16.2.2017 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens am 21.9.2000 geboren sei.

3. Am 21.11.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX zu XXXXwegen den §§ 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 2a 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

4. Am 22.05.2017 bevollmächtigte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH zur Vertretung des Beschwerdeführers im laufenden asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren.

5. Am 24.08.2017 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Vertreters der Diakonie vom BFA, Regionaldirektion Burgenland (in der Folge: belangte Behörde), niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Sein Vorname sei Odion. Im Übrigen wiederholte er sein Fluchtvorbringen vom 01.08.2016.

6. Mit dem Bescheid vom 19.09.2017, Zl. 1124775705-161062691, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Zugleich stellte die belangte Behörde fest, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt VI.) und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt ab dem 21.11.2016 verloren habe. Zu Spruchpunkt V. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer die belangte Behörde über seine wahre Identität getäuscht habe, da insbesondere das Geburtsdatum als nicht glaubhaft eingestuft worden sei. Im Rahmen der Erstellung des Sachverständigengutachtens habe sich die Ansicht der Behörde als richtig herausgestellt, auch wenn der Beschwerdeführer immer noch minderjährig sei. Außerdem würden mehrere Identitäten im Verfahren bestehen.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH rechtzeitig und zulässig Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass die im Bescheid zitierten Länderfeststellung zum Kult "Eye" aus den Jahren 2012 und 2013 stammen würden und jedenfalls als veraltet zu betrachten seien. Weiters wurden umfangreiche Einwendungen gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung dargelegt. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ausgeführt, dass es sich bei den zwei verschiedenen Vornamen lediglich um einen Schreibfehler gehandelt habe und das Geburtsdatum vom Beschwerdeführer immer nach dessen Wissensstand angegeben worden sei. Aufgrund des grob mangelhaften Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde werde jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sein.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 30.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

1.2. § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG zufolge kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

2. Zu Spruchpunkt A)

2.1. Aufgrund der Tatsache, dass vom Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche in einem Eilverfahren eine Annahme über die Gefahr einer Grundrechtsverletzung beziehungsweise Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit zu treffen ist, ist davon auszugehen, dass hier mit einer Gefahrenprognose aufgrund der Aktenlage vorzugehen ist. Schon im Hinblick darauf, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt werden könnten, dürfen die anzulegende Prüfdichte und der Wahrscheinlichkeitsgrad nicht allzu hoch sein. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Beschwerde schon entschieden wäre.

Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des minderjährigen Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde. Zur Klärung des Sachverhaltes ist die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht notwendig, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Beschwerde bekämpft wurde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

Da eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG derzeit nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit von vornherein auszuschließen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

2.3. Gegenständlich war gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ein Teilerkenntnis (vgl. auch § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu erlassen, da der Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu erfolgen hat. Der Spruch des Bescheides der belangten Behörde war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch bezieht.

2.4. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis IV. sowie VI. und VII. des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2174690.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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