TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 I403 2174196-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2174196-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Gambia, vertreten durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zl. 1131318004/161368294 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I., II. und III. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Spruchpunkt IV. hat zu lauten: "Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), ein Staatsbürger Gambias, stellte am 03.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er, dass sein Bruder beschuldigt worden sei, an einem Putschversuch beteiligt gewesen zu sein. Der Geheimdienst habe ihn verhören wollen; davor habe er aber das Land verlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am 16.08.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD Salzburg, einvernommen. Er befürchte noch immer Verfolgung durch Anhänger des früheren Präsidenten.

Mit Bescheid des BFA, RD Salzburg, vom 27.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.10.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Aufgrund des Regimewechsels in Gambia wurde ein Bedrohungspotential für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Gambia verneint.

Dagegen wurde fristgerecht am 13.10.2017 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Beschwerde wurde erhoben wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit in Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der belangten Behörde wurde vorgeworfen, keine Feststellungen zum fluchtauslösenden Ereignis getroffen zu haben. Es wurden ergänzende Berichte, unter anderem von Amnesty International und der Jamestown Foundation, eingebracht, wonach Gambia aktuell noch nicht über eine stabile und zuverlässige Sicherheitsbehörde verfüge. Im Juni 2017 sei es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Anhängern des früheren Präsidenten Jammeh und Polizeikräften gekommen. In der Heimatregion des Beschwerdeführers würde es noch viele Jammeh-Loyalisten geben. Der Beschwerdeführer würde zudem in eine aussichtslose Situation geraten, da er keine familiären Kontakte mehr und nur als Taxifahrer gearbeitet habe; der durchschnittliche Gambier müsse mit einem Euro pro Tag auskommen. In Österreich habe der Beschwerdeführer einen Cousin, den er monatlich besuche und der ihn mit kleineren Geldbeträgen unterstütze.

Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid bzgl. des Spruchpunktes II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid bzgl. des Spruchpunktes III. aufheben und die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; in eventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2017 vorgelegt und von Seiten der belangten Behörde erklärt, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Gambias. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

In Gambia leben die Mutter, der Onkel und die Brüder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Er gehört der Volksgruppe der Mandingo und der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Vor seiner Ausreise war er als Taxifahrer tätig. Eine genaue zeitliche Angabe zu seiner Ausreise ist aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben nicht möglich; es steht aber fest, dass er am 03.10.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Ein Cousin des Beschwerdeführers lebt in Österreich. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung in Österreich ist nicht gegeben, auch wenn der Beschwerdeführer an gesellschaftlichen Ereignissen und Kursen teilnimmt.

Der Beschwerdeführer wird in Gambia nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von der Regierung bzw. dem Geheimdienst wegen seines Bruders und dessen vermuteter Beteiligung an einem Putschversuch verfolgt. Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

1.2. Zur Situation in Gambia:

Im angefochtenen Bescheid finden sich umfangreiche Feststellungen zur Lage in Gambia, getroffen auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.8.2016, aktualisiert am 25.07.2017. Diese werden für gegenständliche Entscheidung herangezogen.

Ergänzend werden die in der Beschwerde zitierten Berichte von Amnesty International vom April 2017 (AI, Gambia: Progress in first 100 days of Barrows government requires major reform to break with brutal past, 27.04.2017, abrufbar unter https://www.amnesty.org/en/latest/news/2017/04/gambia-progress-in-first-100-days-of-barrow-government-requires-major-reform-to-break-with-brutal-past/;

Zugriff am 25.10.2017) bzw. der Jamestown Foundation vom Mai 2017 (Jamestown Foundation: Leaving Islamism Aside: The Gambia under Adama Barrow; Terrorism Monitor Volume; 05.05.2017; abrufbar unter https://jamestown.org/program/leaving-islamism-aside-gambia-adama-barrow/;

Zugriff am 25.10.2017) sowie von Africa News (Gambian gov't under active threat from Jammeh loyalists: ECOMIG commander, Artikel vom 08.07.2017, abrufbar unter

http://www.africanews.com/2017/07/08/gambian-gov-t-under-active-threat-from-jammeh-loyalists-ecomig-commander/;

Zugriff am 25.10.2017) ebenfalls der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass nach dem Abgang von Ex-Präsident Jammeh und dem friedlichen Machtwechsel zur Opposition, unter anderem in Gestalt des neuen Präsidenten Barrow, noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen sind. Der Versuch des neuen Präsidenten, die Sicherheitsbehörden neu zu strukturieren und von den Anhängern Jammehs zu befreien, führt dazu, dass eine gewisse Gefahr islamistischer Anschläge und von Vergeltungsschlägen durch Anhänger Jammehs gegeben ist. Daraus kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes aber nicht auf eine bürgerkriegsähnliche Situation geschlossen werden, die für jeden automatisch eine reale Gefahr mit sich bringen würde, in Gambia Opfer eines Anschlages oder einer Gewalttat zu werden. Auch die in der Beschwerde zitierten Quellen zeigen keine derart schlechte Sicherheitslage auf.

Zu Grundversorgung und Wirtschaft in Gambia wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt:

Gambia ist eines der ärmsten Länder in Afrika und steht 2015 im Human Development Index der Vereinten Nationen an 175. Stelle von 188 (IFAD 3.2016). Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (IFAD 3.2016; vgl. CIA 29.7.2016).

Gambia ist eine kleine und nur wenig entwickelte Volkswirtschaft mit einer sehr schmalen wirtschaftlichen Basis und geringem Diversifizierungsgrad. Die Außenwirtschaft ist stark von Re-Exporten, Tourismus und Überweisungen der Auslandsgambier abhängig. Nach dem Wachstumseinbruch in Folge der 2011er Dürre konnte sich die Wirtschaft 2012 und 2013 erholen. Für 2015 sollte die Wirtschaft ein Wachstum von 5 Prozent einfahren. Die wichtigsten Wachstumsmotoren sollten dabei die bisherigen zwei Säulen Landwirtschaft und Tourismus bleiben. Gambia besitzt keine nennenswerten Bodenschätze, die sich wirtschaftlich erschließen ließen (ÖB 9.2015).

Rund drei Viertel der Bevölkerung hängen für ihren Lebensunterhalt vom Landwirtschaftssektor ab (CIA 29.7.2016; vgl. IFAD 3.2016), etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes wird in diesem Sektor erwirtschaftet (CIA 29.7.2016).

Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen. Laut der gambischen Integrated Household Survey 2010 (IHS) gehen 73 Prozent der Bevölkerung einer Beschäftigung (Kleinhandel, Kleinhandwerk, Gelegenheitsjobs, Straßenverkauf, usw.) nach, wovon 96 Prozent im informellen Sektor tätig sind (ÖB 9.2015).

Der gesetzliche Mindestlohn (im formellen Sektor) für ungelernte Arbeiter beträgt GMD 50 pro Tag bei einer staatlich festlegten Armutsgrenze von GMD 38 pro Tag (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies gilt nur für 20 Prozent der im formellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte (USDOS 13.4.2016). Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind weiterhin hoch (CIA 29.7.2016). Es ist jedoch in Gambia, wie auch in anderen Ländern der Region, durchaus üblich in der Großfamilie oder im Familienverband zu leben bzw. von diesem Unterstützung zu erhalten (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016)

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (29.7.2016): The World Factbook

-

Gambia, The - Government,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ga.html, Zugriff 19.8.2016

-

IFAD - International Fund for Agricultural Development (3.2016):

Investing in rural people in The Gambia;

https://www.ifad.org/documents/10180/e12761e1-8d18-4ab2-82df-5ddf5cacb305, Zugriff 19.8.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht - Gambia

-

US DOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 12.8.2016

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft, Volksgruppe und Religion des Beschwerdeführers ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Feststellung zu seinen Familienangehörigen in Gambia beruht auf den Aussagen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor dem BFA. In der Beschwerde erklärt er zwar, keine familiären Kontakte mehr in Gambia zu haben, doch hatte er zuvor angegeben, dass seine Mutter, sein Onkel und seine Brüder in Gambia leben würden. Sein Onkel hatte ihn auch bei der Ausreise unterstützt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er auch in Zukunft auf den Familienverband zurückgreifen könnte.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA sowie den vorgelegten Dokumenten (Teilnahmebestätigung für die afrikanische Rodelmeisterschaft vom 11.03.2017, Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs vom 03.05.2017).

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer fasste in der Beschwerde seinen Fluchtgrund folgendermaßen zusammen: "Der Bruder des BF war Militärangehöriger in Gambia, damals noch unter Präsident Jammeh. Der BF hat seinen Bruder regelmäßig in den Barracken besucht, daher war der BF auch bei den Streitkräften bekannt. Im Jahr 2014 hat der Bruder des BF an einem Putsch gegen den damaligen Präsidenten Jammeh teilgenommen. Der BF wurde vom NIA-Quartier aus angerufen, wo der Bruder des BF befragt wurde. Der Putsch ist gescheitert. Kurz nach dem Putsch ist der Bruder des BF verschwunden, wie zahlreiche andere Putschisten. Ein Freund der Familie, der ebenfalls bei den Streitkräften war, hat dem BF gesagt, dass er nun auch in Gefahr sei. Deshalb ist der BF geflohen."

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes sind Zweifel an diesem Vorbringen angebracht; so hatte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung erklärt, der Putschversuch habe am 30.12.2015 stattgefunden, er habe Gambia am 04.01.2016 verlassen und sich dann acht Monate im Senegal aufgehalten. Dies korrigierte er in der Befragung durch das BFA dahingehend, dass der Putschversuch am 30.12.2014 stattgefunden habe und er sich im Senegal ein Jahr und acht Monate aufgehalten habe. Verschiedene Medien berichten von einem gescheiterten Putschversuch am 30.12.2014 (vgl. etwa http://derstandard.at/2000009893099/Vier-Tote-nach-gescheitertem-Putschversuch-in-Gambia; http://www.dw.com/de/putsch-in-gambia-vereitelt/a-18162339). Es scheint naheliegend, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das BFA versuchte, seine Geschichte an die Daten der Medienberichte anzupassen. Sein Erklärungsversuch einer falschen Protokollierung würde bedeuten, dass bei der Protokollierung der Erstbefragung an vier unterschiedlichen Stellen Fehler gemacht wurden, was wenig wahrscheinlich erscheint, zumal das Protokoll rückübersetzt und unterschrieben wurde. Es wird nicht verkannt, dass die Erstbefragung nicht der näheren Erörterung der Fluchtgründe dient, doch scheint diese nachträgliche Korrektur der Chronologie der Ereignisse doch nur damit zu erklären zu sein, dass sich der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung im Datum des Putsches irrte.

Eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens kann aber ohnehin unterbleiben, denn auch wenn man, wie es das BFA im angefochtenen Bescheid macht, unterstellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers wahr ist, ergibt sich daraus keine Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr. Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu Recht fest, dass die Herrschaft des früheren Präsidenten Jammeh inzwischen zu Ende gegangen ist und dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass frühere Getreue noch einen relevanten Einfluss in Gambia ausüben würden. Aus etwaigen "vereinzelten versprengten Loyalisten" würde keine Gefahr für den Beschwerdeführer ausgehen.

Dieser Feststellung wurde durch die Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Aus dem Umstand alleine, dass die neue Regierung in Gambia noch vor Herausforderungen steht und auch gewissen Sicherheitsrisiken gegenüber steht, kann keine Gefährdung für den Beschwerdeführer geschlossen werden. Wenn er auch unter Präsident Jammeh aufgrund seiner Verwandtschaft zu seinem Bruder als politischer Gegner angesehen worden wäre, so ist dies nach dem Machtwechsel nicht mehr gegeben. Soweit auf loyale Anhänger Jammehs verwiesen wird, zeigt gerade der in der Beschwerde zitierte Bericht über einen Zusammenstoß zwischen Anhängern Jammehs und der Polizei im Juni 2017, dass der gambische Staat gegen diese Personen vorgeht. Es ist auch nicht nachvollziehbar und wird dies in der Beschwerde auch nicht erläutert, warum der Beschwerdeführer im Fokus dieser Personen stehen sollte.

Soweit in der Beschwerde versucht wird, eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Mandinka zu behaupten, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine solche Verfolgung gegenüber dem BFA explizit verneint hatte.

In der Beschwerde wird zwar auf die Sicherheitslage in Gambia verwiesen, dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch die in der Beschwerde vorgelegten Berichte kein derart düsteres Bild zeichnen, dass eine Rückkehr automatisch einer Menschenrechtsverletzung gleich käme. Auch wenn der Weg Gambias von einer Diktatur zu einer gefestigten und stabilen Demokratie noch nicht am Ende angekommen sein mag, so ist doch festzustellen, dass insgesamt von einer Verbesserung und Stabilisierung der Situation ausgegangen wird. Eine bürgerkriegsähnliche Lage wird jedenfalls in keinem der vom Beschwerdeführer eingebrachten Berichte beschrieben.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Besondere Erkrankungen liegen nicht vor. Er besuchte die Schule und hat seinen Angaben nach Berufserfahrung als Taxifahrer gesammelt. In der Beschwerde wird zwar erklärt, er habe keine bzw. nur gelegentliche familiäre Kontakte mehr nach Gambia; noch im August 2017 hielt er seinen eigenen Angaben nach aber den Kontakt zu seinem Onkel aufrecht, so dass er diesen auch wieder aufnehmen könnte. Es ist letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. In der Beschwerde wurde insgesamt keine reale Gefahr aufgezeigt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, etwa im Sinne einer aussichtslosen Lage oder einer zum Tode führenden und unbehandelten Erkrankung, drohen würde.

2.4. Zu den Länderfeststellungen

Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Gambia wurden auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation getroffen. Der Beschwerdeführer brachte weitere Quellen ins Beschwerdeverfahren ein, die in gegenständlicher Entscheidung umfassend berücksichtigt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in Gambia Verfolgung droht. Aufgrund des Regimewechsels in Gambia wäre selbst unter der Annahme, dass der Bruder des Beschwerdeführers tatsächlich in einen Putsch gegen den früheren Präsidenten verwickelt war, von keiner Verfolgung des Beschwerdeführers auszugehen.

Soweit in der Beschwerde versucht wird, eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe bzw. aufgrund der unterstellten politischen Gesinnung im Sinne einer Opposition zu Jammeh zu behaupten, widerspricht dies den vorliegenden und auch in der Beschwerde nicht angezweifelten Informationen, dass Jammeh nicht mehr an der Macht ist.

Daher ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Gambia keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 8 Abs 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Gambia nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.

Es wird nicht verkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation aber nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174) und ist die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Derartige besondere Umstände liegen gegenständlich nicht vor bzw. wurden nicht dargelegt. Der Beschwerdeführer ist gesundheitlich nicht eingeschränkt, besondere Verletzlichkeiten liegen nicht vor. Seine Geschwister, seine Mutter und sein Onkel leben in Gambia. Der Beschwerdeführer kann durch Gelegenheitsarbeiten bzw. als Taxifahrer einen - wenn auch geringen - Verdienst erwirtschaften. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es besteht daher durch die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Gambia keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. bringt diese für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich. Der Ausspruch in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher zu bestätigen.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids):

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 2 FPG lautet:

"§ 52. (1) (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen.

§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer

Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Daher ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylgG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich. Sein Cousin lebt zwar in Österreich und er besucht diesen monatlich und erhält eine gewisse finanzielle Unterstützung von ihm, doch kann dies keine besondere Anhängigkeit begründen, welche wiederum ein Familienleben unter Erwachsenen annehmen ließe.

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von rund einem Jahr davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer eine gewisse Bindung zu seinem in Österreich lebenden Cousin hat. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde nicht behauptet.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Daher war kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen.

Mit angefochtenem Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):

Im angefochtenen Bescheid wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war. Da der betreffende Spruchpunkt V. behoben wird und die in § 55 Abs. 2 FPG normierten Voraussetzungen unabhängig davon erfüllt sind, war nunmehr eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise festzulegen.

3.5. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt, 3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder 7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Der Verwaltungsgericht hat wiederholt zu § 6 Z 1 und 2 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung, dargelegt, dass bei der Prüfung, ob ein Anwendungsfall vorliegt, von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist und es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben ankommt (VwGH 22.10.2003, 2002/20/0151). Bei der Prüfung, ob ein unter § 6 Z 1 AsylG 1997 zu subsumierender Fall vorliegt, ist von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das E vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0531). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 24.04.2003, 2000/20/0326).

In der rechtlichen Begründung ist zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung lediglich ausgeführt, dass die Z. 4 zutreffe, da der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens ein asylrechtlich relevantes Bedrohungs- oder Verfolgungsszenario vorgebracht habe. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Machtwechsel in Gambia erst zu Beginn des Jahres 2017 erfolgte und zum Zeitpunkt der Asylantragstellung eine Verfolgung durch den damaligen Präsidenten theoretisch (im Falle der Glaubhaftmachung des Vorbringens, die in diesem Verfahren außer Acht gelassen werden konnte) durchaus denkbar gewesen wäre.

Dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe vorgebracht hat, ist somit nicht zutreffend. Wie sich bereits aus der klaren Textierung der Ziffer 4 des § 18 Abs. 1 BFA-VG sowie nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 6 Z 1 AsylG 1997 hervorgeht, kommt es bei § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG nicht auf eine eventuell fehlende Glaubhaftigkeit bzw. die Eintrittsgefahr der behaupteten Verfolgung an, sondern auf den Umstand, ob Verfolgungsgründe überhaupt vorgetragen wurden. Soweit die belangte Behörde daher ihre diesbezügliche Entscheidung mit dem fehlenden Vorbringen von Verfolgungsgründen begründet hat, erweist sich diese als verfehlt.

Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 BFA-VG heranzuziehen wäre.

Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers als "wahr unterstellt" und stand der Sachverhalt daher fest (VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059 bis 0062). Das Wesen einer "Wahrunterstellung" liegt darin, dass das sachverhaltsbezogene Vorbringen einer Verfahrenspartei gerade nicht als tatsächlich gegeben festgestellt wird. Vielmehr wird im Rahmen einer "Wahrunterstellung" geprüft, ob im Fall der hypothetischen Richtigkeit des Vorbringens zum Sachverhalt aus den geltend gemachten Tatsachen – allenfalls in Verbindung mit bereits feststehenden Sachverhaltselementen - der behauptete Rechtsanspruch überhaupt begründet werden kann. Ist dies nicht der Fall, bedarf es keiner Ermittlungen und Feststellungen zur Richtigkeit des sachverhaltsbezogenen Vorbringens, weil sich die behaupteten tatsächlichen Vorgänge aus rechtlichen Gründen nicht als im Sinn des § 37 AVG maßgeblich darstellen. Insofern erweist sich die Ansicht, in einem solchen Fall von der Durchführung einer Verhandlung absehen zu können, dann nicht als rechtsirrig, wenn in einem zu beurteilenden Rechtsfall das Vorhandensein eines Rechtsanspruches gerade nicht von der Richtigkeit des Vorbringens eines Antragstellers zu den ins Treffen geführten Tatsachen abhängt. Ist nämlich ein Vorbringen zum Sachverhalt hinreichend konkret, um die rechtliche Prüfung vornehmen zu können (und somit auch nicht ergänzungsbedürftig), aber von vornherein nicht geeignet, einen Rechtsanspruch (auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten) zu begründen, stellt sich die Frage nicht mehr, ob das sachverhaltsbezogene Vorbringen den Tatsachen entspricht. In einem solchen Fall kann der der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt nur darin bestehen, den Inhalt des Vorbringens festzustellen (VwGH vom 12.11.2014, Zl. 2014/20/0069-8).

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben, auch weil sich das Bundesverwaltungsgericht von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen hat (§ 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG).

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aktuelle Gefahr, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -
Entfall, ersatzlose Behebung, geänderte Verhältnisse,
Glaubwürdigkeit, Interessenabwägung, mangelnde Asylrelevanz, non
refoulement, öffentliches Interesse, politische Gesinnung,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2174196.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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