Entscheidungsdatum
30.11.2016Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §8Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag. Erwin Ziermann über die Säumnisbeschwerde des Herrn AB AA, AD AE, vom 10.11.2015 betreffend den am 21.10.2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung eingebrachten Eventualantrag auf bescheidmäßigen Abspruch über den gleichzeitig gestellten Antrag auf umgehende Wiederausfolgung seines vorläufig abgenommenen Führerscheins
zu Recht erkannt :
I. Gemäß § 28 Abs 1 iVm § 8 VwGVG wird der Säumnisbeschwerde Folge gegeben und über den genannten Antrag wie folgt entschieden:
Gemäß § 13 Abs 1 AVG iVm § 39 Abs 3 FSG wird der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.10.2014 auf umgehende Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.10.2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung den Antrag, die Behörde möge ihm seinen am 11.10.2014 wegen einer vermeintlich qualifizierten Geschwindigkeitsüberschreitung vorläufig abgenommenen Führerschein umgehend wieder ausfolgen. Sofern diesem Begehren nicht stattgegeben werde, beantrage er den bescheidmäßigen Abspruch über diesen Antrag (auf umgehende Wiederausfolgung des Führerscheins). Die Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins erfolgte am 28.10.2014; eine Entziehung der Lenkberechtigung erfolgte nicht. Über den – für den Fall der nicht umgehenden Wiederausfolgung eventualiter gestellten - Antrag auf „bescheidmäßigen Abspruch“ über den Ausfolgungsantrag wurde von der Behörde nicht abgesprochen.
2. Am 10.11.2015 um 16:14 Uhr brachte der Beschwerdeführer – laut vorliegendem Fax-Sendebericht - bei der belangten Behörde eine Säumnisbeschwerde ein und beantragte er die Erlassung des ausstehenden Bescheides.
3. Am 07.03.2016 beantragte der Beschwerdeführer beim Landesverwaltungsgericht Salzburg (abermals unter dem Titel „Säumnisbeschwerde“), das Gericht möge der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung auftragen, über den nicht erledigten Antrag auf umgehende Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins innerhalb einer Frist von zwei Monaten den Bescheid zu erlassen. Dieser Antrag wurde vom Landesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 04.07.2016, Zahl 405-4/169/1/2-2016, als unzulässig zurückgewiesen.
4. Mit Eingabe vom 25.08.2016 ersuchte der Beschwerdeführer die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, die Säumnisbeschwerde vom 10.11.2015 dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Dieses Ersuchen wurde dem Verwaltungsgericht von der Behörde mit dem am 06.09.2016 beim Verwaltungsgericht eingelangten Schreiben, welches das Datum „02.08.2016“ (!) aufweist, übermittelt. Die Säumnisbeschwerde wurde nicht vorgelegt.
Über Ersuchen des Verwaltungsgerichtes (vom 11.10.2016) teilte die Behörde mit einem Schreiben, welches das Datum „08.06.2016“(!) aufweist und beim Verwaltungsgericht am 19.10.2016 eingelangt ist, Folgendes mit:
„Zu Ihrem Schreiben vom 11.10.2016 wird mitgeteilt, dass die in Rede stehende Säumnisbeschwerde bei uns nicht eingelangt ist“.
5. Am 28.11.2016 wurde in der Sache beim Landesverwaltungsgericht Salzburg eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher der zuständige Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung nachweislich persönlich geladen wurde. Der Sachbearbeiter blieb der Verhandlung fern; er teilte dem Richter über telefonische Nachfrage mit, er habe die Ladung zur Verhandlung nicht erhalten.
In der Sache teilte er mit, er schließe - entgegen seiner Mitteilung vom 19.10.2016 – nicht mehr aus, dass die Säumnisbeschwerde am 10.11.2015 um 16:14 Uhr bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung eingebracht wurde und dort in Verstoß geriet.
II. Beweiswürdigung:
Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der Behörde mit der Zahl 30306-1303-2014 und dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg mit der Zahl 405-4/169-2016.
III. Rechtliche Erwägungen:
1. Gemäß Art 130 Abs 1 B-VG, BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 101/2014, erkennen die Verwaltungsgerichte über die Beschwerden
…
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Gemäß § 8 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
2. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde am 21.10.2014 den Antrag auf umgehende Wiederausfolgung seines vorläufig abgenommenen Führerscheins gestellt (Hauptantrag). Für den Fall, dass diesem Antrag nicht entsprochen werde, hat der Beschwerdeführer den Antrag auf „bescheidmäßigen Abspruch über den genannten Ausfolgungsantrag“ gestellt.
Das Wort "umgehend“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch (vgl Duden, Bedeutungswörterbuch online) „sofort, so schnell wie möglich, ohne jede Verzögerung erfolgend“. Da der Antrag auf umgehende Ausfolgung des Führerscheins am 21.10.2014 (Dienstag) gestellt und der Führerschein laut Mitteilung der Behörde am 28.10.2014 (Dienstag der Folgewoche) ausgefolgt wurde (und die Behörde keine Gründe für das Verstreichenlassen von vier Werktagen anführte), wurde dem Antrag auf umgehende Wiederausfolgung nicht entsprochen. Somit wäre die Behörde verpflichtet gewesen, den ausdrücklich beantragten Bescheid über den Wiederausfolgungsantrag zu erlassen.
Dass sie das bis dato nicht getan hat, steht außer Streit. Die zur Entscheidung berufene Behörde war weder durch schuldhaftes Verhalten der Partei, noch durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert. Es trifft sie daher überwiegendes Verschulden am Unterlassen der Entscheidung.
Somit ist die Säumnisbeschwerde zulässig.
3. Da aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens – insbesondere aufgrund der Aussage des zuständigen Sachbearbeiters am 28.11.2016 - davon auszugehen ist, dass die Säumnisbeschwerde bereits am 10.11.2015 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung eingebracht worden und dort in Verstoß geraten ist, erachtet sich das Verwaltungsgericht zur Entscheidung über diese (vom Beschwerdeführer nunmehr dem Gericht vorgelegte) Säumnisbeschwerde zuständig.
4. Gegenstand des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist der (von der Behörde nicht erledigte) „Antrag auf bescheidmäßigen Abspruch über den Wiederausfolgungsantrag vom 21.10.2014“. Aufgrund des Kompetenzübergangs hat nunmehr das Landesverwaltungsgericht über diesen Antrag abzusprechen.
Beantragt wurde lediglich die Erlassung eines Bescheides über den Ausfolgungsantrag, nicht jedoch ein Feststellungsbescheid über die Rechtmäßigkeit der Nichtausfolgung.
5. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt anzuwenden; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind also zu berücksichtigen [vgl VwGH 30.06.2015, Ra 2015/03/0022; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001; vgl. auch Schulev-Steindl, Die Säumnisbeschwerde an die Verwaltungsgerichte und Säumnisschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in Holoubek/Lang (Hrsg.), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht (2014) 61 (67) mwN].
Da der Antrag auf umgehende Wiederausfolgung des Führerscheins zum Zeitpunkt seiner Einbringung zulässig war, ist über diesen Antrag inhaltlich abzusprechen.
Zumal der Führerschein bereits am 28.10.2014 ausgefolgt wurde, hat der verfahrensgegenständliche Antrag - aufgrund der mittlerweile geänderten Sachlage - nunmehr ein beantragtes faktisches Handeln der Behörde (Wiederausfolgung eines Führerscheins) zum Gegenstand, das in der Vergangenheit bereits vollzogen wurde. Dem ursprünglich zulässigen Antrag auf Ausfolgung des Führerscheins kann faktisch nicht mehr entsprochen werden, weil der Führerschein bereits ausgefolgt ist; der Antrag war daher als unbegründet abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer durch die gegenständliche Entscheidung auch in keinem Recht verletzt wäre, wenn der Ausfolgungsantrag durch die Ausfolgung des Führerscheins unzulässig geworden wäre.
6. Gegen diese Entscheidung ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die zum Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen ist, nicht ab. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde, ausständiger Bescheid, FührerscheinausfolgungsantragAnmerkung
VfGH-Beschwerde, VfGH vom 23.2.2017, E 145/2017-5, Ablehnung, ao Revision, VwGH vom 23.8.2017, Ra 2017/11/0163, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2016:405.4.804.1.7.2016Zuletzt aktualisiert am
07.11.2017