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68/01 Behinderteneinstellung;Norm
BEinstG §14 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der R GmbH in W, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Foglar-Deinhardstein & Brandstätter KEG in 1015 Wien, Plankengasse 7, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 17. Dezember 1998, Zl. 44.140/30-7/98, betreffend nachträgliche Zustimmung zur Kündigung (mitbeteiligte Partei: J in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der (im Jahr 1959 geborene) Mitbeteiligte war seit 18. Mai 1995 als Buchhalter bei der Beschwerdeführerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 29. August 1997 sprach die Beschwerdeführerin die Kündigung des Mitbeteiligten zum 31. Oktober 1997 aus. Der Mitbeteiligte gehört aufgrund des Bescheides des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. November 1997 seit 28. August 1997 zum Kreis der begünstigten Behinderten (§ 2 Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG) mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Er informierte die Beschwerdeführerin am 8. Oktober 1997 von seiner diesbezüglichen Antragstellung.
Mit Eingabe vom 21. November 1997 beantragte die Beschwerdeführerin bei der erstinstanzlichen Behörde die Erteilung der nachträglichen Zustimmung zur Kündigung. Sie machte im Wesentlichen geltend, sie sehe sich aufgrund der unsicheren Situation in ihrem Hauptmarkt Russland, der Insolvenz von Großkunden und der damit verbundenen Umsatzrückgänge gezwungen, den Betrieb umzustrukturieren und den Personalstand vor allem im Verwaltungsbereich zu verringern. Der Antrag werde nur vorsorglich gestellt, denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 25. September 1985, Zl. 84/09/0035) könne ein nicht mehr bestehendes Dienstverhältnis durch den rückwirkend erlassenen Feststellungsbescheid nicht mehr unter den Kündigungsschutz gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG gestellt werden, sodass eine Zustimmung an sich nicht erforderlich sei.
Mit Bescheid vom 15. April 1998 versagte die Erstbehörde gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG die nachträgliche Zustimmung zu der am 29. August 1997 ausgesprochenen Kündigung zum 31. Oktober 1997 und erteilte die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung.
Die Erstbehörde vertrat in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, es liege kein besonderer Ausnahmefall vor, der die nachträgliche Zustimmung rechtfertige. In der Rechtsprechung sei ein besonderer Ausnahmefall dann angenommen worden, wenn der Dienstgeber zu einer verhältnismäßig großen Betriebseinschränkung gezwungen sei und zudem bei Ausspruch der Kündigung noch nicht habe wissen können, dass der Dienstnehmer zu den begünstigten Personen zähle. In der Reduzierung des Personalstandes von 34 (Juli 1997) auf 31 (1. Jänner 1998) liege keine verhältnismäßig große Betriebseinschränkung im Sinne der erwähnten Rechtsprechung. Der Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung beinhalte auch einen Antrag auf Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung. Diesbezüglich führe die Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung zu erteilen sei.
Der Teil des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung erteilt wurde, wurde rechtskräftig. Gegen die Verweigerung der nachträglichen Zustimmung zur Kündigung erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie die Auffassung vertrat, bezogen auf den Verwaltungsbereich habe sie den Personalstand von neun auf sechs reduziert, sodass insoweit eine verhältnismäßig große Betriebseinschränkung vorliege. Da die Verbindlichkeit des Feststellungsbescheides betreffend die Zugehörigkeit des Mitbeteiligten zum Kreis der begünstigten Personen erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingetreten sei, liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein kündigungsgeschütztes Dienstverhältnis vor, sodass die Erstbehörde den Antrag wegen sachlicher Unzuständigkeit hätte zurückweisen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Frage, ob sich die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin tatsächlich so markant verschlechtert habe, dass die Kündigung des Mitbeteiligten zum 31. Oktober 1997 betriebswirtschaftlich notwendig gewesen sei, hätte nur anhand der von der Beschwerdeführerin vorzulegenden Bilanz sowie anhand der Gewinn- und Verlustrechnung 1997 erfolgen können. Die Beschwerdeführerin sei dem Auftrag, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung 1997 vorzulegen, innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen und habe auch keinen Fristerstreckungsantrag gestellt. Es liege somit mangels entsprechender Mitwirkung der Beschwerdeführerin kein Nachweis dafür vor, dass die Kündigung des Mitbeteiligten betriebswirtschaftlich im Rahmen einer erheblichen Personalreduktion notwendig gewesen sei. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die Kündigung des Mitbeteiligten zum 31. Oktober 1997 im Rahmen einer allgemeinen Personalreduktion nicht betriebswirtschaftlich notwendig gewesen sei. Es liege daher kein Sachverhalt vor, der als besonderer Ausnahmefall anzusehen wäre und die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung rechtfertigen könnte.
Der Berufungseinwand, die Erstbehörde sei sachlich unzuständig gewesen, weil das Dienstverhältnis infolge Erlassung des Feststellungsbescheides erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG unterlegen sei, sei zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin selbst am 21. November 1997 den Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung gestellt und die mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochene Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung ausgenutzt habe, indem sie das Dienstverhältnis jedenfalls zum 15. Juli 1998 beendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der größte Teil der Beschwerdeausführungen bezieht sich auf die bereits im Verwaltungsverfahren dargelegte Divergenz zwischen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 25. September 1985, Zl. 84/09/0035, Slg. Nr. 11.871/A), wonach die mit dem Feststellungsbescheid verbundenen Begünstigungen dann nicht mehr rückwirkend im Sinne des § 14 Abs. 2 BEinstG eintreten, wenn im Zeitpunkt des Eintrittes der Verbindlichkeit des Feststellungsbescheides ein Dienstverhältnis nicht mehr besteht, und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (z.B. OGH vom 25. Jänner 1989, 9 Ob A 304/88, DRdA 1990, 142; vom 31. Jänner 1990, 9 Ob A 25/90, ARD 4173/10/90), nach der die Rückwirkung gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. nicht davon abhängt, ob der Bescheid vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist erlassen oder rechtskräftig wird. Die Beschwerdeführerin hält die oben genannte Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für richtig und meint, diese Auffassung könne im Hinblick auf die gegenteilige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (und die entsprechende Praxis der Arbeitsgerichte) nur in der Weise durchgesetzt werden, dass im Falle der Erlassung des Feststellungsbescheides erst nach Ablauf der Kündigungsfrist jedenfalls und ohne weitere Voraussetzungen die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung zu erteilen sei.
Diesen Ausführungen ist zwar einzuräumen, dass die aufgezeigte Judikaturdivergenz noch im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde bestanden hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch mittlerweile mit dem Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 94/08/0032, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, aus den dort genannten Erwägungen seine Rechtsprechung geändert und erklärt, sich nunmehr der Auffassung des Obersten Gerichtshofes anzuschließen, nach der der Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz rückwirkend gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. auch dann eintritt, wenn der rechtsfeststellende Bescheid erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt wurde. Jede nach dem - wenn auch erst im Nachhinein eingetretenen - Wirksamwerden des Kündigungsschutzes ausgesprochene Kündigung bedarf daher der Zustimmung des Behindertenausschusses.
Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die belangte Behörde zu Recht eine meritorische Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung getroffen hat. Sowohl die in der Berufung angestrebte Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides wegen sachlicher Unzuständigkeit als auch die in der Beschwerde als Konsequenz der aufgezeigten Judikaturdivergenz für richtig erachtete Erteilung der nachträglichen Zustimmung zur Kündigung ohne Prüfung der Voraussetzungen wären nach dem Gesagten rechtswidrig gewesen.
Die Beschwerdeführerin meint, auch bei inhaltlicher Prüfung der Voraussetzungen wäre die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung zu erteilen gewesen. Im Kündigungszeitpunkt habe sie von einem Umsatzeinbruch von mindestens 24 % für das Jahr 1997 ausgehen müssen. Im Bereich der Verwaltung sei der Mitarbeiterstand von neun auf sechs reduziert worden, was eine wesentliche Betriebseinschränkung im Sinne der Rechtsprechung darstelle.
Zu diesem Vorbringen wurde Folgendes erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 2 zweiter Satz BEinstG ist eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine nachträgliche Zustimmung erteilt werden kann, wiederholt die Auffassung vertreten, dass das Gesetz durch die doppelte Hervorhebung des Ausnahmecharakters ("besondere" und "Ausnahmefälle") in eindringlicher Weise zum Ausdruck gebracht habe, dass dabei nur an ganz außergewöhnliche Umstände gedacht sei. Es werde sich demnach um Fälle handeln müssen, die nicht nur hart an der Grenze des Kündigungsschutzes überhaupt gelegen, sondern auch dadurch charakterisiert seien, dass dem Dienstgeber die vorherige Einholung einer behördlichen Zustimmung nicht zugemutet werden könne. Ein solcher Fall liege z.B. dann vor, wenn der Dienstgeber zu einer verhältnismäßig großen Betriebseinschränkung gezwungen sei und außerdem bei Ausspruch der Kündigung nicht habe wissen können, dass der betreffende Dienstnehmer zu den begünstigten Personen zähle (siehe dazu das Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0550, Slg. Nr. 14.986/A, mwN).
Derartige Umstände liegen im Beschwerdefall nicht vor. Die Beschwerdeführerin konnte zwar im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung noch nicht wissen, dass der Mitbeteiligte zum Kreis der begünstigten Personen zählt, von einer Betriebsstilllegung oder verhältnismäßig großen Betriebseinschränkung kann aber keine Rede sein. Inwieweit tatsächlich ein großer wirtschaftlicher Rückschlag für das Unternehmen im Jahr 1997 zu verzeichnen gewesen ist, blieb im Verwaltungsverfahren mangels entsprechender Mitwirkung der Beschwerdeführerin ungeklärt. Die Einschätzung durch den Steuerberater der Beschwerdeführerin in seinem Brief vom 26. August 1997, in dem er auf einen deutlichen Umsatzrückgang in den ersten sieben Monaten des Jahres 1997 hinweist, bildet keine taugliche Grundlage für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung tatsächlich in einem besonderen Ausnahmezustand im oben beschriebenen Sinne befunden. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Mitbeteiligten ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin noch vor Ablauf der Kündigungsfrist von der Antragstellung des Mitbeteiligten gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG verständigt wurde, sodass sie noch während des Bestandes des Dienstverhältnisses mit dem Mitbeteiligten damit rechnen musste, dass die Kündigung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam sein wird, und entsprechende Dispositionen in Bezug auf die von ihr beabsichtigten Rationalisierungsmaßnahmen treffen konnte.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110078.X00Im RIS seit
24.11.2000Zuletzt aktualisiert am
08.03.2010