TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 99/11/0169

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Veröffentlicht am 24.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KFG 1967 §65 Abs2;
KFG 1967 §66;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. Peter Zwach, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Klosterwiesgasse 61, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Jänner 1999, Zl. 11-39-193/98-7, betreffend Erteilung einer befristeten Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0038, verwiesen. Mit diesem wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Oktober 1996, mit welchem gemäß § 73 Abs. 1 (eigentlich: § 65 Abs. 2) KFG 1967 dem Beschwerdeführer eine auf die Dauer von fünf Jahren (bis zum 12. April 2001) befristete Lenkerberechtigung erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der wesentlichen Begründung aufgehoben, dass sich die belangte Behörde auf ein nicht schlüssiges Amtssachverständigengutachten, welches im Übrigen jegliche Auseinandersetzung mit einem beigebrachten nervenfachärztlichen Befund vermissen ließ, gestützt habe.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid ("Ersatzbescheid") der belangten Behörde vom 14. Jänner 1999 wurde erneut die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 29. April 1996, mit welchem die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers zeitlich auf die Dauer von fünf Jahren eingeschränkt und die Vorlage eines nervenfachärztlichen Befundes vor Fristablauf aufgetragen worden war, abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass die zeitliche Einschränkung von der Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens der Behörde zweiter Instanz (11. November 1998) zu rechnen sei (die Lenkerberechtigung daher mit 11. November 2003 befristet sei).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im fortgesetzten Verfahren forderte die belangte Behörde die Amtssachverständige (Fachabteilung für Gesundheitswesen) zur Abgabe einer ärztlichen Stellungnahme auf, die, am 5. März 1998 erstattet, dahin lautete, es erscheine die Anforderung eines Gutachtens der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie zur Klärung des Sachverhalts erforderlich. In der Folge erstattete die Amtssachverständige am 11. November 1998 neuerlich ein ärztliches Gutachten, welches, nach Darstellung der Anamnese und des Untersuchungsbefundes folgenden Wortlaut hat:

"Bei Herrn P besteht ein Zustand nach schizoaffektiver Psychose, wobei seit 1994 kein Rezidiv mehr aufgetreten ist. Derzeit besteht eine auch fachärztlich bestätigte, neurologisch - psychiatrisch unauffällige Symptomatik, eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit liegt nicht vor. es ist allerdings aus ha. fachlicher Sicht festzuhalten, dass dieser Zustand des Freiseins von psychotischen Symptomen unter der Einnahme eines, wenn auch niedrig dosierten Neuroleptikums besteht, das durch eine ausgeprägte, rasch einsetzende Dämpfung und eine starke antipsychotische Wirkung gekennzeichnet ist. Unter dieser antipsychotischen Medikation ist daher eine Vergleichbarkeit zum Rückfallsrisiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung nicht möglich. Bei dieser Medikamentengruppe sind wegen der Gefahr schwerer Nebenwirkungen regelmäßige Blutbildkontrollen notwendig, zu beachten ist auch, dass die zentral dämpfenden Wirkungen bei gleichzeitiger Einnahme von Beruhigungs-/Schmerzmittel, Antihistaminika, Schlafmitteln und Alkohol außergewöhnlich verstärkt werden und sogar toxische Psychosen auslösen können. Die regelmäßige Behandlung mit Leponex setzt daher regelmäßige ärztliche Kontrollen voraus, auch das Absetzen des Medikamentes kann nur ausschleichend unter ärztlicher Kontrolle erfolgen, um möglicherweise erneut auftretende psychotische Symptome rechtzeitig zu erkennen. Eine Erkrankung ist nur dann als ausgeheilt zu betrachten, wenn keine Krankheitssymptome mehr vorhanden sind und auch keine spezifische Behandlung mehr erforderlich ist. Im ggst. Fall wird das Freisein von Krankheitszeichen durch die Beibehaltung einer antipsychotischen Medikation aufrecht erhalten. Eine Aussage über den Krankheitsverlauf nach vollständigem Absetzen der Langzeittherapie kann derzeit nicht getroffen werden, das Rückfallrisiko ist aber keinesfalls mit dem Erkrankungsrisiko der Durchschnittsbevölkerung vergleichbar, sondern als erhöht anzunehmen.

Eine zeitliche Einschränkung der Lenkerberechtigung ist daher weiterhin notwendig.

Herr ist daher aus medizinischer Sicht zum Lenken von KFZ der Gruppen A und B

bedingt geeignet.

Bedingung:

Befristung der Lenkberechtigung auf 5 Jahre."

Weitere Ausführungen enthält dieses Gutachten nicht. Es wurde in der Folge dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme zugestellt. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1998 bestritt der Beschwerdeführer die Richtigkeit dieses Gutachtens und verwies insbesondere auch darauf, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem in dieser Angelegenheit ergangenen Erkenntnis (Zl. 97/11/0038) völlig ignoriert würden.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den angefochtenen Bescheid, in welchem sie sich darauf beschränkt, das genannte Amtssachverständigengutachten wörtlich zu zitieren und daran anschließend auszuführen, das Vorbringen des Beschwerdeführer sei nicht geeignet, "das vorzitierte amtsärztliche Gutachten, welches in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist, zu entkräften."

Damit hat die belangte Behörde jedoch - wie schon der Beschwerdeführer in seinem selbstverfaßten Schreiben vom 13. Dezember 1998 zu Recht ausgeführt hat - den Inhalt des hg. Erkenntnisses vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0038, verkannt:

darin hatte der Verwaltungsgerichtshof nach Darstellung der Rechtslage und unter Hinweis auf die Vorjudikatur zum Ausdruck gebracht, dass es, um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (im Sinne der §§ 65 Abs. 2, 66 und 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967) annehmen zu können, konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber bedarf, dass die geistige und körperliche Eignung des Betreffenden zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber zumindest hinsichtlich einer der Komponenten der geistigen und körperlichen Eignung eine Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer Verschlechterung gerechnet werden müsse. Nur dann könne von einer Krankheit gesprochen werden, bei der unter Hinweis auf ihre Natur die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründet werden könne.

Diesem Erfordernis wird auch der nunmehr angefochtene Bescheid erneut nicht gerecht. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde keinerlei konkrete Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat sondern ausschließlich den Wortlaut des Amtssachverständigengutachtens zitiert und es lediglich mit einer üblichen Floskel und ohne eingehende Auseinandersetzung mit dem Gutachten als "schlüssig und widerspruchsfrei" ansieht, ist zunächst darauf zu verweisen, dass das Amtssachverständigengutachten auf einen

beigeschafften - offenbar für den Beschwerdeführer

sprechenden - fachärztlichen Befund ("Gutachten") vom 14. Oktober 1998 verweist, welcher lediglich "in gekürzter Fassung wiedergegeben" wird, und im Übrigen im Verwaltungsakt nicht aufgefunden werden kann. Darüber hinaus führt das Amtssachverständigengutachten - zur hier wesentlichen und im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1997 besonders hervorgehobenen Frage, ob mit einer Verschlechterung gerechnet werden müsse - aus, dass eine Vergleichbarkeit mit dem Rückfallrisiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung nicht möglich sei. Auch in weiterer Folge des Gutachtens führt die Amtssachverständige aus, dass das Rückfallrisiko mit dem Erkrankungsrisiko der Durchschnittsbevölkerung auch nicht hinsichtlich der Frage, wie sich der Krankheitsverlauf "nach vollständigem Absetzen der Langzeittherapie" gestalten würde, vergleichbar sei. Dann führt die Sachverständige jedoch in einem Zuge und ohne nähere Begründung aus, das Rückfallrisiko sei "... als erhöht anzunehmen". Das Gutachten gipfelt schließlich in der Äußerung: "Bedingung: Befristung der Lenkerberechtigung auf fünf Jahre." Diese Rechtsbeurteilung wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ohne jegliche konkrete Begründung - denn eine solche weist auch das Sachverständigengutachten zu diesem Punkt nicht auf - übernommen, der angefochtene Bescheid ist daher nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren erneut das Sachverständigengutachten ergänzen lassen müssen, wobei insbesondere, fußend auf einem nervenfachärztlichen Befund und unter Bedachtnahme auf den verkehrsrelevanten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers konkret eine Aussage darüber getroffen werden muss, ob eine für die Teilnahme am Straßenverkehr relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführer zu erwarten ist oder nicht. Erst danach wird die belangte Behörde rechtlich die Beurteilung vornehmen können, ob eine Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers erforderlich ist oder nicht, wobei sie bejahendenfalls auch eine konkrete Begründung für die Dauer einer allfälligen Befristung zu liefern hätte.

Da somit der Sachverhalt erneut einer Ergänzung bedarf und wieder Verfahrensvorschriften verletzt wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die vom Beschwerdeführer verzeichneten Stempelgebühren, von deren Entrichtung er befreit war.

Wien, am 24. Oktober 2000

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110169.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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