Index
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
AKG 1992 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Ernst Pammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 5. April 2000, Zl. 53.002/17-X/3/2000, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zur Arbeiterkammer (mitbeteiligte Partei: Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Generalsekretär und damit Angehöriger der Geschäftsleitung des Österreichischen Roten Kreuzes (eines Vereines).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Februar 2000 auf Feststellung seiner Nichtzugehörigkeit zur Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien nicht stattgegeben und festgestellt, dass er als Angestellter des Österreichischen Roten Kreuzes gemäß § 10 Abs. 1 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. Nr. 626/1991 (AKG), dieser Kammer angehöre.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäussert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 und 2 AKG lauten:
"(1) Der Arbeiterkammer gehören alle Arbeitnehmer an. Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind auch
1. Arbeitslose im Anschluß an eine arbeitslosen versicherungspflichtige Beschäftigung, wenn sie bisher insgesamt mindestens 20 Wochen kammerzugehörig als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind, für die Dauer von 52 Wochen oder eines längeren Bezuges einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung.
2. (Verfassungsbestimmung) Arbeitnehmer in Betrieben, Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden, ohne Rücksicht darauf, ob das Arbeitsverhältnis auf privatrechtlichem Vertrag oder auf einem Hoheitsakt beruht;
3. Arbeitnehmer von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit sie nicht in Z 2 genannt sind, und deren Betrieben, Stiftungen, Anstalten und Fonds;
4. Präsidenten und leitende Angestellte von gesetzlichen Interessenvertretungen und kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigungen der Arbeitnehmer, soweit sie kammerzugehörige Berufsgruppen vertreten;
5. Arbeitnehmer in Sägen, Harzverarbeitungsstätten, Mühlen und Molkereien, die von land- und forstwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften betrieben werden, sofern in diesen dauernd mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind;
6. Heimarbeiter.
(2) Der Arbeiterkammer gehören nicht an:
1. (Verfassungsbestimmung) Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften, die
a) dem Personalstand einer Dienststelle angehören, die in Vollziehung der Gesetze tätig ist, und bei einer solchen Dienststelle verwendet werden;
b) in Unterrichts- und Erziehungsanstalten, Archiven, Bibliotheken, Museen oder wissenschaftlichen Anstalten beschäftigt sind;
c) in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben von Gebietskörperschaften beschäftigt sind;
2. Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird; in Unternehmen mit anderer Rechtsform - unbeschadet Abs. 2 Z 4 - leitende Angestellte, denen dauernd maßgebender Einfluß auf die Führung des Unternehmens zusteht;
3. Ärzte, Rechts- und Patentanwaltsanwärter, Notariatskandidaten und Berufsanwärter der Wirtschaftstreuhänder;
4. in öffentlichen oder Anstaltsapotheken angestellte pharmazeutische Fachkräfte;
5. Seelsorger von Kirchen und Religionsgesellschaften sowie Ordensangehörige, wenn sie nicht in einem der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht - ausgenommen nach § 4 Abs. 1 Z 13 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - unterliegenden Arbeitsverhältnis stehen;
6. land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte, unbeschadet des § 101 Abs. 2;
7. Arbeitnehmer der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Land- und Forstwirtschaft, soweit sie nicht in Betrieben, Anstalten und Fonds beschäftigt sind."
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Beschwerdeführer unter die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG fällt, ob er nämlich ein leitender Angestellter, dem dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht, ist. Diese Frage ist an Hand der Satzung des Vereines "Österreichisches Rotes Kreuz" zu beurteilen. In dieser Hinsicht stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein. Dass der Dienstvertrag mit dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Leitungsbefugnisse von der Satzung abweicht, wurde nicht behauptet.
Die belangte Behörde begründete ihren Standpunkt damit, dass der Geschäftsleitung des Vereines zwar die Besorgung sämtlicher Aufgaben in eigener Verantwortung obliegt, dass diese Aufgabenbesorgung aber im Rahmen der Beschlüsse anderer Vereinsorgane, der Hauptversammlung und des Arbeitsausschusses, und unter Beachtung eventueller Weisungen des Präsidenten zu erfolgen habe. Der Arbeitsausschuss sei zwar nicht das geschäftsführende Organ des Vereines, doch obliege ihm u.a. die Erlassung von Richtlinien für die Erfüllung der Vereinsaufgaben, der Geschäftsordnung für die Geschäftsleitung sowie des Haushaltsplanes. Der Geschäftsleitung obliege dagegen nur der "operative Teil der Geschäftsführung". Die belangte Behörde verweist ferner auf den Umstand, dass nicht die Geschäftsleitung, sondern der Arbeitsausschuss von der Hauptversammlung zu entlasten ist, auf die Berichtspflicht gegenüber dem Präsidenten sowie auf das Erfordernis, dass der Präsident bestimmte Rechtsgeschäfte zu genehmigen hat. Der Präsident vertrete den Verein nach außen, soweit nicht die Geschäftsleitung zuständig sei. Die Geschäftsleitung sei dem Arbeitsausschuss und dem Präsidenten in höherem Maße untergeordnet, als dies in Ansehung des Geschäftsführers einer GmbH der Fall sei, auch wenn dessen Tätigkeit zur Gänze durch Weisung anderer Gesellschaftsorgane determiniert werden könne. Die Geschäftsleitung sei nur in Teilbereichen ihrer Tätigkeit der Stellung der Geschäftsführer einer GmbH angenähert. Sie stelle nicht "die erste Führungsebene des Unternehmens" dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des AKG 1992 (sowie des ArbVG), hinsichtlich der nicht in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften organisierten Arbeitgeber auch des AKG 1954 (vgl. den AB zum AKG 1992, 252 BlgNR 18.GP), ausgeführt, dass dieser regelmäßig unter eigener Verantwortung bedeutsame und echte unternehmerische Leitungsaufgaben auf bestimmten (Teil-)Gebieten, wie die organisatorische, personelle, kaufmännische wirtschaftliche, technische oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens, mit einem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt. Der Umstand einer Weisungsgebundenheit spreche für sich weder für noch gegen die Eigenschaft als leitender Angestellter (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 94/08/0212, sowie das dort zitierte Erkenntnis vom 24. März 1988, Slg. Nr. 12 687/A). Davon, dass ein leitender Angestellter sich in der ersten Führungsebene des Unternehmens befinden müsse, ist in der Rechtsprechung keine Rede.
Bewertet man die Aufgaben der Geschäftsleitung auf Grund der Satzung, so steht im Vordergrund, dass ihr grundsätzlich die Führung der Geschäfte des Vereines obliegt. Dabei können im Wege von Beschlüssen der Hauptversammlung und des Arbeitsausschusses Einschränkungen der Entscheidungsgewalt erfolgen. Durch Weisungen des Präsidenten können bestimmte Entscheidungen determiniert werden. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Vereinssatzung, die der Geschäftsleitung in Arbeitnehmerstatus ehrenamtliche Funktionäre gegenüberstellen, ist bei einer im vorliegenden Fall gebotenen Durchschnittsbetrachtung davon auszugehen, dass sich die Eingriffe in die Entscheidungsgewalt der Geschäftsleitung auf zwar wichtige, aber in quantitativer Hinsicht wenige Angelegenheiten beziehen. Die grundsätzliche "operative" Geschäftsführung liegt unbestritten bei der Geschäftsleitung. Ein maßgebender Einfluss auf die Führung des Vereines kann ihr daher nicht abgesprochen werden. Nach der zitierten Rechtsprechung genügt es im Übrigen, wenn sich die Befugnis zur eigenständigen Besorgung der Geschäfte auf einen Teilbereich der Tätigkeit des Unternehmens bezieht. Da das Gesetz auf den Einfluss auf die Führung des Unternehmens abstellt, kommt es nicht in entscheidender Weise auf die Befugnis zur Vertretung des Unternehmens nach außen an.
Dies wurde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides verkannt. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110147.X00Im RIS seit
10.01.2001