TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/09 E3 433971-1/2013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2013
beobachten
merken
Spruch

E3 433.971-1/2013-9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2013, Zl. 13 02.599-EAST-West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, reiste am 20.02.2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 01.03.2013 gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er sich mit der PML angehörenden Personen angefreundet habe. Bei der MSF handle es sich um die Jugendorganisation der PML. Im Sommer 2012 sei es dann zu einem Streit mit der PPP, deren Jugendpartei heiße PSF, gekommen. Hiebei seien er und seine Parteimitglieder verletzt worden. Nach einer kurzen Ruhe seien dann plötzlich ein paar Parteifreunde von ihm angegriffen und stark verletzt worden. Bei einer Rückkehr würde er um sein Leben fürchten, wenn die andere Partei an die Macht gelangen sollte.

 

3. Im Rahmen der Einvernahmen vor dem BAA am 07.03.2013 und 13.03.2013 erklärte der Beschwerdeführer zudem, dass es einen Familienstreit gebe. Als er klein gewesen sei, habe sein Vater seine Mutter verlassen. Sein Vater habe ein Grundstück besessen und dieses habe ihnen sein Onkel nicht geben wollen. Seine Mutter habe daraufhin den Kontakt zu seinem Onkel abgebrochen. Nun besitze sein Onkel dieses Grundstück, weil sein Vater verstorben sei.

 

Zum Grund der Ausreise befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er sich im Jahr 2012 mit Leuten der MSF (Muslim Student Federation) angefreundet und sodann mit diesen drei- bis viermal Umzüge gemacht sowie an zwei Parteiversammlungen teilgenommen hätte. Zweimal (März und Oktober 2012) seien sie in Sialkot von Anhängern der gegnerischen Partei PSF (People¿s Student Federation) attackiert worden. Seine Mutter habe gesagt, dass er jetzt ein Parteimitglied wäre.

 

Eine Verfolgung seitens des Staates sowie aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit und Religion wurde dezidiert verneint.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.03.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt und im Rahmen einer Eventualbegründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei Glaubhaftunterstellung seines Vorbringens staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte.

 

5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.03.2013 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Zunächst wurde auf ein handschriftliches - der Beschwerde beigefügtes - Schreiben hingewiesen (Übersetzung: OZ 5). Hierin versuchte der BF die aufgetretenen Widersprüche zur Frage, wie oft und wann es zu Streitigkeiten gekommen sei, damit zu erklären, dass er bei der ersten Befragung deprimiert und ängstlich gewesen sei bzw. die Fragen nicht richtig verstanden habe. Zu den unterschiedlichen Angaben hinsichtlich der Ausreise aus Pakistan und der Einreise nach Österreich führte der BF aus, dass er bei der zweiten Befragung ein falsches Datum angegeben hätte. Manchmal würde er die Sachen wegen seiner Probleme durcheinander bringen. Ferner habe er Pakistan erst im Dezember verlassen können, da er zwei Monate benötigt habe, um den Schmuck seiner Mutter zu verkaufen. In dieser Zeit hätte er sich in Pakistan versteckt gehalten. Hinsichtlich seiner Kopfverletzung habe er keine Beweise vorlegen können, da er in einem Privatspital operiert worden sei. Bezüglich seiner Mitgliedschaft bei der MSF würde er keine Unterlagen besitzen und habe er in Pakistan niemanden, der ihm solche Unterlagen schicken könne. Seine Mutter und seine Schwester würden sich als Frauen mit den pakistanischen Behörden sehr schwer tun. Außerdem habe ihm seine Mutter erzählt, dass es wegen der Wahlen in Pakistan momentan sehr schwer sei, solche Arbeiten zu erledigen.

 

Ferner seien die Grundanforderungen für die Glaubwürdigkeitsprüfung zur Gänze erfüllt. Sein Vorbringen sei genügend substantiiert und hätte er in seinen Aussagen ausführlich, konkret und detailliert zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre er gerne bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken.

 

Die Ausführungen des BF hätten keine ausreichende inhaltliche und rechtliche Würdigung erfahren. Durch dessen vorgefasste Meinung habe das BAA das Vorbringen des BF schlichtweg übergangen und seien nur unzureichende Feststellungen seinen Fall betreffend getroffen worden.

 

Auch im Asylverfahren würden die AVG-Prinzipien der Bewahrung des Parteiengehörs und der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts gelten. Die rudimentären beweiswürdigenden Ausführungen des BAA genügen jedenfalls nicht den Anforderungen einer AVG-konformen Bescheidbegründung.

 

Hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Pakistan sei anzuführen, dass die gesamte Situation bekanntlich sehr prekär und beunruhigend sei, wobei in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Geschehnisse in Pakistan verwiesen wurde.

 

Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

 

6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

7. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Beschwerde.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 87/2012) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Anzuwenden war das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Der angefochtene Bescheid basiert auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das Bundesasylamt hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des Beschwerdeführers gebracht.

 

2.1. Das Bundesasylamt legte im Rahmen der Beweiswürdigung dar, dass es dem BF nicht gelungen sei, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Der Asylgerichtshof schließt sich den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde an.

 

Dem Bundesasylamt ist daher nicht entgegenzutreten, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den Auseinandersetzungen mit den Mitgliedern der PSF gravierend divergieren. Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der oder den Einvernahme(n) im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall stellt das Vorbringen in der Einvernahme jedoch kein im Verhältnis zur Erstbefragung detaillierteres Vorbringen, sondern ein in einem nicht unwesentlichen Teilbereich völlig anderes Geschehen dar, als in der Erstbefragung. Ursprünglich hat der BF nämlich in der Erstbefragung davon gesprochen, dass es im Sommer 2012 mit Mitgliedern der PSF zum Streit gekommen sei. Dabei sei er selbst am Kopf verletzt worden. Nach einer kurzen Zeit seien dann erneut ein paar Freunde von ihm, die der MSF angehörten, angegriffen und stark verletzt worden (vgl. AS 23). Im Gegensatz hierzu brachte der BF wenig später in der Einvernahme vor dem BAA am 07.03.2013 vor, dass er als Mitglied der MSF einmal im März und einmal im Oktober 2012 Streitereien mit Parteimitgliedern der PSF gehabt habe. Insoweit ist klar erkennbar, dass der BF erst im Zuge der Einvernahme vor dem BAA behauptete, in zwei Streitereien verwickelt gewesen zu sein (AS 43, 45). Andererseits findet sich in den Niederschriften der Einvernahmen vor dem BAA mit keinem Wort die vom BF angeblich erlittene Kopfverletzung. Dementsprechend wurde vom BAA auch richtigerweise darauf hingewiesen, dass es als ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des BF anzusehen ist, dass dieser - trotz angeblicher Kopfverletzung - verneinte, in Pakistan jemals in medizinischer Behandlung gewesen zu sein (AS 39). Zur Vollständigkeit ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass es sich bei jenen Ausführungen in der Beweiswürdigung, wonach der BF im Rahmen der Einvernahme vor dem BAA am 07.03.2013 erwähnt habe, bei der zweiten Schlägerei verletzt worden zu sein, um eine Aktenwidrigkeit handelt (AS 204), die selbstverständlich nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers herangezogen werden kann. Aus dieser Mangelhaftigkeit des Verfahrens resultiert jedoch weder die Notwendigkeit zur Behebung des Bescheides, noch zu einer mündlichen Verhandlung, da die Nichterwähnung dieser Verletzung vor dem Bundesasylamt in Zusammenschau mit der Verneinung der Frage nach einer medizinischen Behandlung in Pakistan bei genauer Betrachtung mindestens in gleichem Ausmaß gegen die Glaubwürdigkeit des BF spricht.

 

Dem Bundesasylamt ist ferner zuzustimmen, dass der BF keine widerspruchsfreien zeitlichen Ausführungen zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen tätigen konnte. So führte der BF zu Beginn der Einvernahme am 07.03.2013 dezidiert an, dass es im Jahr 2012 in Sialkot eine Attacke der gegnerischen Partei PSF gegeben habe. Zwei oder drei Wochen später habe es in Sialkot eine erneute Attacke gegeben (AS 43). Später erklärte der BF allerdings, dass der erste Vorfall im März und der zweite Vorfall im Oktober 2012 gewesen seien (AS 45), was jedoch unvereinbar mit seinen ursprünglichen Angaben zu den Vorfällen ist. So beträgt die Zeitspanne zwischen den beiden Ereignissen plötzlich nicht mehr zwei oder drei Wochen, sondern etwa sieben Monate und erscheint es auch auffällig, dass weder der März noch der Oktober zu der vom BF erwähnten Jahreszeit (Sommer) zu zählen sind.

 

Der erkennende Senat des Asylgerichtshof teilt ebenso die Ansicht des Bundesasylamtes, dass der Beschwerdeführer das Bedrohungspotential offenbar selbst nicht sehr hoch eingeschätzt hat, zumal er Pakistan erst im Dezember 2012 (AS 19, 43) - etwa zwei Monate nach dem letzten Vorfall im Oktober 2012 (AS 47) - und darüber hinaus auch nur auf Anraten seiner Mutter (AS 43) verlassen hat.

 

Ergänzt wird dies richtigerweise durch die Überlegung, dass der Beschwerdeführer sein Heimatdorf bei einer tatsächlichen Bedrohung sicherlich zu einem früheren Zeitpunkt verlassen hätte, zumal sich ein Reisepass im Besitz des Beschwerdeführers befand (AS 39). Einer sofortigen Ausreise wäre somit nichts im Wege gestanden, zumal seine Familie offenbar nicht völlig unvermögend war (AS 43). Der BF war nunmehr auch in der Beschwerde nicht in der Lage, eine plausible Erklärung für sein langes Zuwarten erbringen zu können. Ferner weist der Umstand, dass es nach der Attacke im Oktober 2012 vor der Ausreise zu keinen weiteren Vorfällen gekommen ist und der BF die Frage nach einem speziellen fluchtauslösenden Ereignis verneinte (AS 43), ebenfalls eher auf einen harmlosen Konflikt mit eventuell verbalen Auseinandersetzungen hin, dem es an der erforderlichen Intensität für das Vorliegen einer Verfolgung mangelt. Selbiges gilt für den Umstand, dass es dem Beschwerdeführer offenbar freigestanden wäre, an den beiden Treffen der Parteien nicht teilzunehmen. Dies lässt sich daraus ableiten, dass bei diesen Zusammenkünften sehr wohl jeweils unterschiedliche Personen anwesend gewesen seien. Einen zwingenden Grund für eine Teilnahme konnte der BF jedenfalls nicht darlegen (AS 49).

 

Weiters ist - wie bereits vom Bundesasylamt (AS 206) - darauf hinzuweisen, dass die anderen - ebenfalls bedrohten - Mitglieder der MSF, immer noch in Pakistan leben und sich dort sogar noch für die Partei engagieren (AS 49). Insbesondere war der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch nicht in der Lage eine plausible Erklärung dafür zu erbringen, weshalb ausgerechnet er als relativ neu beigetretenes Parteimitglied - im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern - Pakistan verlassen musste.

 

Zudem ist dem BAA beizupflichten, dass es ungewöhnlich erscheint, dass der BF keinerlei Interesse am Schicksal seiner Partei bzw. deren Mitgliedern zeigt. Hätte tatsächlich ein entsprechendes Engagement für die Partei MSF bestanden, wäre es nahe liegend, dass sich der BF Sorgen um seine Freunde macht und sich zumindest über Umwege nach ihrem Ergehen erkundigen würde. Tatsächlich gab der BF aber zu Protokoll, letztmals im Oktober 2012 mit Mitgliedern der MSF Kontakt gehabt zu haben.

 

Dem Bundesasylamt ist schließlich ebenso wenig entgegenzutreten, wenn es die vom BF erstmals vor dem BAA erwähnten Grundstücksstreitigkeiten als nicht glaubhaft qualifiziert, zumal der BF diese Problematik im Zuge der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte. Insoweit stellen diese Ausführungen eine Steigerung der Geschehnisse im Heimatland dar. Ein plausibler Grund für diese Steigerung des Vorbringens kann weder den Einvernahmen vor dem BAA noch dem Beschwerdeschriftsatz entnommen werden und stellt auch diese Vorbringenssteigerung einen weiteren Grund für die festgestellte Unglaubwürdigkeit dar.

 

Im Übrigen ist aber bezüglich der Ausführungen des BF zur pakistanischen Nationalversammlung und zur MSF anzumerken, dass - entgegen der Argumentation des BAA (AS 207) - der Antwort des BF, wonach die Legislaturperiode der pakistanischen Nationalversammlung fünf Jahre betrage (AS 49), Richtigkeit zukommt (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Elections_in_Pakistan). Ferner erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass der BF weder die genaue Anzahl der Abgeordneten zur Nationalversammlung noch das Gründungsjahr der MSF nennen konnte, zumal derartige Fragen wohl auch von einer großen Anzahl österreichischer Parteimitglieder nicht beantwortet werden könnte. Im Ergebnis ist aber die Frage der politischen Kenntnisse des BF nachrangig, da sie mit dem unmittelbaren Fluchtvorbringen (den gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Anhängern der PSF) in keiner relevanten Relation steht. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der BF nun am 15. oder 20.12.2012 seine Ausreise aus Pakistan antrat.

 

2.1.1. Die seitens des Bundesasylamtes vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten.

 

2.2. Ferner bestehen aus Sicht des Asylgerichtshofes erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers; dies aus folgenden Gründen:

 

Laut den vom BAA und dem erkennenden Senat herangezogenen Länderfeststellungen wurde am 6. September 2008 Asif Ali Zardari (PPP) von einem parlamentarischen Wahlkollegium mit deutlicher Mehrheit für die nächsten fünf Jahre zum Präsidenten gewählt. Sein Vorgänger, Gen. A.D. Pervez Musharraf, war am 18. August 2008 zurückgetreten, um einem parlamentarischen Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen. Die Regierungskoalition von PPP (Pakistan People's Party), die bei den Parlamentswahlen am 18. Februar 2008 stärkste Partei geworden war, und PML-N (Pakistan Muslim League - Nawaz Sharif Gruppe) zerbrach nur eine Woche später an der Frage der Wiedereinsetzung der von Musharraf im Herbst 2007 abgesetzten Obersten Richter. Premierminister ist derzeit noch der von der PPP gestellte Makhdoum Yusuf Raza Gilani, der am 25. März 2008 von Präsident Musharraf vereidigt worden war. Im März 2009 wurde auf Druck u.a. der PML-N der Oberste Richter des Landes Iftikhar Muhammad Chaudhry neben anderen Höchstrichtern wieder eingesetzt. Im Punjab, in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, ist die PML-N stärkste Partei und kehrte Shabaz Sharif, dessen Politikverbot wie das seines Bruders Nawaz Sharif von den wieder eingesetzten Höchstrichter ihrerseits aufgehoben wurde, als Ministerpräsident der Provinz Punjab zurück. Auch geht aus den Länderberichten, wie festgestellt, hervor, dass politische Parteien in Pakistan weitgehend frei operieren können und kann nicht abgeleitet werden, dass Mitglieder bzw. Anhänger einer Partei, hier der PML-N bzw. deren Studentenorganisation MSF, allgemeiner Verfolgung ausgesetzt wären. Insoweit erscheint es auch vor dem Länderhintergrund, wonach sich auf Bundesebene die PPP in einer Koalition mit der PML-Q befindet und die PML-N in dessen Heimatprovinz die stärkste Partei ist und von dieser der Ministerpräsident der Provinz Punjab gestellt wird, wenig glaubhaft, dass die angeblich von der PPP bzw. deren Studentenorganisation PSF stammenden Täter im Punjab ein derartiges - vom BF geschildertes - Bedrohungspotential besitzen und von der Polizei nicht ausgeforscht werden könnten. Auch das Ergebnis der im Mai 2013 in Pakistan abgehaltenen Parlamentswahlen vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, zumal die PML-N aus den Wahlen landesweit klar als Sieger hervorging. Der designierte Ministerpräsident Nawaz Sharif (PML-N) soll nun am 05.06.2013 vom Parlament in seine dritte Amtszeit gewählt werden. Zudem bestätigte sich die Schwäche der PPP im Provinzparlament von Punjab, in dem sie lediglich sechs von 297 möglichen Sitzen für sich gewinnen konnte.

 

Letztlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der BF zu Beginn der Einvernahme vor dem BAA am 07.03.2013 den Eindruck erweckte, dass es in Sialkot jeweils im Zuge eines zufälligen Aufeinandertreffens mit Personen der gegnerischen PSF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen sei (AS 43). Abweichend hiervon erklärte der BF aber wenig später, dass beide Treffen mit der gegnerischen Partei in Sialkot geplant gewesen seien (AS 45).

 

Gesamthaft betrachtet ist daher davon auszugehen, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund nicht den Tatsachen entsprechen.

 

2.2.1. Die Zulässigkeit für den Asylgerichtshof über die Beweiswürdigung der Erstbehörde hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 41 Abs 7, 2. Fall, AsylG 2005, wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [der Asylgerichtshof] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

 

Der Gesetzgeber verwendet hier mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet

abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario offensichtlich

den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 41 Abs 7 2. Fall AsylG 2005 idgF - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese neue Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

 

Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des Bundesasylamtes. Der Asylgerichtshof ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde (bzw. das Gericht) ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

2.3. Selbst wenn man jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, gelangt man - wie unten näher ausgeführt werden wird - zu keinem anderen Ergebnis.

 

2.4. Sofern in der Beschwerde moniert wird, dass das BAA der gesetzlich normierten Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, so kann dem bei Betrachtung des Inhaltes des erstinstanzlichen Verfahrensaktes nicht beigetreten werden. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Asylverfahrens zweimal niederschriftlich vom BAA einvernommen, wobei er in jeder Einvernahme die Gelegenheit hatte, sich zu seinen Ausreisegründen und Rückkehrbefürchtungen zu äußern. Das BAA beließ es dabei nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Ausreisegrund und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht des erkennenden Senates auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221).

 

Die Behörde ist auch im Rahmen der Refoulementprüfung nur in dem Umgang zu amtswegigen Ermittlungen verhalten, in dem ein ausreichend konkretes, eine maßgebliche Bedrohung aufzeigendes Vorbringen erstattet wird, nicht aber zur Prüfung, ob die Partei denkbarerweise irgendwelchen Gefährdungen ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 19.11.2002, 2002/21/0185, 3.9.1997, 96/01/0474, 30.9.1997, 96/01/0205).

 

2.5. Insoweit von Seiten des BF im Rechtsmittelschriftsatz weiters moniert wurde, dass ihm das BAA Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG einzuräumen gehabt hätte, so ist dem zu entgegnen, dass das Bundesasylamt jedenfalls nicht angehalten war, den Asylwerber zu Widersprüchen in seinen eigenen Angaben in Ansehung seines Asylantrages zu hören, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; 20.6.1990, 90/01/0041; 30.1.1998, 95/19/1713; 26.4.2001, 98/16/0265; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45)

 

Die Behörde bzw. das Gericht ist gds. nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

2.6. Wenn der Beschwerdeführer die Widersprüche zwischen den einzelnen Befragungen damit zu begründen versucht, dass er bei der ersten Befragung deprimiert und ängstlich gewesen sei bzw. die Fragen nicht richtig verstanden habe, so vermag dies aus mehreren Gründen seine Widersprüche nicht aufzuklären, zumal derartige gravierenden Divergenzen in den Ausführungen nicht mit bloßer Deprimiertheit erklärt werden können. Es ist jedoch Aufgabe eines Beschwerdeführers, durch stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 30.11.2000, 2000/01/0356).

 

Es wird auch nicht verkannt, dass sich Asylwerber nicht mehr an einzelne detaillierte Gegebenheiten erinnern können und daher unstimmige Angaben nicht völlig ausgeschlossen sind. Im gegenständlichen Fall handelt es sich jedoch um dermaßen gravierende Widersprüche, welche noch dazu die unmittelbaren fluchtauslösenden Geschehnisse und nicht nur Nebensächlichkeiten betreffen, und kann wohl vorausgesetzt werden, dass derartige einschneidende Erlebnisse sofern sie tatsächlich stattgefunden haben auch noch einige Monate nach dem Erlebten annähernd widerspruchsfrei wiedergegeben werden können bzw. nicht unerwähnt bleiben.

 

Der Asylgerichtshof hält ferner fest, dass wenn für eine Person Ereignisse so "furchtbar" sind, dass sie zu solch gravierenden Schritten, wie der Flucht aus dem Heimatland, greift, so müsste es sich idR zweifellos um "einprägsame" Erlebnisse handeln, die - so man diese tatsächlich erlebt hat - man innerhalb relativ kurzer Zeit nicht so widersprüchlich darstellt.

 

Ebenso wenig erscheint der Erklärungsversuch plausibel, wonach es aus Angst bei den Befragungen zu Missverständnissen gekommen sei, denn der BF gibt vor, dass er gerade mit dem Ziel und zu dem Zweck nach Österreich gekommen ist, um hier Asyl zu beantragen. Daraus ist zu schließen, dass es sich bereits nach seiner anfänglichen Vorstellung bei Österreich um einen Staat handelt, der zur Schutzgewährung bereit und dazu auch in der Lage ist und in dem für ihn gerade keine Bedrohung besteht. Es konnte also auch nach der subjektiven Vorstellung des BF keinen nachvollziehbaren Grund dafür geben, gerade bei der Asylantragstellung am Zufluchtsort aus Angst etwas falsch dazustellen oder zu verschweigen. Der BF wurde zudem bereits zu Beginn des Verfahrens ausdrücklich belehrt bzw. aufgefordert alle Fluchtgründe wahrheitsgemäß anzugeben.

 

2.7. Insoweit der BF im Übrigen im Zuge der Beschwerde ausführlich darzulegen versucht, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, Bescheinigungsmittel vorzulegen, so ist darauf hinzuweisen, dass dies im Zuge der Beweiswürdigung weder vom BAA noch vom erkennenden Senat beanstandet wurde, weshalb es sich erübrigt näher auf diese Ausführungen einzugehen.

 

2.8. Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat vom BAA und dem erkennenden Senat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nicht staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges.

 

Bei Berücksichtigung der soeben angeführten Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen unter Berücksichtigung der Natur der Quelle und der Intention derer Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Senates um ausreichend ausgewogenes Material. Auch kommt den Quellen Aktualität zu (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210).

 

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen. Soweit er in seiner Beschwerde auf die angespannte Sicherheitslage hinweist, ist auszuführen, dass auch der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Pakistan instabil ist und Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei die Zahl der Anschläge zuletzt - mit Ausnahme der Stadt Karachi - zurückgegangen ist. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist allerdings nicht auszugehen.

 

2.9. Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen keine konkreten Ausführungen, die zu einer anders lautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher den erkennenden Senat auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen.

 

3. Rechtliche Würdigung

 

3.1. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 AsylG

 

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

3.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Senates die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Der Beschwerdeführer vermochte nämlich keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen (vgl Punkt 2 ff des gegenständlichen Erkenntnisses).

 

3.3. Auch wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, wäre eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nur insofern relevant, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig ist, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Dies kann jedoch im konkreten Fall nicht angenommen werden. Weder kann aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die pakistanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall des Beschwerdeführers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Polizei untätig geblieben wäre und ihn nicht schützen könnte bzw. würde. Der Beschwerdeführer hat lediglich bezüglich der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Studentenorganisationen völlig neutral behauptet, und zwar gänzlich unsubstantiiert, dass sowohl seine Studentenorganisation (MSF) als auch die gegnerische PSF eine Anzeige erstattet hätten. Eine fehlende Ermittlungstätigkeit durch die Polizei wurde jedoch nicht erwähnt und kann, auch wenn der Asylgerichtshof nicht verkennt, dass Bestechung und Korruption der Behörden in Pakistan vorkommen können, auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in strafrechtlichen Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch politisch beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die pakistanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, agiert die pakistanische Polizei prinzipiell auf Grundlage der Gesetze. Der pakistanische Staat unternimmt große Anstrengungen, Konflikte und die sektiererische Gewalt zwischen extremistischen Gruppierungen der schiitischen Minderheit (ca. 20 % der Muslime) und der sunnitischen Mehrheit (ca. 80% der Muslime) einzugrenzen und Terrorismus zu bekämpfen.

 

Es haben sich somit im gegenständlichen Fall keine ausreichend nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer effektiven Schutz gegen allfällige Angriffe und Bedrohungen tatsächlich verweigern würden.

 

Lediglich ergänzend ist dazu anzumerken, dass die Polizei zwar nicht in jedem Fall im Stande sein wird, ein Verbrechen (bzw. eine gerichtlich strafbare Handlung) bereits im vornherein zu verhindern oder in der Folge lückenlos aufzuklären, dies jedoch nicht als Argument für ein völliges Fehlen staatlichen Schutzes herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass polizeiliche Erhebungen auch längere Zeit andauern und unter Umständen auch erfolglos bleiben können. Daraus kann jedoch weder auf eine mangelnde Schutzfähigkeit noch auf die fehlende Schutzwilligkeit der Behörden geschlossen werden.

 

3.4. Zusätzlich ist auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative hinzuweisen:

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der ältren Rechtssprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen -mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates- im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Nur im Hinblick auf nichtstaatliche Verfolgung ist das Bestehen einer innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht zu ziehen und ist von der Behörde stets zu prüfen, ob die verfolgende Organisation als mächtig eingestuft werden könne beziehungsweise ob eine lokale Begrenztheit des Wirkungskreises dieser Organisation angenommen werden könne (VwGH 15.05.2003, 2002/01/0560).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative müsse es Sache der Behörde sein, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).

 

Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslos Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benach-teiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber seien gemäß ständiger Rechtsprechung allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).

 

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

In der Regel wird eine innerstaatliche Fluchtalternative für unbegleitete Minderjährige zu verneinen sein, weil es vielfach nicht legal möglich ist oder zumutbar wäre, ohne Eltern und gesetzlichen Vertreter in einem Teil des Landes den Wohnsitz zu nehmen, in dem der Minderjährige einer individuellen Verfolgung nicht ausgesetzt gewesen wäre (VwGH 26.06.1996, 95/20/0427). Im Falle der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternativen müsse aber jedenfalls auf das Zumutbarkeitskalkül besonders Bedacht genommen werden und seien konkrete Feststellungen über die im Fall eines solchen Ortswechsels zu erwartende konkrete Lage des Minderjährigen zu treffen. (VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein müsse, seine politischen oder religiösen Überzeugungen, sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative siehe weiters: UNHCR, Richtlinie zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 23.07.2003, HCR/GIP/03/04; Artikel 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt der Europäischen Union L 304 vom 30.09.2004 (Qualifikations- oder Statusrichtlinie) und § 11 AsylG 2005 (bei der Prüfung des "internen Schutzes" geht es nicht mehr um die Frage, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden haben, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) der Richtlinie) derartige Zonen, also interne Schutzzonen, nicht mehr als Alternative zur Flucht, sondern als Alternative zum internationalen Schutz bestehen), sowie Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, 69 bis

114.

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass aufgrund der fehlenden Exponiertheit des Beschwerdeführers, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans (ca. 190 Mio. EW), des Fehlen eines zentralen Einwohnermeldesystems, der Existenz von Millionenstädten wie beispielsweise Islamabad, Lahore oder Karachi (ca. 16 Mio EW) sowie des Fehlens jeden Hinweises, dass die Personen, von denen die Gefahren ausgehen über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den Beschwerdeführer in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, der Beschwerdeführer durch Verlegung seines Wohnorts in eine Großstadt in einem anderen Teil des Landes (z. B. Karachi, Lahore, Islamabad, Rawalpindi) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verfolgungshandlungen durch die Verfolger rechnen muss.

 

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den Beschwerdeführer aufgrund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der Beschwerdeführer noch in Pakistan aufhielt. Weiters bestehen nicht die geringsten Hinweise, dass der Beschwerdeführer mangels Beständigkeit des Gebietes auf das er ausweichen kann damit rechnen muss, jederzeit auch dort wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen.

 

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt wie Karachi niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dort dauerhaft niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen (vgl. ho. Erk. vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem Beschwerdeführer aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnissen auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der Beschwerdeführer somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden bereits durch seine Reise nach Europa, speziell nach Österreich, unter Beweis stellte und auch bisher in der Lage war, sein Leben in Pakistan zu meistern. Er könnte in einer genannten Großstadt wiederum eine Beschäftigung, wie etwa als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten annehmen.

 

Der Beschwerdeführer könnte sich sohin an einem anderen Ort in Pakistan niederlassen und wäre - auch angesichts der Bevölkerungsdichte Pakistans - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an anderen Orten, vor allem in Großstädten wie beispielsweise Karachi, Multan oder Hyderabad, ebenfalls derartigen Schwierigkeiten mit seinen Gegnern ausgesetzt sein würde. Dass seine Gegner in ganz Pakistan Kontakte haben, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt. Hinweise für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in einer anderen Stadt niederzulassen, haben sich im Verfahren nicht ergeben, dies auch in Hinblick auf seine individuelle Situation (gesunder, junger Mann mit Schulausbildung und sozialem Netz in Pakistan; ca. zehnjähriger Schulbesuch).

 

3.5. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

3.6. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan:

 

4.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedr

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten