Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gernot B*****, vertreten durch Mag. Andreas Radaschitz, Rechtsanwalt in Kirchbach, gegen die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Hauer Puchleitner Majer Rechtsanwälte OEG in Gleisdorf, wegen 6.148 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2008, GZ 5 R 207/07h-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gleisdorf vom 8. Juni 2007, GZ 6 C 834/06d-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.869,10 EUR (darin 214,18 EUR USt und 584 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18. 2. 2006 geriet der Kläger, der mit seinem Pkw im Ortsgebiet von Neudörfl die Kleebergstraße talwärts befuhr, kurz vor der Kreuzung mit der Sulzerstraße auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern, wodurch der Pkw gegen das Geländer der Kleebachbrücke stieß und sodann in den Kleebach stürzte. Der Unfall, bei dem am Pkw Sachschaden entstand, ereignet sich um 4:20 Uhr.
Der Kläger begehrte von der beklagten Gemeinde Zahlung von zuletzt 6.148 EUR sA. Er brachte vor, die Streuung auf der Kleebergstraße habe wenige Meter vor der Unfallstelle abrupt und unvermutet geendet. Auf der plötzlich eisglatten Fahrbahn sei sein Pkw weder brems- noch manövrierbar gewesen. Wegen der vortägigen Regenfälle sei die Glatteisbildung vorhersehbar gewesen. Die beklagte Partei habe ihre Streupflicht daher grob fahrlässig verletzt und vor der kritischen Stelle auch nicht gewarnt.
Die beklagte Partei bestritt und entgegnete, der Unfall sei auf die Einhaltung einer für die Straßen- und Witterungsverhältnisse weit überhöhten Geschwindigkeit bzw ein fahrtechnisches Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen. Der damals zuständige Gemeindebedienstete habe bereits am Vorabend des Unfalls einen bis nach Mitternacht währenden Streueinsatz durchgeführt. Dabei sei auch die spätere Unfallstelle, die zu den kritischen Straßenstücken zähle, gestreut worden. Um 3:45 Uhr habe sich der Bedienstete aufgrund veränderter Witterungsverhältnisse dazu entschlossen, die Streutätigkeit wieder aufzunehmen. Auf dem Weg zum Streuwagen habe er jedoch den Pkw des Klägers bereits im Bachbett liegen gesehen. Grobe Fahrlässigkeit sei ihm nicht vorzuwerfen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Die 5 m breite Fahrbahn der Kleebergstraße mündet - in Fahrtrichtung des Klägers - in die querende Sulzerstraße ein. Sie weist in Annäherung an diese Kreuzung ein Gefälle von ca 9 % auf. Am Beginn des Mündungstrichters ist in der Kleebergstraße das Vorschriftszeichen „Vorrang geben" angebracht. Rechts von der Kreuzung liegt die über den Kleebach führende Kleebachbrücke.
Der Kläger befuhr die Kleebergstraße talwärts mit einer Geschwindigkeit von ca 40 km/h. Bei Annäherung an die Unfallstelle bemerkte er, dass die Fahrbahn nur abschnittsweise, nämlich nur auf Höhe der den Straßenrand säumenden Häuser, bestreut war. Rund 100 m vor Erreichen der Kleebachbrücke überfuhr er eine Anhäufung von Streugut. Danach war die Fahrbahn nicht mehr gestreut. Der Kläger versuchte, seinen Pkw auf der nun eisglatten Fahrbahn zu halten und zu bremsen, hätte aber bei einer erzielbaren Bremsverzögerung von höchstens 0,5 m/sec² eine Wegstrecke von 135 m benötigt, um sein Fahrzeug anhalten zu können. Beim Anprall gegen das Brückengeländer betrug seine Geschwindigkeit noch ca 20 bis 30 km/h. Wäre die Fahrbahn durchgehend gestreut gewesen, hätte sie der Kläger mit der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit ohne Schwierigkeiten befahren und unfallverhütend anhalten können. Bei einer Bremsverzögerung von 0,5 m/sec² hätte er hingegen nur bei einer Geschwindigkeit von maximal 34 km/h den Unfall vermeiden können.
Die beklagte Gemeinde hat ein Straßennetz von insgesamt etwa 180 km zu betreuen. Sie setzt zur Schneeräumung acht bis neun Traktoren ein. Die Bestreuung der Gemeindestraßen wird nach einem feststehenden Streuplan durchgeführt. Danach sind zuerst die Steilstücke, dann die vom Schulbus befahrenen Strecken und zuletzt die restlichen Straßenflächen zu bestreuen. Zu den vorrangig zu bestreuenden Straßenstücken gehört auch das Steilstück der Kleebergstraße.
Die Wettervorhersage der „Kleinen Zeitung" hatte für den 17. 2. 2006 wie folgt gelautet:
„Mit einer schwachen Kaltfront wird wieder etwas kältere Luft zu den Alpen geführt. Es sind vorübergehend recht verbreitet in der Steiermark Regen- und Schneeschauer einzuplanen. Am Nachmittag wird das Wetter besser. Regionalprogonose: Es geht mit starker Bewölkung und Schauern in Form von Regen und Schnee los. Unterhalb 1.000 m sind es in erster Linie Regenschauer. Trocken bleibt es am wahrscheinlichsten im Grazer Feld und in Teilen des Hügellandes."
Tatsächlich brachte am 17. 2. 2006 ein Störungsausläufer, gekoppelt mit feucht-milder Atlantikluft, ein wenig Regen in das Gebiet um St. Margarethen an der Raab. In der Nacht vom 17. 2. auf den 18. 2. 2006 traten erstmals ab 19:50 Uhr negative Temperaturen auf. Im Laufe der Nacht, vor allem um Mitternacht, entwickelten sich die Temperaturen leicht positiv, um ab 4:50 Uhr wieder negativ zu werden. Die Wetterbeobachtungsstation Gleisdorf verzeichnete in dieser Nacht ein Temperaturminimum von -1,7° C und ein Erdbodenminimum von -2,5° C. Am Morgen des 18. 2. 2006 waren unter anderem die Kleebergstraße und die Sulzerstraße stark vereist.
Vom 17. 2. auf den 18. 2. 2006 hatte der Gemeindebedienstete Kurt K***** Bereitschafts- und Streudienst. Als Streufahrzeug stand ihm ein Lkw mit Streuwagen zur Verfügung. Der Streuwagen ist mit einer Walze versehen, die das Streugut, eine Rollsplitt-Thermasalz-Mischung, auf die Straße befördert. Der Bedienstete nahm am 17. 2. 2006 um 21:30 Uhr die Streufahrt auf. Er fuhr bis 01:30 Uhr den ihm zugewiesenen Teil des Gemeindegebiets ab und bestreute die zu dieser Zeit glatten Straßenstellen. Unter anderem bestreute er auch Teile der Kleebergstraße. Die Kreuzung mit der Sulzerstraße und die daran anschließenden ca 100 m der Kleebergstraße bestreute er nicht. Nach Beendigung des Streueinsatzes stellte er den Lkw am Bauhof der beklagten Partei ab und fuhr mit seinem Pkw nach Hause. Es kann nicht festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt das spätere Eintreten von Niederschlägen für ihn vorhersehbar war.
Als der Bedienstete gegen 03:30 Uhr erwachte, stellte er fest, dass es in der Zwischenzeit geregnet hatte und die Fahrbahnen spiegelglatt waren. Er verließ sein Haus und fuhr Richtung Bauhof, um den Streueinsatz wieder aufzunehmen. Bei der Fahrt zum Bauhof passierte er die Kleebachbrücke und sah dort den Pkw des Klägers im Bachbett liegen. Danach führte er bis 10:00 Uhr vormittags den weiteren Streueinsatz durch.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, die beklagte Partei habe als Halterin eines ca 180 km langen Straßen- und Wegenetzes einen adäquaten Räum- und Streudienst eingerichtet. Der in der Unfallsnacht mit der Bestreuung der rechts von der Raab gelegenen Gemeindestraßen betraute Bedienstete habe während einer vierstündigen Streufahrt die Fahrbahnverhältnisse kontrolliert und alle Fahrbahnstellen mit Glättebildungen bestreut. Da nicht festgestellt habe werden können, dass bis zum Ende seines Einsatzes um 01:30 Uhr der nachfolgende Regen für ihn vorhersehbar gewesen sei, habe die beklagte Partei ihrer Verkehrssicherungspflicht Genüge getan. Umstände, die eine grobe Fahrlässigkeit, also eine auffallende Sorglosigkeit des Bediensteten indizieren könnten, seien nicht hervorgetreten.
Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, dem diensthabenden Gemeindebediensteten habe aufgrund der Witterungsverhältnisse am 17. 2. 2006 und der in der darauffolgenden Nacht erstmals ab 19:50 Uhr aufgetretenen negativen Temperaturen bewusst sein müssen, dass auf den Straßen, insbesondere in der Nähe eines Baches, jederzeit mit Glatteisbildung zu rechnen sei. Es sei daher nicht ausreichend gewesen, beim ersten Streueinsatz nur die bereits glatten Straßenstellen zu bestreuen. Nach allgemeinen und billigen Grundsätzen wäre die durchgehende Bestreuung der abschüssigen und in der Nähe eines Baches gelegenen Kleebergstraße zu erwarten gewesen, zumal der zuständige Bedienstete ohnedies dort Streuarbeiten durchgeführt habe. Gerade durch die nur teilweise Bestreuung der Fahrbahn sei eine besondere Gefahr geschaffen worden, da ein Fahrzeuglenker mit dem Abbruch der Bestreuung nicht habe rechnen müssen. Damit sei der Eintritt eines Schadens aber nicht nur möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich voraussehbar gewesen, sodass in der Unterlassung der Streuung im Unfallbereich eine grobe Fahrlässigkeit zu erblicken sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts habe es daher die beklagte Partei in vorwerfbarer Weise unterlassen, für eine ihr zumutbare Streuung der Unfallstelle zu sorgen. Den Kläger treffe auch kein Mitverschulden, habe er doch davon ausgehen dürfen, dass die zumindest abschnittsweise Bestreuung der Fahrbahn bis zur Kreuzung mit der Sulzerstraße reiche. In diesem Falle hätte er aber die Kleebergstraße mit der von ihm gewählten Geschwindigkeit von 40 km/h problemlos befahren und seinen Pkw auf dem vereisten Straßenstück unfallverhütend anhalten können.
Auf Antrag der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch, mit dem es die ordentliche Revision nicht zugelassen hatte, dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Dem Kläger sei zuzugestehen, dass nach der Grundsatzjudikatur des Obersten Gerichtshofs eine vorbeugende Streuung in der Regel nicht zu verlangen sei. Da der beklagten Partei als kleiner Gemeinde überdies weniger zugemutet werden könne als großen, sei es möglich, dass dem Berufungsgericht bei Würdigung des Anlassfalls eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen sei.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des der beklagten Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Bediensteten eine aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Die in einer mehrfachen Verletzung des Überraschungsverbots erblickte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings ebenso wenig vor, wie die gerügte Aktenwidrigkeit (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
In ihrer Rechtsrüge verweist die beklagte Partei auf jene erstinstanzlichen Feststellungen, wonach die Unfallstelle zunächst trotz negativer Temperaturen nicht vereist gewesen sei, die Temperaturen sich ab Mitternacht zum positiven bewegt hätten und bei Beendigung der ersten Streufahrt um 01:30 Uhr das Einsetzen von Regen nicht vorhersehbar gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof habe in ähnlich gelagerten Fällen die Verpflichtung zur vorbeugenden Streuung verneint.
Hiezu wurde erwogen:
1. Gemäß § 1319a ABGB haftet der Halter eines Weges den Benützern, wenn durch seinen mangelhaften Zustand ein Schaden herbeigeführt wird und dem Halter selbst oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist. Das Tatbestandselement „mangelhafter Zustand" bedeutet, dass nicht nur für den Weg selbst, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinne gehaftet wird. Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges ist, wie sich aus § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB ergibt, das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen. Das Merkmal der Zumutbarkeit erfordert die Berücksichtigung dessen, was nach allgemeinen und billigen Grundsätzen erwartet werden kann. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geografischen Situierung in der Natur und dem daraus resultierenden Maß seiner vernünftigerweise zu erwartenden Benutzung (Verkehrsbedürfnis), für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt jeweils darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges sicherzustellen (2 Ob 191/97w mwN; 2 Ob 314/99m; 2 Ob 226/02b; 2 Ob 21/05k; vgl auch RIS-Justiz RS0029997, RS0030180, RS0087607).
2. Jene Rechtsprechung, wonach an die Streupflicht auf offenen Freilandstraßen (§ 2 Abs 1 Z 16 StVO) keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürften (RIS-Justiz RS0023431), ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Unfallstelle nach den Feststellungen im Ortsgebiet liegt. Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Streumaßnahmen aber auch bereits mehrfach betont, dass eine vorbeugende Streuung in der Regel nicht zu verlangen sei (vgl ZVR 1976/290; MietSlg 34.280; 2 Ob 51/89; 2 Ob 314/99m; 2 Ob 21/05k). Ebenso wurde ausgesprochen, dass kleinen Gemeinden als Wegehalter weniger zuzumuten ist als großen, doch wird generell der öffentlichen Hand, also auch Gemeinden, gegenüber der Allgemeinheit mehr Verantwortung aufgebürdet als Privaten (2 Ob 191/97w mwN; 2 Ob 299/01m; 2 Ob 226/02b; 2 Ob 21/05k). Entscheidend für den Umfang der Streupflicht sind immer die Umstände des Einzelfalls (2 Ob 21/05k mwN; RIS-Justiz RS0087607).
3. § 1319a ABGB begründet eine deliktische Haftung. Dem Geschädigten obliegt daher neben dem Beweis der - hier unstrittigen - Wegehaltereigenschaft und des mangelhaften Zustands des Weges auch jener der groben Fahrlässigkeit (2 Ob 509/92; 2 Ob 191/97w; Danzl in KBB² § 1319a Rz 2; Harrer in Schwimann, ABGB³ VI § 1319a Rz 34; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2b § 1319a Rz 18). Gemeint ist damit grobe Fahrlässigkeit im objektiven Sinn, also der Beweis eines Sachverhalts, der als grob fahrlässig im objektiven Sinn qualifiziert werden soll (2 Ob 509/92; vgl auch 2 Ob 21/05k; Reischauer aaO § 1319a Rz 18). Gelingt dem Geschädigten dieser Beweis, so kann sich der Wegehalter noch durch den Beweis der fehlenden subjektiven Vorwerfbarkeit der objektiv groben Fahrlässigkeit von der Haftung befreien (2 Ob 509/92; Reischauer aaO § 1319a Rz 18).
Dem Kläger ist zwar der Beweis gelungen, dass der mangelhafte Zustand des Weges für den Unfall ursächlich war. Aus der Tatsache, dass die Unfallstelle zur Unfallszeit eisglatt und nicht bestreut war, ist aber noch kein der beklagten Partei anzulastendes Verschulden ableitbar. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie (bzw der zu ihren „Leuten" zählende Bedienstete) es in bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt vorwerfbarer Weise unterlassen hätte, für eine zumutbare Streuung der Unfallstelle zu sorgen (2 Ob 51/89; 2 Ob 21/05k).
Dies trifft aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu. Diese können in ihrem Gesamtzusammenhang nur dahin verstanden werden, dass es nicht wegen der Niederschläge vom Vortag oder der Nähe eines Baches, sondern wegen des zwischen 01:30 Uhr und 03:30 Uhr einsetzenden Regens zur Vereisung der Unfallstelle gekommen war. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entwicklung der Wetterlage bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit - etwa aufgrund allgemein zugänglicher Wetterprognosen - objektiv vorhersehbar war, gehen aus den Feststellungen nicht hervor. Die beklagte Partei verweist zu Recht darauf, dass ihr Bediensteter im Zuge des ersten nächtlichen Streueinsatzes die Fahrbahn der Kleebergstraße auf Vereisung kontrolliert und die eisigen Stellen bestreut hatte sowie darauf, dass die Temperaturen ab Mitternacht angestiegen sind. War aber zum Zeitpunkt der Beendigung des ersten Streueinsatzes eine die abermalige Glatteisbildung begünstigende Entwicklung der Wetterlage objektiv nicht vorhersehbar, begründete weder die Unterlassung einer vorbeugenden Streuung der übrigen Straßenteile noch die vorübergehende Unterbrechung der Beobachtung der Wetterlage eine grobe Fahrlässigkeit im objektiven Sinn (vgl 2 Ob 21/05k zu einem ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt). Ist diese doch nach der Rechtsprechung als auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlichem Maß verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (vgl 2 Ob 59/05y; RIS-Justiz RS0030171). Da der Kläger das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht bewiesen hat, kommt es auch nicht mehr entscheidend darauf an, aus welchen Gründen das spätere Einsetzen von Niederschlägen „für Kurt K*****" (also subjektiv) nicht vorhersehbar war.
Das Erstgericht hat somit das Klagebegehren zu Recht abgewiesen, weshalb sein Urteil wiederherzustellen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Da keine Berufungsverhandlung stattgefunden hat, gebührt für die Berufungsbeantwortung nur der dreifache und nicht der verzeichnete vierfache Einheitssatz.
Textnummer
E89877European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0020OB00115.08P.1217.000Im RIS seit
16.01.2009Zuletzt aktualisiert am
05.06.2015