TE OGH 2009/7/23 13Os44/09h

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Veröffentlicht am 23.07.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 17. Februar 2009, GZ 27 Hv 97/08p-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus S***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 19. und 25. November 2006 in Reith i.A. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgen Christian Sch***** Daniel Schö***** durch Einbruch in dessen Wohnung drei Cannabispflanzen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Aktenwidrigkeit im Sinn des fünften Falls der Z 5 geltend zu machen verlangt, ein in der Beweiswürdigung enthaltenes Fehlzitat aus den Akten aufzuzeigen. Indem der Angeklagte auf die Aussage des Zeugen Daniel Schö***** vor der Polizei rekurriert (richtig: ON 2 S 71 f), auf welche sich die Tatrichter gerade nicht bezogen (US 3 Mitte und 7 Mitte), wird er dem nicht gerecht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) geht an den zum Tatobjekt gar wohl getroffenen Feststellungen vorbei (vgl US 5 Mitte) und lässt zudem eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen, weshalb es über die vorliegende Konstatierung, dass jedenfalls nicht der Angeklagte Eigentümer der Cannabispflanzen war (US 5 unten), hinausgehender Urteilsannahmen zur Identität des Eigentümers bedurft hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Das Schöffengericht ist explizit von einem durch § 39 StGB auf siebeneinhalb Jahre erweiterten Strafrahmen ausgegangen (US 7). Auch wenn der Oberste Gerichtshof seit Änderung des § 283 StPO durch die StGNov 1989 Nichtigkeit aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO bei Urteilen, die zugunsten des Beschwerdeführers auch mit Berufung angefochten sind, im Fall des § 285i StPO dem Oberlandesgericht zur Wahrnehmung überlassen kann, ohne genötigt zu sein, nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO einzuschreiten (RIS-Justiz RS019969), ist es doch angesichts der in seiner Rechtsprechung bislang nicht restlos geklärten dogmatischen Struktur der Strafschärfungsbestimmung des § 39 StGB erforderlich, klarzustellen, dass Annahme eines durch diese Vorschrift erweiterten Strafrahmens rechtlich unbedenklich ist und daher keine Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall begründet

Dazu bedarf es folgender Klarstellung:

Mit der Strafbefugnis der Z 11 erster Fall wird der für die Strafbemessung zur Verfügung stehende Strafrahmen angesprochen. Aus Z 11 erster Fall relevant sind jene die Strafbefugnis bestimmenden Umstände, welche nicht bereits Gegenstand zulässiger Anfechtung des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) sind. Dazu gehören jedenfalls §§ 28, 30, 31, 36 StGB, die mangels anderslautender Regelungen auch im Nebenstrafrecht gelten (Art l Abs 1 StRÄG). Da §§ 65 Abs 2, 278d Abs 1 letzter Satz, 286 Abs 1 zweiter Satz, 287 Abs 1 zweiter Satz StGB nicht Gegenstand der rechtlichen Unterstellung (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) sind, vielmehr bloß die Strafbefugnis determinieren, sind auch sie Gegenstand der Z 11 erster Fall. Gleiches gilt für § 5 Z 2 bis 4 JGG.

Ausgehend von der Entscheidung eines verstärkten Senats (SSt 46/40 = JBI 1976, 269 [Liebscher] = EvB1 1975/268 = RZ 1975/94 [Nowakowski]) hat die Rsp die Bestimmungen der §§ 39, 313 StGB stets als „fakultative Strafbemessungsvorschriften" bezeichnet (RIS-Justiz RS0119279, RS0091345, RS0091333, RS0091297).

In prozessualer Hinsicht stellte Z 11 in der damals geltenden Fassung neben dem „Überschreiten" der Strafbefugnis (ua) ausdrücklich bloß auf das Überschreiten der „Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweit dieser durch namentlich im Gesetz angeführte Erschwerungs- und Milderungsgründe begründet wird" und der „Grenzen der ihm" (dem Gerichtshof) „zustehenden Strafschärfung oder außerordentlichen Strafmilderung" ab. Davon ausgehend war es vertretbar, auf Verkennung der §§ 39, 313 StGB beruhende Irrtümer gegenüber sonstiger Überschreitung der Strafbefugnis als speziell geregelt, durch Z 11 solche Fälle demnach nur erfasst zu sehen, wenn die Strafe oberhalb des sonst zur Verfügung stehenden Strafrahmens ausgemessen wurde. Seit Neufassung der Z 11 durch BGBI 1987/605 ist dieses Argument für die (prozessual) restriktive Haltung weggefallen, sodass nun - wie bei den anderen Strafrahmenbestimmungen - aus Z 11 erster Fall zwanglos auch die Situation erfasst werden kann, dass das Schöffengericht ohne Vorliegen der Voraussetzungen für eine Strafschärfung rechtsirrig einen erweiterten Strafrahmen für zulässig angesehen hat: Dann kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Sanktion in Relation dazu ausgemessen wurde (so bereits 12 Os 78/91, und zwar zu dem von SSt 46/40 ebenfalls bloß als fakultative Strafbemessungsvorschrift gesehenen § 41 StGB). Für das materielle Recht folgt daraus keineswegs, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Strafschärfung, entgegen der Ansicht des verstärkten Senats, die Sanktion mit Blick auf den solcherart erweiterten Strafrahmen bemessen werden muss. Zieht das Schöffengericht trotzdem einen solchen Schluss und hält man dies mit der Entscheidung des verstärkten Senats für unangebracht, überschreitet es allerdings nicht seine Strafbefugnis, verstößt vielmehr bloß gegen Vorschriften über die Strafbemessung (also die zweite Rechtsnatur der §§ 39, 313 StGB) - allerdings nicht „in unvertretbarer Weise" - sodass auch Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall ausscheidet.

Der Rechtssatz der Entscheidung des verstärkten Senats: „Die Bestimmung des § 39 StGB bewirkt keine Veränderung der Strafsätze. Es handelt sich bei ihr bloß um eine fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift (Hervorhebungen nicht im Original)." bedarf im Übrigen begrifflicher Klarstellungen: Mit Strafsatz wird nicht die Strafbefugnis iSd Z 11 erster Fall, vielmehr die logisch vorgelagerte Subsumtion (Z 10) angesprochen. Versteht man (arg „bloß") SSt 46/40 so, dass durch §§ 39, 313 StGB nicht bloß der Strafsatz, sondern auch der Strafrahmen nicht verändert werde, führt dies zur Paradoxie einer Strafbemessung innerhalb eines gar nicht vorhandenen Rahmens. Die Grenzen der Strafschärfung markieren indes gar wohl eine Grenze, innerhalb welcher sich die Strafbemessung zu vollziehen hat (vg1 12 Os 55/04, SSt 2004/80; vgl auch Fabrizy StGB9 § 39 Rz 3). So gesehen ist § 39 StGB Strafrahmen- und Strafbemessungsvorschrift in Einem (vgl auch die Doppelnatur des § 29 StGB, der eine - indes bereits aus Z 10 relevante - Strafrahmenvorschrift darstellt; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568; zust Höpfel in WK2 § 17 Rz 25 f). Hält man weiters die Begriffe „Strafsatz" und „Strafrahmen" strikt auseinander und versteht man unter Strafbefugnis iS der Z 11 erster Fall nur nicht subsumtionsrelevante Umstände, kann das (materiellrechtlich unverändert aktuelle) Anliegen des verstärkten Senats mit einem Verständnis der §§ 39, 313 StGB als §§ 28 f StGB nachgeschaltete, nur - aber immerhin - aus Z 11 erster Fall relevante Strafrahmenvorschriften zwanglos in Einklang gebracht werden. Dann aber kann zugunsten des Angeklagten nicht anders gelten als in den anderen Fällen, in denen das Schöffengericht mit Unrecht von einem zu weiten Strafrahmen ausgegangen ist (§§ 31 [s Lässig, WK-StPO § 410 Rz 2], 36 [RIS-Justiz RS0119279] StGB, § 5 Z 2 bis 5 JGG [s Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 32 f]); im Ergebnis bereits: 11 Os 89/04 sowie Hager/Meller/Eichensede2 80; vgl aber Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 281 Z 11 E 27; St. Seiler9 Rz 1141; Fabrizy StP010 § 281 Rz 75; E. Steininger, Nichtigkeitsgründe5 § 281 Z 11 Rz 33). Soweit es dem verstärkten Senat darum zu tun war, aggravierende Auswirkungen der §§ 39, 313 StGB auf §§ 21, 37, 57 StGB und den durch § 191 StPO ersetzten § 42 StGB (BGB I 2007/93) hintanzuhalten, genügt es zu sagen, dass der für §§ 21, 37, 57 StGB maßgebliche Strafrahmen (vgl RIS-Justiz RS0l13960) von der Zulässigkeit einer Strafschärfung nach §§ 39, 313 StGB unberührt bleibt, sind doch §§ 28 f StGB nachgelagerte Umstände für die Anwendung von §§ 17, 21, 37, 57 (s E. Fuchs in WK2 § 57 Rz 12 f; zur Frage, ob ein den Angeklagten begünstigender Strafrahmen auf die Verjährung durchschlägt: dies, WK2 Vorbem §§ 57-60 Rz 8 f) StGB und § 191 StPO ohne Bedeutung.

Nach Maßgabe der zu § 31 StGB und § 5 Z 2 bis 4 JGG entwickelten Rechtsprechung gilt mithin generell: Ist das Schöffengericht - sei es auch aufgrund einer Fehleinschätzung über das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 39, 313 StGB - verfehlt von einer erweiterten Strafbefugnis ausgegangen, steht Z 11 erster Fall selbst dann offen, wenn die ausgemessene Strafe innerhalb des zutreffenden Rahmens liegt. Hat es bei der Sanktionsfindung umgekehrt trotz vorliegender Voraussetzungen keine erweiterte Sanktionsbefugnis in Rechnung gestellt, ist Z 11 erster Fall hingegen - schon aus prozessualen Gründen (SSt 46/40 sieht darin für §§ 39, 313 StGB ohnehin die materiellrechtlich zutreffende Lösung) - nicht anzunehmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 666-668c).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E91563

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00044.09H.0723.000

Im RIS seit

22.08.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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