Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrey L*****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Tatiana L*****, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2009, GZ 43 R 313/09m-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22. Jänner 2009, GZ 2 C 155/08v-11, in der Hauptsache bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach § 20 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgeblichen Recht zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Diese Bestimmung knüpft grundsätzlich an das Ehewirkungsstatut des § 18 IPRG an. Nach dessen Absatz 1 sind der Reihenfolge nach entscheidend: Das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, das letzte gemeinsame und von einem Gatten beibehaltene Personalstatut (Z 1), und das Recht des Staats, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder in dem sie zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat (Z 2). Beide Parteien sind Staatsangehörige der Republik Kasachstan. Unabhängig davon, ob entsprechend der Behauptung der Beklagten der Kläger auch russischer Staatsangehöriger gewesen sei und aufgrund der stärkeren Beziehung zu Russland dem Personalstatut dieses Staats unterliege (§ 9 Abs 1 Satz 3 IPRG), bestimmten sich im Sinn des § 18 Abs 1 IPRG die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach österreichischem Recht. Fehlt ein (letztes) gemeinsames Personalstatut, ist nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG österreichisches Recht als das Recht jenes Staats, in dem die Streiteile ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten, anzuwenden. Dasselbe Ergebnis wird bei einer Anknüpfung nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG erzielt. Sind beide Streitteile nur Staatsangehörige Kasachstans, bestimmen sich die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem kasachischen Ehe- und Familiengesetz vom 17. 12. 1998. Nach dessen Art 205 erster Satz werden die persönlichen immateriellen und die materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern durch die Gesetzgebung des Staats, auf dessen Territorium sie ihren gemeinsamen Wohnsitz haben, und - wenn ein gemeinsamer Wohnsitz fehlt - durch die Gesetzgebung des Staats, in dem sie ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, festgelegt. Das nach den §§ 18 Abs 1 Z 1, 20 Abs 1 IPRG anzuwendende kasachische Recht verweist damit eindeutig auf österreichisches Recht zurück (vgl die Entscheidung 1 Ob 171/09t, die das Unterhaltsprovisiorialverfahren der Ehegatten betrifft). Entsprechend dieser Rechtslage haben die Vorinstanzen im Scheidungsverfahren österreichisches Recht angewendet.
Dieser Rechtsauffassung hält der Kläger die Bestimmung des Art 204 des kasachischen Ehe- und Familiengesetzes entgegen. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut regelt diese Norm in ihren Absätzen 1 und 2 die inländische Gerichtsbarkeit der Republik Kasachstan bei „Mischehen" oder „Ausländerehen" bzw Aufenthalt eines Ehegatten außerhalb Kasachstans sowie in ihren Absätzen 3 und 4 die Voraussetzungen für eine Anerkennung „ausländischer" Ehescheidungen. Im Absatz 1 findet sich zwar ein Hinweis auf die Anwendung kasachischen Sachrechts („in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der Republik Kasachstan"). Diese Bestimmung bezieht sich aber ausschließlich auf Ehescheidungen, die auf dem Territorium der Republik Kasachstan ausgesprochen werden, und damit eindeutig nicht auf ein Scheidungsverfahren vor einem österreichischen Gericht.
Bei der Anwendung ausländischen Rechts kommt es darauf an, ob die Entscheidung einer im fremden Staat in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht entspricht. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Betrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern (RIS-Justiz RS0042948; 1 Ob 171/09t). Der Revisionswerber nennt weder Judikatur noch Lehre Kasachstans, wonach entgegen dem eindeutigen Gesetzestext im Scheidungsverfahren unabhängig vom (letzten) gemeinsamen Wohnsitz jedenfalls kasachisches Sachrecht anzuwenden wäre. Da somit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Anmerkung
E922941Ob201.09dSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZfRV-LS 2010/9XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00201.09D.1013.000Zuletzt aktualisiert am
24.03.2010