Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred H*****, vertreten durch Heinke, Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, und 2. Mag. Robert P*****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. 75.752,19 EUR sA und 2. 76.119,55 EUR sA sowie jeweils Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Rekurse beider Parteien (Rekursinteresse: 1. 65.196,21 EUR und Feststellung; 2. 65.000 EUR) und die Revision der zweitbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 10.000 EUR) gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2009, GZ 4 R 70/09f-31, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 10. Februar 2009, GZ 31 Cg 39/08h-26, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Dem Rekurs der erstbeklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts, das in der Abweisung von 10.555,98 EUR sA bereits rechtskräftig geworden ist, gegen die erstbeklagte Partei wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.143 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
II. Die Revision und der Rekurs der zweitbeklagten Partei werden zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die (damalige) Ehegattin des Klägers hatte ein Grundstück in Kritzendorf von ihren Großeltern geerbt, auf dem ein Einfamilienhaus überwiegend vom Kläger unter Mithilfe von Freunden und Verwandten errichtet wurde. Beide Ehegatten finanzierten den Hausbau etwa zu gleichen Teilen. Der Kläger und seine Frau beabsichtigten, sich scheiden zu lassen. Da der Kläger das nach seinen Vorstellungen errichtete Haus (Ehewohnung) behalten wollte, seine Frau jedoch den geerbten Grund, kam es zunächst zu keiner Einigung über die Aufteilung. Sie wandten sich an das Notariat des Zweitbeklagten, dessen Substitut ihnen die nachträgliche Konstruktion eines Superädifikats vorschlug. Die rechtliche Problematik dieser Vorgangsweise wurde mit dem Kläger und dessen Frau nicht erörtert und war ihnen auch nicht bewusst. Das Superädifikat sollte zeitlich nicht begrenzt sein. Darüber wurde ebensowenig gesprochen wie über die konkrete Nutzungsberechtigung des Klägers.
Am 16. 10. 1990 beantragten der Kläger und seine Frau bei dem zuständigen Bezirksgericht die Scheidung gemäß § 55a EheG. Dazu legten sie eine vom Substituten des Zweitbeklagten vorbereitete schriftliche Vereinbarung („Scheidungsvergleich") vor, die zur Regelung der vermögensrechtlichen Ansprüche festhielt, dass die Frau das Eigentum an dem Superädifikat/Superädifikatshaus, das sich auf der der Frau gehörenden Liegenschaft befinde, dem Mann übertrage (Punkt 5 des Vergleichs), sie dem Mann diese Ehewohnung bereits übergeben habe und der Mann sich zur Übergabe eines Pkws an die Frau sowie zur Übernahme des auf der Liegenschaft haftenden Pfandrechts (ca 155.000 ATS) und zu einer Ausgleichszahlung von 150.000 ATS verpflichte. Die Richterin wusste, dass der Vergleichsentwurf von einem Notar stammte. Einzelne Punkte des Vergleichs wurden nicht mehr erörtert. Die Ehe wurde mit Beschluss vom 16. 10. 1990 rechtskräftig geschieden.
In ihrer Klage vom 3. 6. 2004 begehrte die geschiedene Ehefrau des Klägers die Feststellung, dass das Gebäude kein Superädifikat und Punkt 5 des Scheidungsvergleichs nichtig sei. Mit Urteil vom 2. 3. 2005 wurde dieser Klage rechtskräftig stattgegeben. Nach den dort getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hatte die Ehefrau des Klägers nicht die Absicht, das Haus auf ihrem Grundstück nicht dauernd zu belassen; sie räumte auch kein zeitlich begrenztes Grundbenützungsrecht ein.
Mit Urteil vom 13. 1. 2006 wurde das Klagebegehren der geschiedenen Ehegattin, der Kläger habe die Liegenschaft zu räumen, abgewiesen. Von der Nichtigkeit sei nur Punkt 5 des Scheidungsvergleichs betroffen. Der Parteiwille sei darauf gerichtet gewesen, dass der Kläger im Haus verbleibe. Dafür spreche die Übernahme der Rückzahlung des Kreditrests von 155.000 ATS.
Der Kläger begehrte in der hier vorliegenden Klage aus dem Titel des Schadenersatzes von den Beklagten zur ungeteilten Hand 75.752,19 EUR, vom Zweitbeklagten weitere 367,36 EUR, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden aus der Nichtigerklärung von Punkt 5 des Scheidungsvergleichs. Im Einzelnen machte der Kläger folgende Schäden geltend:
1. Kosten des Feststellungsprozesses: 10.555,98 EUR
2. Ausgleichszahlung und Kreditüber-
nahme laut Scheidungsvergleich 22.165,22 EUR
3. verlorener Gebäudewert 42.834,78 EUR
4. Eintragungsgebühr 196,21 EUR
5. frustriertes Notarhonorar 367,36 EUR.
Den Amtshaftungsanspruch gegen die Erstbeklagte stützte er darauf, dass ihn die Richterin bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung nicht über die rechtliche Unmöglichkeit der gewählten Rechtsgestaltung belehrt hätte. Dem Zweitbeklagten warf er vor, dieser habe eine rechtlich unmögliche Konstruktion der Vermögensaufteilung vorgeschlagen und den Vergleich in diesem Sinn verfasst. Als Folge des Urteils vom 2. 3. 2005 habe er das Eigentumsrecht an dem Haus, das er nach dem Parteiwillen hätte bekommen sollen, verloren. Die Ehegatten hätten beabsichtigt, das eheliche Vermögen im Verhältnis 50 : 50 aufzuteilen. Da die Frau aber nicht in der Lage gewesen sei, die Hälfte der Liegenschaft abzulösen, hätten sie sich auf die vom Substituten des Zweitbeklagten vorgeschlagene Lösung geeinigt, dass sie Liegenschaftseigentümerin bleibe und er das Eigentum am Haus erwerbe. Der Wert, der dem Kläger zukommen hätte sollen, entspreche dem geltend gemachten Gebäudewert abzüglich seiner Gegenleistung für den Eigentumserwerb, das seien die im Scheidungsvergleich übernommenen Verpflichtungen zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 150.000 ATS (= 10.900,93 EUR) und die Rückzahlung des mit 155.000 ATS (= 11.264,29 EUR) aushaftenden Kredits. Er hätte diese Leistungen nicht erbracht, wenn er gewusst hätte, dass auf die im Scheidungsvergleich vorgesehene Weise kein Eigentum an dem Haus für ihn begründet werden könnte. Der ihm aus der Nutzung des Hauses erwachsene Vorteil, sei es der eines Fruchtgenussrechts oder bloß eines Wohnungsgebrauchsrechts, sei durch die von ihm im Vertrauen auf die Eigentümerstellung getätigten Investitionen in das Haus aufgewogen worden. Es sei nicht auszuschließen, dass die geschiedene Frau aufgrund des für nichtig erklärten Punkts 5 des Scheidungsvergleichs erneut Ansprüche gegen den Kläger erhebe, was das rechtliche Interesse an der Feststellung der Haftung für künftige Schäden begründe.
Die Erstbeklagte bestritt - soweit im Rechtsmittelverfahren noch relevant - ein Fehlverhalten der Richterin, das einen Amtshaftungsanspruch begründe. Die Richterin hätte davon ausgehen dürfen, dass der Notar die rechtliche Möglichkeit der Vereinbarung geprüft und die Parteien entsprechend belehrt hätte. Zur Nachforschung sei sie nicht verpflichtet gewesen.
Der Zweitbeklagte wendete insbesondere ein, der Kläger hätte den Scheidungsvergleich unverändert geschlossen, wenn ihm ein Nutzungsrecht, wie er es tatsächlich ausgeübt habe, eingeräumt worden wäre. Die Übernahme der Ausgleichszahlung und der Kreditrückzahlung sei nicht nutzlos oder frustriert, weil diese Leistungen dem ausgeübten Benutzungsrecht gleichwertig seien. Der Wert des Gebäudes sei nicht zu ersetzen, weil der nichtige Punkt des Scheidungsvergleichs in die Vereinbarung eines Wohnrechts oder Fruchtgenussrechts hätte umgedeutet werden können. Dies wäre als Hauptfrage in einem Verfahren zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Frau, in dem der Scheidungsvergleich wegen Teilnichtigkeit, Bereicherung, Vertragsanpassung etc angefochten werde, zu klären. Selbst auf einen allfälligen Schadenersatzanspruch müsse sich der Kläger den Vorteil anrechnen lassen, der in der siebzehn Jahre andauernden entgeltfreien Nutzung des Hauses liege. Der Kläger habe kein Feststellungsinteresse, weil kein weiterer Schaden zu erwarten sei. Es sei bereits rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger trotz Teilnichtigkeit des Scheidungsvergleichs zur Benützung des Hauses berechtigt sei. Eine mögliche weitere Klage der Frau stehe mit der Teilnichtigkeit des Scheidungsvergleichs in keinem Zusammenhang, sondern stelle ein allgemeines Lebensrisiko dar, für das der Zweitbeklagte nicht hafte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen die Erstbeklagte zur Gänze, gegen den Zweitbeklagten mit Ausnahme der Klagsstattgebung über 196,21 EUR sA ab. Es verneinte eine Verletzung der Anleitungspflicht durch die Richterin, weil es keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass das Haus entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung in einem vom Notar vorbereiteten Vergleich kein Superädifikat gewesen sei, gegeben habe. Der beratende Notar hafte für die von ihm vorgeschlagene rechtlich unmögliche Konstruktion. Nicht zu ersetzen seien: die sinnlosen Kosten des Feststellungsprozesses; der Gebäudewert, weil der Kläger nie eine Rechtsposition als Eigentümer erlangt hätte; die durch das Benutzungsrecht abgegoltenen Leistungen über 22.165,22 EUR sowie das Honorar des Notars, das aufgrund der Teilnichtigkeit des Scheidungsvergleichs und des Benutzungsrechts des Klägers nicht gänzlich frustriert oder wertlos gewesen sei. Nach rechtskräftiger Klärung der Räumungsfrage seien zukünftige Schäden nicht erkennbar, weshalb das Feststellungsinteresse fehle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es verpflichtete mit Teilurteil den Zweitbeklagten zur Zahlung von 563,57 EUR sA (rechtskräftig vom Erstgericht zugesprochen 196,21 EUR sA zuzüglich des frustrierten Honorars von 367,36 EUR), wies das Klagebegehren auf Zahlung von 10.555,98 EUR sA (Verfahrenskosten) gegen beide Beklagte ab und stellte die Haftung des Zweitbeklagten für alle künftigen Schäden aus dem für nichtig erklärten Punkt 5 des Scheidungsvergleichs fest. In der Abweisung der gegen die Erstbeklagte gerichteten Klage auf Zahlung von 65.196,21 EUR sA und Feststellung sowie in der Abweisung der gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klage auf Zahlung von 65.000 EUR sA hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 20.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zu den Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung (Amtshaftung für unterlassene Aufklärung bei einvernehmlicher Scheidung, Berechnung des Schadens aus einer vom Notar vorbereiteten und vor Gericht geschlossenen, nachträglich teilweise für nichtig erklärten Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG) eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Es bejahte eine Verletzung der Anleitungspflicht durch die zuständige Richterin mit der Folge der Amtshaftung. Die rechtliche Unmöglichkeit des Scheidungsvergleichs sei leicht erkennbar gewesen, weil klar daraus hervorgegangen sei, dass die Frau und Eigentümerin des angeblichen Superädifikats auch Eigentümerin der Liegenschaft gewesen sei. Bei Vereinigung des Eigentums von Grund und Bauwerk würde ein Superädifikat jedenfalls unselbständiger Bestandteil des Grundstücks. Außerdem wäre es höchst untypisch, dass ein zu gemeinsamen Wohnzwecken errichtetes Einfamilienhaus als Superädifikat geplant und errichtet werde, wenn die Liegenschaft einem der Ehegatten gehöre. Darüber hinaus sei nach dem Vergleich das angebliche Superädifikat ein Haus gewesen, das als gemeinsame Ehewohnung gedient habe. Solche Häuser würden in Österreich, insbesondere im ländlichen Raum, typischerweise nicht als Superädifikat, sondern in stabiler und massiver Bauweise in der Absicht ausgeführt, dass sie auf dem Grund bleiben. Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise „labile" Bauweise oder gegen eine dauernde Belassungsabsicht der Erbauer ließen sich dem Vergleichsentwurf hier auch nicht entnehmen. Theoretisch wäre es zwar möglich gewesen, dass die Ehefrau zunächst ein Gebäude auf fremdem Grund ohne Belassungsabsicht errichtet und durch Errichtung originär Eigentum am Gebäude erworben und später das Eigentum am Grund erworben hätte; oder ein anderer hätte ein Gebäude ohne Belassungsabsicht auf ihrem Grund errichtet und dadurch originär am Gebäude Eigentum erworben und ihr dann das Eigentum am Gebäude übertragen. Der Grundsatz, dass es sich bei einem Superädifikat um ein Bauwerk auf fremdem Grund handelt, das gesetzliche Erfordernis fehlender Belassungsabsicht und die Verkehrserwartung auch in solchen Fällen hätten für den Entfall der Sonderrechtsfähigkeit des Gebäudes zufolge Vereinigung von Bauwerks- und Grundeigentum gesprochen. Der Oberste Gerichtshof habe diese Rechtsfrage zwar erst in nach Abschluss des Vergleichs ergangenen Entscheidungen aus den Jahren 2000 und 2007 entschieden. Zum Zeitpunkt des Scheidungsvergleichs habe es aber bereits zwei Meinungen in der Literatur gegeben, wonach das Bauwerk seine rechtliche Selbständigkeit verliere, wenn der Eigentümer eines in stabiler und massiver Bauweise ausgeführten Superädifikats auch die Liegenschaft erwerbe, auf der dieses errichtet sei. Die Verfassung des Entwurfs durch einen Notar beseitige nicht die Verpflichtung eines Richters, auf die Auffälligkeiten des Vergleichsentwurfs hinzuweisen und die rechtliche Möglichkeit des Vertrags mit den Parteien zu erörtern. Das Feststellungsinteresse gegenüber dem Zweitbeklagten, der seine Verpflichtung zur umfassenden und verständlichen Belehrung seiner Mandanten verletzt habe und daher schadenersatzpflichtig sei, sei zu bejahen. Es bestehe immer noch eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Umfang des dem Kläger aus der Scheidungsfolgenvereinbarung zustehenden Rechts am Haus. Aufzuheben sei die Entscheidung in der Abweisung von 22.165,22 EUR (Ausgleichszahlung und Kreditübernahme) und von 42.834,78 EUR (verlorener Gebäudewert). Der haftungsbegründende Fehler des beratenden Notars habe zwar nicht darin bestanden, dem Kläger kein Eigentumsrecht an einem Superädifikat zu verschaffen. Der dem Kläger entstandene Schaden müsse aber durch eine Differenzrechnung ermittelt werden. Es müsse geklärt werden, welche Vereinbarung der Kläger und seine Frau getroffen hätten, wenn der Substitut des Zweitbeklagten diese Konstruktion nicht vorgeschlagen oder die Richterin darauf hingewiesen hätte, dass die rückwirkende Erklärung eines bereits bestehenden Bauwerks zum Superädifikat unmöglich sei.
Beide Parteien bekämpfen in ihren Rekursen die sie jeweils betreffende Aufhebung des Urteils des Erstgerichts. Der Zweitbeklagte bekämpft in seiner Revision das Teilurteil nur hinsichtlich der Stattgebung des Feststellungsbegehrens, nicht aber die ausgesprochene Zahlungsverpflichtung über 563,57 EUR sA. Ebenso in Rechtskraft erwachsen ist die Abweisung des Begehrens auf Zahlung der frustrierten Prozesskosten von 10.555,98 EUR sA gegen beide Parteien.
Rechtliche Beurteilung
Nur der Rekurs der Erstbeklagten ist zulässig und berechtigt.
I. Zum Rekurs der Erstbeklagten:
1. Gebäude werden grundsätzlich unselbständiger und daher sonderrechtsunfähiger Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet werden (RIS-Justiz RS0009946). Sonderrechtsfähig sind Superädifikate (§ 435 ABGB) als Gebäude, die nicht in der Absicht errichtet wurden, dauernd auf dem Grund zu bleiben (RIS-Justiz RS0009939). Die fehlende Absicht, das Bauwerk dauernd zu belassen, äußert sich entweder im äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes oder in den zwischen dem Grundeigentümer und dem Errichter bestehenden Rechtsverhältnissen (RIS-Justiz RS0015107; RS0011252). Die massive Bauweise alleine steht der Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat daher nicht entgegen (RIS-Justiz RS0011243; RS0011245).
2. Ob die Identität des Eigentums an der Liegenschaft und am Bauwerk der Sonderrechtsfähigkeit entgegensteht und der Liegenschaftseigentümer zwingend Eigentümer auch des Bauwerks wird, war in der Literatur strittig. Graschopf (Bauwerke auf fremdem Grund, 36 ff) verneinte die Sonderrechtsfähigkeit in jedem Fall, während Ostheim (Superädifikate auf eigenem Grund, ÖJZ 1975, 202 f) und F. Bydlinski (Das Recht der Superädifikate, 40 f) die Rechtsfolge der Sonderrechtsunfähigkeit auf massive, fest und wirtschaftlich untrennbar mit dem Boden verbundene Bauwerke beschränkten. War das Superädifikat mit einem Pfandrecht belastet, bejahte die höchstgerichtliche Judikatur die (fortbestehende) Sonderrechtsfähigkeit des Superädifikats zumindest zu Gunsten des Pfandgläubigers (RIS-Justiz RS0003468). Der Oberste Gerichtshof hat erstmals die Frage der Sonderrechtsfähigkeit bei Vereinigung des Eigentums an Liegenschaft und Bauwerk in seiner Entscheidung vom 29. 2. 2000, 5 Ob 36/00f, eindeutig im Sinn der Lehrmeinungen von Ostheim und F. Bydlinski beantwortet. An dieser Rechtsansicht wurde auch in der Entscheidung 5 Ob 278/07d ausdrücklich festgehalten: Das gesetzliche Erfordernis fehlender Belassungsabsicht spreche gegen eine mögliche Dauerspaltung von Grund- und Bauwerkseigentum und intendiere eine Rückkehr zur Regel der Eigentümeridentität von Bauwerks- und Grundeigentum, wofür bei in Massivbauweise ausgeführten Gebäuden auch die Verkehrserwartung spreche.
3. Eine anlässlich einer einvernehmlichen Scheidung unterlassene Rechtsbelehrung durch den Richter kann zwar Amtshaftungsansprüche begründen, setzt aber ein unvertretbares Handeln voraus (RIS-Justiz RS0049814). Eine unvertretbare Rechtsansicht liegt vor, wenn sie von einer klaren Rechtslage oder einer ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung - ohne Auseinandersetzung mit gegenteiligen Argumenten - abweicht (1 Ob 44/09s = RIS-Justiz RS0049969 [T2]).
4. Im konkreten Fall wurde die Frage nach der Sonderrechtsfähigkeit eines in stabiler Weise errichteten Gebäudes bei Vereinigung des Eigentums an Liegenschaft und Bauwerk erstmals nach Abschluss des Scheidungsvergleichs durch eine höchstgerichtliche Entscheidung eindeutig beantwortet. Die aus dem Scheidungsvergleich unzweifelhaft erkennbare Eigentümeridentität musste für sich alleine selbst nach den zitierten Lehrmeinungen Ostheims und F. Bydlinskis nicht zwingend gegen das Bestehen eines Superädifikats sprechen, haben doch beide Autoren grundsätzlich die Möglichkeit von Superädifikaten auf eigenem Grund - mit Ausnahme der massiven Bauweise - anerkannt (Ostheim aaO 207; F. Bydlinski aaO). Ihre - Gebäude in massiver Bauweise, betreffende - Einschränkung stand in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der bereits zitierten höchstgerichtlichen Judikatur, die in einer massiven (gemauerten) Bauweise nicht das entscheidende Kriterium gegen die Qualifikation als Superädifikat sah. Was die vom Berufungsgericht im ländlichen Bereich als üblich angenommene massive Bauweise von Häusern betrifft, ist anzumerken, dass jener Ort, wo sich das Gebäude befindet, teilweise im Überschwemmungsgebiet der Donau liegt und dort nicht unterkellerte Holzhäuser (Häuser auf Piloten) keinesfalls selten sind. Es ist eine zu strenge Anforderung an einen Richter, dem ein von einem Notar errichteter Scheidungsvergleich vorgelegt wird, die darin enthaltene ausdrückliche Bezeichnung eines Gebäudes als Superädifikat zu bezweifeln und dies mit den Parteien noch erörtern zu müssen, wenn nach der damaligen Judikatur die Unzulässigkeit dieser Qualifikation nicht eindeutig durch den Vergleichstext belegt war (vgl 1 Ob 58/08y).
5. Mangels Verschuldens der Scheidungsrichterin ist die Amtshaftungsklage nicht berechtigt, was zu ihrer Abweisung führt.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
II. Zu den Rechtsmitteln des Zweitbeklagten:
1. Der Zweitbeklagte akzeptiert seine grundsätzliche Haftung als Folge einer Verletzung der Aufklärungspflicht. Er bezweifelt aber in seinem Rekurs mangels entsprechenden Vorbringens des Klägers die Notwendigkeit der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung zum hypothetischen Kausalverlauf. Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Der Kläger stützte zwar den Anspruch auf Ersatz des Gebäudewerts zunächst eindeutig darauf, entgegen seiner Absicht nicht Eigentümer geworden zu sein. Seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 13. 8. 2008 lässt sich aber eine ausreichende Behauptung dahin entnehmen, dass er den Scheidungsvergleich nicht geschlossen hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der rechtlichen Konstruktion bewusst gewesen wäre; insbesondere hätte er die Zahlungsverpflichtung nicht übernommen. Darüber hinaus verwies er auf seine Investitionen in das Haus, was Grund für die beabsichtigte Übertragung gewesen sei (ON 21 S 3 f). Wenn auch der Kläger als Geschädigter zu behaupten und zu beweisen hat, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des haftenden Notars nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022700; RS0022900), sind doch an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs nicht extrem strenge Anforderungen zu stellen (9 Ob 127/03x = RIS-Justiz RS0022900 [T14]). Das Berufungsgericht hat die einzelfallbezogene (vgl 1 Ob 8/04i = RIS-Justiz RS0037780 [T10]) Frage einer ausreichenden Behauptung zum hypothetischen Kausalverlauf somit in einer vertretbaren Weise gelöst.
2. Die vom Berufungsgericht als erforderlich angesehene Differenzrechnung zur Ermittlung des Schadens des Klägers entspricht der Judikatur: Der Kläger ist so zu stellen, wie er ohne pflichtwidriges Verhalten des Zweitbeklagten stünde (RIS-Justiz RS0030153; RS0022104). Dabei sind sämtliche Auswirkungen auf sein Vermögen zu berücksichtigen (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28), also auch die Nutzung des Hauses seit der Scheidung. Die Frage, ob diese Differenzrechnung einen Schaden zu Gunsten des Klägers ergibt, ist eben im fortzusetzenden Verfahren noch zu klären, und nicht - wie der Zweitbeklagte meint - schon in diesem Verfahrensstadium zu verneinen.
3. Soweit der Zweitbeklagte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger, der keine Klage zur Konversion bzw Vertragsanpassung des Scheidungsvergleichs erhoben hätte, geltend macht, geht er einerseits nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und übersieht andererseits, dass die Frage einer (hypothetischen) Vertragsanpassung gerade in diesem Schadenersatzprozess geklärt werden wird. Ob einem Geschädigten die Verletzung seiner Schadensminderungspflicht vorzuwerfen ist, richtet sich jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0029874). Die Auffassung, vom Kläger nicht die Führung eines Prozesses (mit ungewissem Ausgang) gegen seine geschiedene Ehegattin auf Anfechtung des restlichen Vergleichs zu verlangen, um den Schädiger zu entlasten, ist vertretbar. Selbst der Zweitbeklagte wertet offenbar eine derartige Klage als nicht vielversprechend, indem er sie der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB unterwirft.
4. Nach ständiger Judikatur ist ein Feststellungsinteresse dann anzuerkennen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten künftige Schäden verursachen kann (RIS-Justiz RS0038865; RS0039018). Ob dies zutrifft, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu beurteilen (9 ObA 6/04d = RIS-Justiz RS0038949 [T4]). Auch zu dieser Frage liegt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor, das auf die ungeklärte rechtliche Qualifikation des dem Kläger zustehenden Nutzungsrechts (bloßes Wohnrecht oder Fruchtgenussrecht) und auf allfällige, mit Kosten verbundene Prozesse zwischen den geschiedenen Ehegatten verwiesen hat.
5. Beide Rechtsmittel des Zweitbeklagten zeigen keine erheblichen Rechtsfragen auf, weshalb sie zurückzuweisen sind.
6. Der Kläger hat zu den Rechtsmitteln des Zweitbeklagten keine Gegenschriften erstattet.
Textnummer
E92678European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00213.09V.1215.000Im RIS seit
14.01.2010Zuletzt aktualisiert am
20.07.2012