TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/21 2000/01/0384

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Veröffentlicht am 21.12.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §8 Abs2;
ZustG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des HR in H, geboren am 3. Februar 1975, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in 3170 Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. August 2000, Zl. 215.017/0-VI/18/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "BR Jugoslawien", der am 5. Oktober 1999 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er wurde am 13. Oktober 1999 niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er an, dass er in Österreich bei seinem Bruder in H wohne. Die Behörde erster Instanz versuchte den über den Asylantrag entscheidenden Bescheid vom 22. Oktober 1999 an der genannten Adresse zuzustellen. Die Postsendung wurde jedoch vom zuständigen Zustellpostamt mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" am 4. November 1999 retourniert. Das Bundesasylamt nahm daraufhin am 18. November 1999 eine telefonische Meldeanfrage beim Meldeamt der Gemeinde H vor. Diese erbrachte das Ergebnis, dass der Beschwerdeführer am 2. November 1999 "vom Unterkunftgeber unbekannt wohin, abgemeldet worden" sei. Der erstinstanzliche Bescheid wurde sodann durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch zugestellt. Die Postsendung wurde am 29. November 1999 beim Zustellpostamt H hinterlegt, zur Abholung bereitgehalten und am 21. Dezember 1999 mit dem Vermerk "nicht behoben" retourniert.

Am 29. Dezember 1999 erschien der Beschwerdeführer bei der Behörde erster Instanz und legte einen mit 20. Dezember 1999 datierten Meldezettel vor, woraus sich seine neue Adresse R, H, ergab. Am genannten Tag wurde dem Beschwerdeführer ein Originalbescheid samt Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung ausgefolgt. Er brachte eine mit 11. Jänner 2000 datierte, am selben Tag in S zur Post gegebene Berufung ein.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Juli 2000 die Verspätung seines Rechtsmittels vor.

Der Beschwerdeführer nahm hiezu folgendermaßen Stellung:

"Mein Bruder ER war von 15.10.1999 bis 15.11.1999 in Untersuchungshaft. Ich wohnte während dieser Zeit bei einem Freund von E am Hauptplatz und nicht in der B.

Am 2.11.1999 wurde ich von meiner Unterkunftgeberin Frau SS, Gastwirtin, abgemeldet, was ich jedoch nicht wusste.

Während ich am Hauptplatz wohnte, schaute ich jeden Tag in der B vorbei und fragte Frau S, ob Post für mich gekommen sei. Es wurde mir jedoch immer mitgeteilt, es wäre nichts gekommen. Ich wusste nicht, dass mich Frau S abgemeldet hatte und hatte ich auch keinen Grund, dies anzunehmen.

Seit 20.12.1999 bin ich in der R gemeldet.

Da ich den Bescheid am 29.12.1999 persönlich von der Behörde ausgefolgt erhalten habe, nahm ich an, dass mir der Bescheid mit diesem Tag zugestellt wurde und die Berufungsfrist an diesem Tag zu laufen begann. Von diesem Tag an gerechnet war die Einbringung der Berufung am 11.1.2000 noch rechtzeitig.

Ich habe meine Abgabestelle nicht 'geändert' iSd § 8 ZustellG. Die Abgabestelle 'ändert' nur der, der sie dauernd verlegt, nicht hingegen der, der sie vorübergehend verlässt (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage, Rz 206).

Ich wohnte nur vorübergehend am Hauptplatz, da mein Bruder E in Untersuchungshaft war. Ich hatte nicht vor, länger am Hauptplatz zu wohnen. Darüber hinaus wusste ich - wie oben ausgeführt - nicht, dass ich abgemeldet wurde.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass ich meine Abgabestelle 'geändert' habe, war die Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch gemäß § 23 iVm § 8 ZustellG nicht zulässig, da eine einmalige Meldeanfrage nicht ausreichend ist, um die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ZustellG zu erfüllen."

Die belangte Behörde führte am 24. Oktober 2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der sie den Beschwerdeführer und die Unterkunftgeberin einvernahm. In dieser Verhandlung kam hervor, dass die Unterkunftgeberin nach Verhaftung des Bruders des Beschwerdeführers am 15. Oktober 1999, sowie Übersiedlung dessen Ehegattin in ein Frauenhaus nach S, dem Beschwerdeführer selbst im Falle, dass sie die Unterkunftsschlüssel gehabt hätte, diese nicht ausgefolgt hätte, weil nicht der Beschwerdeführer, sondern der in Haft befindliche Bruder des Beschwerdeführers ihr Mieter gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in der Folge zwar des Öfteren vorbeigeschaut, es habe aber Sprachprobleme gegeben und es sei zwischen der Vermieterin und dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über erfolglose Zustellversuche des Postorgans gesprochen worden.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung des Beschwerdeführers vom 11. Jänner 2000 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückwies. Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung folgendermaßen:

"Der Berufungswerber tut in den obgenannten Angaben nicht dar, dass die Behörde erster Instanz i.S.d. § 8 Abs. 2 ZustellG die neue Abgabestelle ohne Schwierigkeiten hätte feststellen können. Auf Grund der Aktenlage ist nämlich, wie bereits ausgeführt, ersichtlich, dass der Berufungswerber vom zuständigen Meldeamt 'nach unbekannt verzogen' abgemeldet worden war. Ein Zustellversuch am 04.11.1999 scheiterte daran, dass die Postsendung vom Zustellpostamt H mit dem Vermerk 'Empfänger unbekannt verzogen' retourniert worden war.

Der Berufungswerber tut mit seinen Angaben im Schreiben vom 31.07.2000 nicht dar, bei welcher anderen Behörde denn das Bundesasylamt weitere Nachforschungen hätte pflegen können, zumal aus den Angaben des Asylwerbers selbst ersichtlich ist, dass er eben über einen längeren Zeitraum in der Gemeinde H gelebt hat, sich jedoch nicht polizeilich gemeldet hat.

Wenn nun bereits die Gemeinde des tatsächlichen Aufenthaltes den Aufenthaltsort nicht kennt, kann nicht erkannt werden, dass die vom Berufungswerber urgierte mehrmalige Meldeanfrage (bei welchen Meldebehörden diese hätte erfolgen sollen, tut der Berufungswerber nicht kund) ein anderes Ergebnis gebracht hätte.

Durch das Ändern der bisherigen Abgabestelle, welches zu einer Abmeldung durch den bisherigen Vermieter und einer polizeilichen Abmeldung geführt hat, sind die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ZustellG jedenfalls gegeben.

Der gem. § 23 ZustellG beim Zustellpostamt H hinterlegte erstinstanzliche Bescheid erweist sich somit als im Sinn des § 23 ZustellG i.V.m. § 8 ZustellG als ordnungsgemäß zugestellt, wobei der genannte Bescheid mit 29.11.1999 als zugestellt gilt.

Die vom Berufungswerber am 11.01.2000 eingebrachte Berufung erweist sich somit i.S.d. § 63 Abs. 5 AVG als verspätet und war aus obigen Gründen spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe die Abgabestelle gar nicht geändert, weil er seine Wohnung nur "vorübergehend ändern wollte". Er habe ursprünglich an die Adresse H zurückkehren wollen. Erst Mitte Dezember habe sich entschieden, dass er dauerhaft Wohnung nehme in H. Er habe im Zeitpunkt der Hinterlegung am 29. November 1999 (nicht einmal ein Monat nach seiner polizeilichen Abmeldung) noch nicht gewusst, dass er seine Abgabestelle dauernd verlege.

Der Beschwerdeführer verkennt, dass es nicht bloß auf seinen subjektiven Wunsch ankommt, sondern auf die objektiven Umstände, so insbesondere, ob die weitere Benützung der Wohnung durch ihn überhaupt erwartbar war. In diesem Zusammenhang übersieht der Beschwerdeführer seine Aussage und diejenige der als Zeugin einvernommenen Unterkunftgeberin, nach welchen letztere dem Beschwerdeführer "doch sicher die Schlüssel nicht ausgefolgt" hätte, "auch wenn ich diese gehabt hätte. Mieter der Unterkunft war ja der Bruder des BW und nicht der BW selbst." Der Beschwerdeführer selbst bestätigte, dass ihm die Schlüssel nicht ausgefolgt wurden. Angesichts dessen, weiters, dass eine Dauer der Untersuchungshaft des Bruders nicht absehbar war, dass dessen Ehegattin "in ein Frauenhaus nach S", Näheres unbekannt verzogen war und dieser Zustand nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers bereits mehr als ein Monat andauerte (Verhaftung des Bruders ca. am 15. Oktober 1999), kann nicht mehr von bloß vorübergehendem Verlassen der Abgabestelle gesprochen werden, sondern es ist die dauernde Verlegung der Wohnung im Sinne des § 8 Zustellgesetz gegeben, zumal der Beschwerdeführer die Wohnung seines Bruders auch tatsächlich nicht mehr betreten hat. Der Beschwerdeführer irrt in der Beschwerde auch dahingehend, dass er die Verlegung der Wohnung erst mit der Abmeldung durch die Unterkunftgeberin am 2. November 1999 annimmt, weil es nicht auf die polizeiliche Abmeldung, sondern auf den nach den Umständen anzunehmenden Zeitpunkt der tatsächlichen Verlegung der Wohnung (dies war sogleich nach Verhaftung des Bruders und Kenntnis davon, dass dem Beschwerdeführer die Schlüssel zur Unterkunft keinesfalls ausgehändigt würden) ankommt.

Des weiteren fordert der Beschwerdeführer, dass im Asylbereich wegen der Tatsache, dass es sich bei Asylwerbern um der deutschen Sprache kaum mächtige Personen handle, "an die Ausforschungspflicht der Behörde ein höherer Maßstab als eine bloße Meldeanfrage zu stellen" sei. Eine solche Forderung ist mit dem - alle Zustellvorgänge in gleicher Art regelnden - Normtext des § 8 Zustellgesetz nicht vereinbar. Denn die Wortfolge "falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann" des Abs. 2 leg. cit. richtet sich unmittelbar an die Behörde und hat mit der Sprachkundigkeit des Asylwerbers nichts zu tun.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich nicht selbst abgemeldet, sondern sei durch eigenmächtiges Handeln der Unterkunftgeberin abgemeldet worden. Es sei der Behörde ohne Schwierigkeiten zumutbar gewesen, einen Anruf bei der "örtlichen Gendarmerie in H zu tätigen". Die Gendarmerie habe Erhebungen gegen seinen Bruder E geführt und im Zuge der Erhebungen sei der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers am "Hauptplatz" bei der Gendarmerie bekannt gewesen. Zudem hätte die Behörde Erkundigungen nach dem Bruder des Beschwerdeführers einholen können und dadurch erfahren, dass sich dieser in Untersuchungshaft befinde.

Dieses Vorbringen übersieht zunächst, dass die Tatsache des Verlassens der Unterkunft unbestritten ist. Der Beschwerdeführer stellt in der Beschwerde zudem den oben dargestellten Sachverhalt nicht in Abrede, sondern bestätigt, dass sein Bruder am 15. Oktober 1999 in Untersuchungshaft genommen worden und der Beschwerdeführer daraufhin "notdürftig bei einem Freund meines Bruders am Hauptplatz" untergekommen sei. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2000 selbst ausgesagt, dass die Unterkunftgeberin nach der Verhaftung des Bruders, welcher Mieter der Fremdenzimmer war, den Schlüssel zur Unterkunft nicht herausgegeben hat, weshalb der Beschwerdeführer "auf der Straße" gestanden sei.

Dass der Beschwerdeführer der Unterkunftgeberin seine neue Adresse bekannt gegeben hätte, behauptet er nicht einmal. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass die Behörde erster Instanz zum Zeitpunkt der Zustellung irgendeinen Hinweis auf die der Abmeldung durch die Unterkunftgeberin zu Grunde liegenden Ereignisse gehabt hätte. Zu Recht weist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hin, dass aus der Meldeauskunft, der Beschwerdeführer sei von der Unterkunftgeberin mit unbekannter Adresse verzogen abgemeldet worden, keine Veranlassung zu ersehen ist, weitere Erhebungen etwa bei der Unterkunftgeberin selbst anzustellen, weil kein Hinweis vorlag, dass diese die neue Anschrift des Beschwerdeführers gekannt hätte. Umso weniger war die Behörde erster Instanz verpflichtet, kriminalistische Erhebungen nach allfälligen Mitbewohnern anzustellen.

Dass sich die Behörde erster Instanz bei gegebener Sachlage mit der Anfrage an das zuständige Meldeamt (= Gemeindeamt) zur Feststellung der neuen Abgabestelle des Beschwerdeführers begnügte, steht sohin im Einklang mit den in der in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1913 f, insbesondere E 33 bis E 36 zitierten hg. Rechtsprechung enthaltenen Forderungen an die Behörde, eine neue Abgabestelle zu eruieren.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010384.X00

Im RIS seit

09.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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