TE OGH 2010/7/22 8Ob82/10g

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Veröffentlicht am 22.07.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** F*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 17. Mai 2010, GZ 1 R 124/10t-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem vom Kläger gebilligten Procedere betreffend die Zahlung der Mietzinse durch die Beklagte handelt es sich nicht um ergänzende Feststellungen, sondern um die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unter Zugrundelegung der Feststellungen des Erstgerichts. Das Berufungsgericht hat auch keineswegs ignoriert, dass der Kläger aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses zum Geschäftsführer der Beklagten die Mietzinszahlungen mündlich urgierte. Vielmehr hat es seinen Schlussfolgerungen auch diese Feststellung ausdrücklich vorangestellt.

Das nach der Beurteilung des Berufungsgerichts vom Kläger gebilligte Procedere bestand darin, dass die Zahlungen von der Beklagten erst nach Legung einer Rechnung über den Mietzins für das vorangegangene Kalenderjahr unter Anführung der Umsatzsteuer vorgenommen wurden und der Kläger auch hinnahm, dass diese erst einige Wochen nach der Rechnungslegung einlangten. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang davon spricht, der Kläger habe es „ungerügt“ hingenommen, dass die Zahlungen grundsätzlich erst nach Legung einer Rechnung erfolgten, wird damit klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger dem „Procedere“ nicht nachhaltig entgegengetreten ist. Zur Tatsachenrüge hat das Berufungsgericht dazu festgehalten, dass den Ausführungen des Klägers jedenfalls nicht entnommen werden könne, er habe sich gegenüber der Beklagten gegen die über Jahre gepflogene Zahlungsmodalität ausgesprochen.

Unrichtig ist auch die Behauptung in der außerordentlichen Revision, die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zahlung der eingeklagten Beträge nach Einbringung der (drei) Zahlungsklagen würden den Feststellungen des Erstgerichts widersprechen. Im gegebenen Zusammenhang hat das Berufungsgericht festgehalten, dass die Zustellung der Zahlungsklagen am 9. 1. 2009 und jene der Aufkündigung am 27. 1. 2009 bewirkt worden sei. Die Schlussfolgerung, dass die Beklagte die eingeklagten Kapitalbeträge zehn Tage später zur Einzahlung gebracht habe, bezieht sich klar erkennbar auf das zuletzt erwähnte Zustellungsdatum. Das Berufungsgericht geht somit richtig von der Feststellung aus, dass die Zahlung der Kapitalbeträge am 6. 2. 2009 erfolgte.

Die behaupteten Revisionsgründe der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen damit nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Für die Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, ist seine Willensrichtung, die zur Zahlungssäumnis führte, entscheidend (RIS-Justiz RS0069316 [T2]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RIS-Justiz RS0069304; 6 Ob 50/10m). Die Beurteilung des Vorliegens eines groben Verschuldens hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Qualifikation eines bestimmten Verhaltens als grobes Verschulden eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS-Justiz RS0042773 [T3]).

Ausgehend von den Feststellungen kann in der Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe das Procedere betreffend die Zahlung der Mietzinse erst nach Legung einer entsprechenden Rechnung und erst einige Wochen nach Rechnungslegung gebilligt, nicht als Überschreitung des Beurteilungsspielraums erkannt werden. Ebenso stellt die Schlussfolgerung, dass die Zahlung in Höhe der Kapitalbeträge am 6. 2. 2009 und der irrtümlich übersehenen „Zinsstaffel“ am 5. 3. 2009 ein grobes Verschulden iSd § 33 Abs 2 MRG nicht begründen könne, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar (vgl RIS-Justiz RS0070327).

Nach den Feststellungen hat sich der Geschäftsführer der Beklagten darauf verlassen, dass die Miete erst nach Rechnungslegung und einer frei gewählten Zahlungsfrist von einigen Wochen zu begleichen ist. Dem Hinweis des Klägers auf die Beweislast für das Nichtvorliegen eines groben Verschuldens (vgl RIS-Justiz RS0069316) kommt keine Bedeutung zu, weil zur Vornahme der Beurteilung eine ausreichende Tatsachengrundlage zur Verfügung steht.

3. Zu den Betriebs- und Heizkosten ist das Argument in der außerordentlichen Revision, „vom Geschäftsführer der Beklagten könne die Kenntnis erwartet werden, dass für die Frage der Fälligkeit ein Steuerberater nicht zuständig sei“, für die Begründung eines groben Verschuldens ebenfalls nicht tragfähig. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Mieter bei der Beurteilung des groben Verschuldens am Mietzinsrückstand ein rechtlich verfehlter Rat seines Rechtsanwalts nicht zuzurechnen (6 Ob 257/03t). Warum aus Sicht des Geschäftsführers einer GmbH ein Steuerberater nicht als Spezialist zur Beurteilung der Notwendigkeit der Vorlage einer die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung angesehen werden können soll, wird auch aus der außerordentlichen Revision nicht erkennbar. Eine grob fahrlässige Verkennung der Rechtslage zum Eintritt der Fälligkeit kann der Beklagten im gegebenen Zusammenhang aber jedenfalls nicht vorgeworfen werden.

Insgesamt vermag der Kläger mit seinen Ausführungen die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E94747

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00082.10G.0722.000

Im RIS seit

11.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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