TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/29 98/10/0302

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Veröffentlicht am 29.01.2001
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
ZPO §67 Satz2;
ZPO §67;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde 1) der H GmbH und

2) des Dipl.-Ing. Hans Z, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Klaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Dezember 1997, Zl. VZ 3094/96, VZ 3095/96, betreffend Antrag auf Umbestellung des Verfahrenshelfers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Rechtsanwaltskammer Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 27. Oktober 1997 beantragten die Beschwerdeführer die Umbestellung des ihnen zur Durchsetzung einer Schadenersatzforderung u.a. gegen die G. Bank AG beigegebenen Verfahrenshelfers Rechtsanwalt Dr. T. mit dem Hinweis, der Verfahrenshilfeanwalt sei befangen. Diese Befangenheit ergebe sich nicht allein aus dessen Mehrfachtreuhandschaften für die G. Bank AG, sondern auch aus Gründen, die in nicht näher genannten Schriftstücken bereits ausgeführt worden seien. Um den Beschwerdeführern eine objektive Rechtsvertretung zu vermitteln werde ersucht, Rechtsanwalt Dr. W. zum Verfahrenshelfer zu bestellen.

Der beigegebene Verfahrenshelfer Dr. T. teilte der Rechtsanwaltskammer Wien mit, der Zweitbeschwerdeführer habe eine Zusammenarbeit mit ihm abgelehnt, weil er ihn für befangen halte. Die Aufforderung des Zweitbeschwerdeführers, eine Umbestellung wegen Befangenheit zu beantragen, habe er damit beantwortet, er werde das - jedenfalls mit dieser Begründung - nicht tun, weil er weder zur G. Bank AG, noch zu einer weiteren (namentlich genannten) Bank in einem Vollmachtsverhältnis stehe. Der Zweitbeschwerdeführer gehe von einem "Naheverhältnis" der Kanzlei des Verfahrenshelfers zu den genannten Bankinstituten aus. Demgegenüber betone der Verfahrenshelfer, er stehe zu den beiden Banken in keinem "Naheverhältnis", obwohl er diesen gegenüber Treuhandschaften eingegangen sei. Daraus leite er allerdings keine Interessenkollision ab. Wenn der Zweitbeschwerdeführer allerdings die Zusammenarbeit mit dem beigegebenen Verfahrenshelfer verweigere, sei die Erfüllung des Verfahrenshilfeauftrages unmöglich. Wenn darin ein Umbestellungsgrund in rechtlicher Hinsicht erblickt werde, so ersuche der Verfahrenshelfer aus diesem Grunde, die von den Beschwerdeführern gewünschte Umbestellung vorzunehmen.

Der von den Beschwerdeführern als Verfahrenshelfer gewünschte Rechtsanwalt Dr. W. erklärte, er sei nicht bereit, die Rechtssache im Rahmen der Verfahrenshilfe zu übernehmen.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung III, vom 4. November 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückgewiesen, die Beschwerdeführer hätten bereits ein gleichartiges Ersuchen gestellt, dem mit rechtskräftigen Bescheid vom 4. März 1997 keine Folge gegeben worden sei. Damals sei Rechtsanwalt Dr. W. zur Übernahme der Verfahrenshilfe ebenfalls nicht bereit gewesen. Der nunmehrige Antrag der Beschwerdeführer enthalte kein neues Vorbringen. Dr. W. sei nach wie vor nicht bereit, die gegenständliche Verfahrenshilfe zu übernehmen. Eine neuerliche Entscheidung in der rechtskräftig bereits entschiedenen Sache sei somit nicht gerechtfertigt.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung und brachten vor, die beantragte Umbestellung sei wegen des "Naheverhältnisses" des beigegebenen Verfahrenshelfers zu den beiden genannten Bankinstituten "unerlässlich". Der Verfahrenshelfer habe Mehrfach - Treuhandschaften gegenüber diesen Banken; eine Kollision sei in einem solchen Falle "jedenfalls gegeben", sodass eine objektive Rechtsvertretung nicht gewährleistet sei. Im Bereich der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich habe bisher noch jeder Anwalt, der Treuhandschaften gegenüber einer in den Fall involvierten Bank gehabt habe, die Mandatsübernahme auf Grund "jedenfalls gegebener Kollision" abgelehnt. Dies müsse auch für den beigegebenen Verfahrenshelfer gelten.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwalteskammer Wien vom 2. Dezember 1997 wurde der Vorstellung keine Folge gegeben und im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe weiterhin kein Grund zur Umbestellung, zumal eine Kollision nicht gegeben sei. Aus Treuhandschaften, wie sie der beigegebene Verfahrenshelfer übernommen habe, entstehe kein Vertretungsverhältnis zu den genannten Bankinstituten; eine Interessenkollision sei weder gegeben noch zu befürchten. Die Abwicklung im Rahmen eines solchen Treuhandauftrages beschränke sich vielmehr darauf, erhaltene Gelder widmungsgemäß auszubezahlen oder an die Bank rückzuüberweisen, wenn die vereinbarten Bedingungen nicht erfüllt werden könnten. Dass niederösterreichische Kollegen Kollisionen behauptet hätten, möge zutreffen, daraus würden sich jedoch keinerlei Folgerungen für das gegenständliche Verfahren ergeben.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof den Antrag der Beschwerdeführer, ihnen zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid Verfahrenshilfe zu gewähren, mit Beschluss vom 2. April 1998, B 123/98, abgewiesen hatte, erhoben die Beschwerdeführer am 7. Mai 1998 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Diese Beschwerde wurde, nachdem ihre Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998, B 123/98, abgelehnt worden war, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, die (am 7. Mai 1998 erhobene) Beschwerde sei verspätet, weil der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführern bereits am 10. Dezember 1997 zugestellt worden sei.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die Beschwerdefrist mit der Zustellung des die beantragte Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses an die Beschwerdeführer (das war der 9. April 1998) neu zu laufen begann (vgl. § 464 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 35 VfGG). Die am 7. Mai 1998 eingebrachte Beschwerde wurde somit rechtzeitig erhoben, sie ist allerdings nicht berechtigt.

Gemäß § 45 Abs. 1 RAO hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwaltes durch die Rechtsanwaltskammer, wenn das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwaltes beschlossen hat oder die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung einschließt.

Gemäß § 45 Abs. 4 erster Satz RAO ist der bestellte Rechtsanwalt auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen, wenn er die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen kann.

Gemäß § 10 Abs. 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war (erster Satz, zweiter Halbsatz). Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen (zweiter Satz).

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht verletzt, "einen unbefangenen Rechtsanwalt beigestellt zu erhalten, der nicht in einer Nahebeziehung zu einer Prozessgegnerin steht". Die Beschwerdeführer hätten im Bestellungsverfahren mehrmals den Verdacht geäußert, der bestellte Rechtsanwalt stehe in einer Nahebeziehung zu einer der (von den Beschwerdeführern) beklagten Parteien. Aus Treuhandverhältnissen könnten nämlich ebenso "starke Rechtsbeziehungen" erfließen, wie aus einem Vollmachtsverhältnis. Es möge zwar zutreffen, dass aus Treuhandverhältnissen noch kein Vertretungsverhältnis entstehe, es könne daraus aber ein Naheverhältnis entstehen, das die Treue des Rechtsanwaltes zu seiner Partei beeinträchtigen könne.

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer zunächst keinen Umstand auf, der dem Tatbestand der Interessenkollision im Sinne des § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz RAO subsumiert werden könnte. Denn zum einen behaupten sie selbst nicht, dass durch die vom - beigegebenen - Verfahrenshelfer übernommenen Treuhandschaften ein Vertretungsverhältnis zu Prozessgegnern der Beschwerdeführer begründet worden wäre. Zum andern wird durch die Erfüllung der im angefochtenen Bescheid beschriebenen Treuhandaufträge durch den beigegebenen Verfahrenshelfer keine Tätigkeit mit Bezug auf den Rechtsstreit im Sinne des § 10 Abs. 1 zweiter Satz RAO entfaltet, für den dieser als Verfahrenshelfer bestellt wurde.

Soweit die Beschwerdeführer aber geltend machen, die Übernahme von Treuhandschaften durch den Verfahrenshelfer begründe einen Befangenheitsgrund im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO, ist zunächst auszuführen, dass dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde liegt. Die Regelung des § 45 Abs. 1 und 4 RAO soll gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten - nicht durch sachfremde Motive gehemmt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 2000/10/0019).

Davon ausgehend wird allerdings durch den Hinweis, dass "aus Treuhandverhältnissen ebenso starke Rechtsbeziehungen erfließen können wie aus einem Vollmachtsverhältnis", ebenso wenig ein Umstand dargetan, der auf eine Befangenheit des beigegebenen Verfahrenshelfers schließen ließe, wie aus der bloßen Behauptung, es bestehe ein "Naheverhältnis" zwischen Prozessgegnern und dem beigegebenen Rechtsanwalt. Um die Möglichkeit aufzuzeigen, der Verfahrenshelfer sei aus sachfremden Motiven an der pflichtgemäßen (sachlichen) Ausübung gehindert, hätten die Beschwerdeführer vielmehr konkrete Sachverhaltsbehauptungen aufstellen müssen, die die Befürchtung nachvollziehbar erscheinen lassen, der Verfahrenshelfer sei dadurch in seinem pflichtgemäßen Handeln gehemmt. Dieser Anforderung wird aber weder durch die Behauptung, der beigegebene Rechtsanwalt habe "Treuhandschaften" übernommen, noch durch den Hinweis, dadurch könnten "starke Rechtsbeziehungen" sowie ein "Naheverhältnis" entstehen, entsprochen. Die Beschwerdeführer haben es insbesondere auch unterlassen, die Gründe ihrer Auffassung darzulegen, durch die Übernahme von Treuhandschaften, wie sie im angefochtenen Bescheid beschrieben sind, entstehe für den Treuhänder eine Situation, die die Befürchtung, er werde als bestellter Verfahrenshelfer pflichtwidrig handeln, gerechtfertigt erscheinen lasse.

Die Beschwerdebehauptung, der beigegebene Verfahrenshelfer habe gegenüber den Beschwerdeführern von sich aus darauf hingewiesen, er habe ein "Kollisionsproblem", steht im Widerspruch zu der nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten von diesem Anwalt im Verwaltungsverfahren erstatteten Stellungnahme, der zufolge keine Interessenkollision bestehe. Wenn die belangte Behörde dieser Behauptung der Beschwerdeführer daher nicht weiter nachging, so ist das nicht zu beanstanden; kann doch die Frage, ob der Verfahrenshelfer selbst einen Fall von Interessenkollision annehme, ausschließlich von ihm beantwortet werden.

Die Beschwerdeführer bringen schließlich vor, bei der Beigebung eines Rechtsanwaltes gemäß § 45 Abs. 1 RAO sei den Parteienwünschen gemäß § 67 zweiter Satz ZPO nach Möglichkeit zu entsprechen. Daraus sei abzuleiten, dass auch Vorbehalte einer Partei gegen einen Rechtsanwalt zu berücksichtigen seien.

Bei diesem Vorbringen übersehen die Beschwerdeführer, dass - auch nach der von ihnen ins Treffen geführten Norm - ein Rechtsanspruch einer Partei weder auf Beigebung eines bestimmten Rechtsanwaltes zum Verfahrenshelfer besteht, noch darauf, dass ein bestimmter Rechtsanwalt nicht zum Verfahrenshelfer bestellt wird.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998100302.X00

Im RIS seit

22.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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