Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Daniel H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Mai 2010, GZ 29 Hv 59/10t-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniel H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) und nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen Sommer 2007 und 23. September 2009 in K*****
I./ Manuel K***** und unbekannte Suchtgiftkuriere, die in mehreren Angriffen unter Aufsicht des Manuel K***** insgesamt zumindest 154 kg Cannabis mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 9 % (also zumindest 13.860 g reines THC) aus der Schweiz mit dem Zug nach Österreich einführten, zur Tatausführung bestimmt, indem er diesen jeweils auftrug, die einzelnen Cannabislieferungen nach Österreich zu verbringen, und Manuel K*****, dies zu überwachen;
II./ Manuel K*****, der nach der zu I./ bezeichneten Einfuhr im Zuge einer Vielzahl von Tathandlungen das nach Österreich eingeführte Cannabis großteils durch gewinnbringenden Verkauf an die abgesondert verfolgten Hamid M*****, Hongle S***** und Rachid J***** überließ, zur Tatausführung bestimmt, indem er diesen mit der Empfangnahme des geschmuggelten Suchtgifts in Innsbruck und dem Weiterverkauf an die Abnehmer sowie der Aushändigung der jeweils erlangten Verkaufserlöse beauftragte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO stützt.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine offenbar unzureichende Begründung bzw „Aktenwidrigkeit“ der - auf die Aussage des Angeklagten (ON 71 S 7, 9) gestützten - Feststellung, dass er nicht an Suchtmittel gewöhnt (US 13) ist, weswegen „die theoretische Möglichkeit gegeben [sei], dass ... ein Strafaufschub nach § 39 SMG möglich“ wäre, spricht damit aber keine entscheidende, somit für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsache an.
Der weiters erhobene Einwand der Unvollständigkeit zeigt kein Begründungsdefizit auf, sondern unternimmt den Versuch, aus den Beweisergebnissen eigene, für den Rechtsmittelwerber in Bezug auf die tatverfangenen Mengen an Suchtmitteln günstigere Schlüsse abzuleiten. Die Beschwerde bekämpft lediglich die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz (zu diesem Punkt: US 22) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099674), indem sie darauf verweist, dass „durchaus die Möglichkeit“ bestünde, dass der „Reinheitsgehalt weit weniger“ war, um abschließend erneut ein Vorgehen nach § 39 SMG zu reklamieren.
Die Tatsachenrüge (Z 5a), die es überdies unterlässt, die Fundstellen jener Verfahrensergebnisse zu benennen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers erhebliche Bedenken auslösen sollen (RIS-Justiz RS0124172), geht ebenso fehl, weil auch sie sich nicht auf entscheidungswesentliche Umstände bezieht und lediglich der eigenen Verantwortung zum Durchbruch verhelfen will. Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will aber nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Weder der erneute Hinweis auf eine Gewöhnung des Angeklagten an Suchtmittel noch jener, es könne „genauso gut sein“, dass das Suchtgift einen geringeren Reinheitsgehalt aufgewiesen hätte als vom Erstgericht konstatiert, sind geeignet, beim Obersten Gerichtshof qualifizierte Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken. Das weitere Vorbringen schließlich beschränkt sich darauf, die der Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogene (RIS-Justiz RS0099649, RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431) Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Zeugen Manuel K***** zu bekämpfen, mit dessen - als „lebensfremd“ bezeichneten - Angaben sich diese „in keinster Weise“ ausreichend auseinander gesetzt hätten.
Insoweit hieraus auch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634) bestritten wird, übergeht die Beschwerde gänzlich die erstgerichtlichen Feststellungen (US 9, 23) zur Verletzung österreichischer Interessen (RIS-Justiz RS0088266, RS0092207, RS0092209, RS0088215; s auch Höpfel/Kathrein in WK2 § 64 Rz 11).
Unverständlich bleibt der Antrag nach § 288a StPO, wird doch eine Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über den Anklageeinspruch nicht einmal behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E95306European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00115.10M.0928.000Im RIS seit
10.11.2010Zuletzt aktualisiert am
10.11.2010