TE OGH 2011/1/20 11Os175/10k

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Veröffentlicht am 20.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 13. September 2010, GZ 37 Hv 86/10v-102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Alfred S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Februar 2010 in P***** Klaus S***** vorsätzlich getötet, indem er aus nächster Entfernung mit einer Faustfeuerwaffe Schüsse in dessen linke Brustseite und linke Schulter-Oberarm-Region abfeuerte.

Die Geschworenen hatten die auf Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtete Hauptfrage bejaht und die darauf bezogene Zusatzfrage nach Putativnotwehr (§ 8 StGB) verneint.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die Verfahrensrüge (Z 5) scheitert durch bloße Bezugnahme auf einen Schriftsatz vom 1. Juli 2010 nicht nur am formellen Erfordernis eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags, sondern mit ihrer Berufung auf Art 6 MRK und der Kritik, dem Sachverständigen sei der Beschluss, mit dem der Sachverständige beauftragt wurde, ein Gutachten im Sinne des von der Verteidigung schriftlich gestellten Beweisantrags zu erstatten, tatsächlich nicht übermittelt worden, auch an der Voraussetzung einer der Antragstellung zuwiderlaufenden Beschlussfassung. Dem außerhalb der richterlichen Verfahrensführung gelegenen faktischen Umstand der Nichtdurchführung einer vom Erstgericht tatsächlich beabsichtigten Beweisaufnahme kommt unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes keine Bedeutung zu (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 317).

Im Übrigen legt der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb eine detailliertere Untersuchung bestimmter Teile der „Softgun“ des Opfers, welche sich aufgrund der daran anhaftenden Spuren nach den Schlussfolgerungen des Sachverständigen jedenfalls in der bei Abgabe des scharfen Schusses entstandenen „Schmauchkugel“ befunden haben muss (ON 100 S 24 f), auch Anhaltspunkte für eine den tödlichen Schusswaffeneinsatz rechtfertigende Notwehrsituation hätte erwarten lassen, zumal eine derartige „Waffe“ nach dem Gutachten nur Kunststoffkugeln mittels Druckluft verschießen kann (ON 72 S 31).

Soweit sich die Fragenrüge (Z 6) gegen das Unterlassen der Stellung einer (weiteren) Zusatzfrage nach Notwehr (§ 3 StGB) wendet, entbehrt sie der gebotenen Ausrichtung am Verfahrensrecht. Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge erfordert nämlich auch die deutliche und bestimmte Bezeichnung des Vorkommens des die Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats in der Hauptverhandlung (vgl RIS-Justiz RS0119417 und RS0117447). Mit Blick auf § 3 Abs 1 StGB hätte es des Hinweises auf ein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung bedurft, welches indizierte, dass sich der Angeklagte bei seiner Verteidigungshandlung, also der tödlichen Schussabgabe, auch nach objektiven Kriterien des gelindesten Mittels bedient hatte, um einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Angriff abzuwehren, der nach der Aktenlage ausschließlich in der „Bedrohung“ des Angeklagten mit einer „Softgun“ (ON 71 S 65) bestanden haben könnte.

Mit bloßer Bezugnahme auf den behaupteten Schock- und Angstzustand des Angeklagten vor einer Tötung gelingt dies (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23) nicht.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Verteidigungshandlung iSd § 3 Abs 1 StGB die objektiven und nicht die vom Opfer vorgestellten Verhältnisse maßgebend sind (Lewisch in WK2 § 3 Rz 89).

Eine Zusatzfrage nach Putativnotwehr (§ 8 StGB) wurde - wie bereits dargelegt - gestellt, von den Geschworenen aber verneint.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche sowie über die Berufung auch der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96237

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00175.10K.0120.000

Im RIS seit

05.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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