TE OGH 2011/6/16 6Ob102/11k

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Veröffentlicht am 16.06.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold und Dr. Norbert Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, wegen 25.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. März 2011, GZ 2 R 187/10b-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte der den Kooperationsvertrag mit dem Kläger schließende Geschäftsführer des beklagten Vereins als organschaftlicher Vertreter nach dessen Statuten allein nur Verträge im Rahmen des gewöhnlichen Wirtschaftsbetriebs schließen. Die Frage der Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts ist nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen. Erhebliche Bedeutung kommt den Umständen des Einzelfalls und der Eigenart des Rechtsgeschäfts zu. Ein Kriterium ist auch das zu erwartende Risiko (vgl 10 Ob 63/02s mwN).

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass im zu entscheidenden Fall der Kooperationsvertrag vom 17. 12. 2007 ein außergewöhnliches Geschäft des beklagten Zweigvereins ist, weil die Vereinbarung vom Beklagten zehn Jahre lang nicht kündbar ist, sich der Beklagte verpflichtete, außer den Kläger keinen Dritten während der Vertragslaufzeit mit der Erstellung von vergleichbaren Werbemitteln, Werbebroschüren, Kalendern oder anderen Print-Produkten, in denen Dritte Inserate einschalten, zu beauftragen (Exklusivität) und der Beklagte dem Kläger für die Aufgabe der Exklusivität drei Jahresumsätze der Broschüre zu zahlen hatte, hält sich im Rahmen der Leitlinien der Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

Wer mit einem Verein eine Vereinbarung von weitragender Bedeutung - im Anlassfall der Kooperationsvertrag vom 17. 12. 2007 - abschließen will, dem obliegt es, sich durch Einsicht in die Vereinsstatuten die Überzeugung über Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des für den Verein handelnden Organs und darüber zu verschaffen, dass die Handlungen des Organs im Rahmen seines statutenmäßigen Wirkungskreises erfolgen und durch eine allfällig erforderliche Beschlussfassung des Vorstands gedeckt sind. Hinsichtlich des Mangels dieser Zustimmung ist derjenige schlechtgläubig, der bei gehöriger Aufmerksamkeit Bedenken über die Vertretungsmacht hätte haben können (8 Ob 201/97k; 6 Ob 542/94). Bei dieser Rechtslage ist die Verneinung des Vorliegens einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht - eine immer nur anhand von Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu prüfende Frage (5 Ob 270/02w ua) - nicht korrekturbedürftig. Selbst wenn die vorangegangenen Kooperationsverträge, die wesentlich geringere Verpflichtungen des Beklagten enthielten, nicht zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb zählen sollten und die maßgeblichen Organe des Beklagten vom Abschluss dieser Verträge gewusst haben sollten, ist für den Kläger nichts zu gewinnen, durfte er doch daraus berechtigt nur den Schluss ziehen, dass der Geschäftsführer zu Kooperationsverträgen mit dem bisher vereinbarten Inhalt bevollmächtigt ist, nicht aber zu einem den Beklagten wesentlich einschränkenden Vertrag.

Überschreitet der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht, so ist der Gewaltgeber gemäß § 1016 ABGB nur insofern verbunden, als er das Geschäft genehmigt oder den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil sich zuwendet (8 Ob 117/04w mwN). Damit die Vorteilszuwendung als Genehmigung wirkt, muss der Geschäftsherr davon wissen, dass in seinem Namen kontrahiert wurde und dass der Vorteil aus diesem Geschäft stammt, das er nunmehr will. Eine Genehmigungserklärung eines Vereins müsste allerdings durch das statutenmäßig für den Abschluss des Geschäfts zuständige Organ erfolgen. Ebenso setzt auch die Vorteilszuwendung voraus, dass das an sich statutenmäßig berufene Organ im Wissen um das vollmachtslos geschlossene Geschäft die bereits resultierenden Vorteile in Anspruch nimmt (RIS-Justiz RS0125514). Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Zutreffend hat es ausgeführt, dass diese Voraussetzungen nach den von ihm als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernommenen Feststellungen des Erstgerichts nicht gegeben sind.

Ob der Geschäftsführer selbst davon ausging, zum Abschluss der „gegenständlichen Vereinbarung“ bevollmächtigt zu sein und diese Vereinbarung als Fortschreibung der vorherigen Kooperationsvereinbarungen ansah, ist rechtlich unerheblich, entscheidet doch nicht seine Auffassung über den Umfang seiner organschaftlichen Vertretungsmacht. Keineswegs ist es notorisch, dass „Kooperationsvereinbarungen wie die streitgegenständliche nicht nur branchenüblich, sondern vielmehr der Klassiker sind, wie NGOs zu Einnahmen aus Kooperationen mit Wirtschaftsbetrieben kommen“.

Mit den Ausführungen unter Punkt 4.1.3 der Revisionsschrift wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt, sondern in Wahrheit die nicht revisible Beweiswürdigung bekämpft.

Das Berufungsgericht hat auf S 10 seines Urteils nicht ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Vertrag nach den Statuten des Zweigvereins S***** überhaupt wirksam zustande gekommen sei. Es hat vielmehr der Beweisrüge erwidert, es könne zunächst dahingestellt bleiben, ob der Leiter der Rechtsabteilung des Hauptverbandes für die Prüfung von Verträgen zuständig gewesen sei, weil es vorerst darauf ankomme, ob der Vertrag nach den Statuten des beklagten Zweigvereins überhaupt wirksam zustande gekommen sei. Die Ausführungen auf S 22 der Revisionsschrift bekämpfen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Wie Vorbringen einer Partei zu verstehen ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls und deshalb in der Regel keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger begehre die Rückzahlung der Barzuwendung von 2.800 EUR nur mit einem Teilbetrag von 1.162 EUR, beruht auf einer zumindest vertretbaren Auslegung des Vorbringens des Klägers, die vier im einzelnen angeführten Begehren in Summe von 60.227,39 EUR würden insgesamt nur mit einem Teilbetrag von 25.000 EUR geltend gemacht.

Textnummer

E97587

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00102.11K.0616.000

Im RIS seit

30.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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