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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Z Umwelt GmbH in P, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 24. März 2009, Zlen. UVS 463.1-4/2008-5, UVS 463.1-5/2008-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem AWG 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei betreibt auf Grund von abfallrechtlichen Genehmigungsbescheiden eine Abfallbehandlungsanlage in P.
Mit Eingabe vom 30. April 2008 zeigte die beschwerdeführende Partei dem Landeshauptmann von Steiermark (LH) unter gleichzeitiger Vorlage von Planunterlagen gemäß § 37 Abs. 4 Z. 1 AWG 2002 Anpassungsmaßnahmen an den Stand der Technik hinsichtlich der Aufbereitungsanlage für Ersatzbrennstoffe an. Diese Anzeige umfasste auch die Verlegung der mit Bescheid des LH vom 7. Juli 2006 genehmigten Aufbereitung von Ersatzbrennstoffen und der Trafostation in eine neu errichtete Halle im Osten des Betriebsgeländes. Gegenstand der Anzeige war auch eine Flexibilisierung der einzelnen, im Spruch des Bescheides vom 7. Juli 2006 festgelegten Maßnahmen von Abfallströmen unter Beibehaltung der genehmigten Behandlungskapazität.
Mit einer weiteren Eingabe vom 26. Mai 2008 beantragte die beschwerdeführende Partei unter Anschluss von Planunterlagen beim LH die abfallrechtliche Genehmigung für die Erweiterung der Aufbereitung und Zwischenlagerung von Ersatzbrennstoffen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 50 AWG 2002.
Der LH leitete hinsichtlich beider Anträge ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Fragen, ob die eingereichten Unterlagen für eine Beurteilung ausreichten sowie ob die Anträge einem Anzeigeverfahren bzw. einem vereinfachten Verfahren nach dem AWG 2002 zugänglich seien, ein. Zu diesem Zwecke wurden gutachterliche Stellungnahmen der Sachverständigen für Maschinen- und Emissionstechnik, der Humanmedizin, der Abfall- und Stoffflusswirtschaft, der Elektro- und Explosionstechnik, der Lärmtechnik, des vorbeugenden Brandschutzes sowie der Abfall- und Immissionstechnik eingeholt. Diese Stellungnahmen wurden schließlich von einem koordinativ tätigen Sachverständigen zusammengefasst.
Mit Schreiben vom 11. August 2008 erteilte der LH der beschwerdeführenden Partei einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG und führte dabei aus, dass die beiden getrennten Anträge einer gesamthaften Beurteilung unterzogen werden müssten. Unter einem wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, bis 28. November 2008 ein Gesamtprojekt vorzulegen und die ursprünglich gestellten Anträge zurückzuziehen.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 legte die beschwerdeführende Partei unter Bezugnahme auf den Verbesserungsauftrag ein Gesamtprojekt zur Genehmigung im ordentlichen Genehmigungsverfahren vor.
Mit Bescheid vom 28. November 2008 entschied der LH wie folgt:
"Der Antrag der … (beschwerdeführende Partei) … vom 30. April 2008 (Anzeige gem. § 37 Abs. 4 AWG 2002) betreffend die Anpassung der Aufbereitung für Ersatzbrennstoffe am Standort in P sowie der Antrag der … (beschwerdeführende Partei) … vom 26. Mai 2008 (vereinfachtes Verfahren gem. § 37 Abs. 3 AWG 2002) betreffend die Erweiterung der Aufbereitung und Zwischenlagerung für Ersatzbrennstoffe wird
abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
Die §§ 2, 37, 38, 39 und 43 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. I Nr. 102/2002 i.d.g.F. "
Begründend führte der LH aus, dass die beschwerdeführende Partei mit Eingabe vom 7. Oktober 2008 unter Bezugnahme auf den Verbesserungsauftrag vom 11. August 2008 zwar ein Gesamtprojekt zur Genehmigung vorgelegt habe. Eine Zurückziehung "der beiden Anträge vom 30. April 2008 bzw. 26. Mai 2008" sei nicht erfolgt.
Aus den ausführlichen Darlegungen der Sachverständigen, insbesondere auf dem Gebiet der Abfall- und Stoffflusswirtschaft, der Immissionstechnik sowie der Humanmedizin ergebe sich, dass durch die beantragten Maßnahmen mit Auswirkungen zu rechnen sei, welche erhebliche Nachteile für Menschen oder die Umwelt bedingen könnten.
Da die gegenständlichen Anträge nicht zurückgezogen worden seien und die beiden getrennt beantragten Maßnahmen nicht im Anzeige- bzw. vereinfachten Verfahren auf Grund der von den Sachverständigen prognostizierten Auswirkungen zu behandeln wären, sei "spruchgemäß zu entscheiden" gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurück.
Die Begründung des in Berufung gezogenen Bescheides des LH, so die belangte Behörde, befasse sich ausschließlich mit der Frage, ob die beiden eingereichten Anträge "im Rahmen der besonderen Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 und 4 AWG 2002 oder aber in einem ordentlichen Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 zu behandeln seien". Die Ausführungen in der Begründung ließen keinen Schluss darauf zu, dass der LH die beantragten Maßnahmen und Änderungen selbst für unzulässig halte. Vielmehr führe er ausdrücklich aus, dass er die Maßnahmen und Änderungen für wesentlich halte, sodass die Frage der Zulässigkeit derselben in einem ordentlichen Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 zu klären sei. Auch wenn der LH § 6 Abs. 6 Z. 3 AWG 2002 nicht zitiert habe, stelle sich der in Berufung gezogene Bescheid somit ausschließlich als Feststellungsbescheid im Sinne dieser Bestimmung dar.
Gemäß § 6 Abs. 6 vorletzter Satz AWG 2002 sei gegen einen derartigen Feststellungsbescheid ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Da somit eine unzulässige Berufung vorliege, hätte sich die belangte Behörde auch nicht mit der Frage befassen müssen, ob die Erlassung eines derartigen Bescheides "durch" den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 7. Oktober 2008 überhaupt noch zulässig gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 6 Abs. 6 AWG 2002, zuletzt geändert durch die AWG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 34/2006, lautet:
"(6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten festzustellen, ob
1. eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 52 unterliegt oder eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 2 gegeben ist,
2.
eine Anlage eine IPPC-Behandlungsanlage ist,
3.
eine Änderung einer Behandlungsanlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 unterliegt oder gemäß § 37 Abs. 4 anzeigepflichtig ist.
Ein ordentliches Rechtsmittel ist nicht zulässig. Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt."
§ 51 Abs. 3 AWG 2002 in der Fassung der AWG-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 43/2007, lautet:
"(3) Wird eine Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 erstattet und bestehen begründete Zweifel, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Anzeigeverfahren vorliegen, hat der Landeshauptmann von Amts wegen einen Feststellungsbescheid gemäß § 6 Abs. 6 zu erlassen. Das Anzeigeverfahren ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Feststellungsverfahrens auszusetzen. Weiters ist das Anzeigeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Feststellungsverfahrens auszusetzen, wenn während des Anzeigeverfahrens ein Feststellungsbescheid gemäß § 6 Abs. 6 beantragt wird."
2. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde habe eine rechtswidrige Umdeutung des die Anträge vom 30. April und 26. Mai 2008 abweisenden Bescheides des LH in einen Feststellungsbescheid vorgenommen. Schon der Spruch des Bescheides des LH sei völlig eindeutig und lasse eine Umdeutung in einen Feststellungsbescheid nicht zu. Im Spruch seien die Anträge abgewiesen worden, von einer Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sei nicht die Rede. Auch die Begründung des Bescheides des LH lasse keine Deutung zu, dass dieser Bescheid als Feststellungsbescheid zu verstehen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 25. September 2008, Zl. 2007/07/0117, klargestellt, dass seit der AWG-Novelle 2007 die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 6 Abs. 6 AWG 2002 auch dann zulässig sei, wenn bereits ein anderes Verfahren anhängig sei, in dessen Rahmen jene Fragen, um die es im Feststellungsverfahren gehe, im Ergebnis auch beantwortet werden könnten. Es solle dabei aber nicht zu einer Parallelität beider Verfahren kommen. Es gelte daher der Grundsatz, dass bei Einleitung eines Feststellungsverfahrens während eines anhängigen Genehmigungs- oder Anzeigeverfahrens letzteres auszusetzen sei. Gegen einen Feststellungsbescheid spreche daher auch, dass die anhängigen Verfahren nicht "bescheidmäßig" gemäß § 38 AVG ausgesetzt worden seien.
3. Zum Verhältnis zwischen Anzeigeverfahren, (vereinfachten) Genehmigungsverfahren und Feststellungsverfahren genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 25. September 2008, Zl. 2007/07/0117, zu verweisen. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde bedarf es keiner Heranziehung der Erwägungen in diesem Erkenntnis hinsichtlich der notwendigen Aussetzung des Genehmigungs- bzw. Anzeigeverfahrens. Die Beschwerde ist nämlich bereits aus folgenden Überlegungen im Recht.
4. Den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der Begründung des LH-Bescheides vom 28. November 2008 ist entgegenzuhalten, dass nach der hg. Rechtsprechung bei eindeutigem Spruch eines Bescheides der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zukommt. Eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides kommt nicht in Betracht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2004, Zl. 2000/12/0311, vom 7. September 2007, Zl. 2006/02/0221 und vom 2. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0327). Die beigegebene Begründung kann nur dann als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch eines Bescheides für sich allein beurteilt, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 2006, Zl. 2003/07/0018 und vom 20. Mai 2009, Zl. 2007/07/0110, mwN).
Der Spruch des LH-Bescheides vom 28. November 2008 ist völlig eindeutig und lässt - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - eine Umdeutung in einen Feststellungsbescheid nicht zu. Im Spruch des Bescheides werden die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 30. April 2008 und vom 26. Mai 2008 "abgewiesen". Es lässt sich kein Hinweis auf die Feststellung eines strittigen Rechtsverhältnisses entnehmen. Auch aus den im Spruch zitierten Gesetzesbestimmungen ergibt sich, dass der Bescheid objektiv nicht als Feststellungsbescheid zu verstehen ist.
5. Ungeachtet dessen, dass sich die Heranziehung der Begründung zur Auslegung eines klaren Spruches aus dem Vorgesagten bereits verbietet, können auch die Begründungsausführungen des LH-Bescheides nicht im Sinne eines Feststellungsbescheides verstanden werden. Die belangte Behörde übersieht nämlich mit ihren Ausführungen, dass der LH in der Begründung seines Bescheides vom 28. November 2008 auf eine nicht erfolgte Zurückziehung der beiden Anträge der Beschwerdeführerin vom 30. April 2008 und vom 26. Mai 2008 verweist. Die spruchgemäße Abweisung der Anträge der beschwerdeführenden Partei war nach Ansicht des LH dadurch bedingt, dass die beiden getrennt beantragten Maßnahmen auf Grund der von den Sachverständigen prognostizierten Auswirkungen nicht in Anzeige- bzw. vereinfachten Verfahren zu behandeln waren und die gegenständlichen Anträge nicht zurückgezogen wurden. Mit diesen Ausführungen gab der LH jedoch unzweifelhaft zu erkennen, dass er über die Anträge der beschwerdeführenden Partei nicht in Form einer Feststellung absprechen wollte, verweist er doch in der Begründung nochmals auf den abweisenden Spruchinhalt.
Auch die Rechtsmittelbelehrung, die eine Berufung für zulässig erklärt, bestätigt diese Einschätzung. Unter Berücksichtigung der im Spruch seines Bescheides zitierten Gesetzesbestimmungen bezieht sich der LH offenbar auf § 38 Abs. 8 AWG 2002, wonach der unabhängige Verwaltungssenat des Bundeslandes (somit die belangte Behörde) über Berufungen gegen Bescheide des LH als zuständige Anlagenbehörde entscheidet. Bei dem von der belangten Behörde angenommenen Feststellungsverfahren wäre ja ein ordentliches Rechtsmittel gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 nicht zulässig.
6. Die belangte Behörde ist somit beim Bescheid des LH vom 28. November 2008 in Verkennung der Rechtslage von einem Feststellungsbescheid nach § 6 Abs. 6 AWG 2002 ausgegangen. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. März 2011
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Spruch und BegründungAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2009070071.X00Im RIS seit
13.04.2011Zuletzt aktualisiert am
03.08.2018