Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Roch und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller 1. E*****, und 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in Knittelfeld, gegen den Antragsgegner Land Steiermark, vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wegen Entschädigung nach § 25 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 10. August 2010, GZ 1 R 84/10k-16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 3. Februar 2010, GZ 6 Nc 41/09a-9, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Verordnung vom 29. Mai 2006 erklärte die Steiermärkische Landesregierung gemäß § 13a Abs 1 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976 (NSchG 1976) das Gebiet „Niedere Tauern“ zum Europaschutzgebiet Nr 38. In diesem Gebiet liegen fünf Liegenschaften der Erstantragstellerin, die an die Zweitantragstellerin verpachtet sind.
Gestützt auf § 25 Abs 5 NSchG riefen die Antragstellerinnen am 29. September 2009 das Erstgericht mit dem Antrag auf Festsetzung einer Entschädigung als Folge der Erklärung dieses Gebiets zum Europaschutzgebiet Nr 38 und einem Feststellungsbegehren an. Diesem Antrag war ein am 27. Mai 2009 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung (aus Vorsichtsgründen) eingebrachter und von diesem mit Bescheid vom 26. Juni 2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesener Antrag vorangegangen.
Zuvor hatten die Antragstellerinnen das Erstgericht zu 6 Nc 17/09x (verfahrenseinleitender Antrag vom 14. April 2009) gegen den eine Entschädigung wegen der Einbeziehung der Grundstücke in das Europaschutzgebiet Nr 38 ablehnenden Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Jänner 2009 angerufen. Der von den Antragstellerinnen in diesem Verfahren erhobene Revisionsrekurs war zu 1 Ob 176/10d vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.
Die Begehren des vorliegenden Antrags sowie die von den Antragstellerinnen zur Begründung ihres Anspruchs vorgetragenen Tatsachen stimmen inhaltlich mit den im Verfahren 6 Nc 17/09x gestellten Anträgen und dem dazu vorgetragenen rechtserzeugenden Sachverhalt überein.
Das Erstgericht wies - wie auch im Verfahren 6 Nc 17/09x - sämtliche Anträge mit der wesentlichen Begründung ab, die bloße Ausweisung eines Europaschutzgebiets lasse die bisherige ordnungsgemäße Bewirtschaftung unberührt.
Das Rekursgericht bestätigte in beiden Verfahren jeweils am selben Tag und mit gleichlautender Begründung die Entscheidung des Erstgerichts und ließ jeweils den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Bei seiner Behandlung ist das nun eingetretene Prozesshindernis der Rechtskraft aufzugreifen:
1.) Für das Außerstreitverfahren ordnet § 43 AußStrG an, dass mit der Rechtskraft des Beschlusses die Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung eintritt. Durch diese Bestimmung ist die Rechtslage weitgehend der ZPO angeglichen (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III § 411 ZPO Rz 26). Einem im Verfahren außer Streit gefassten, durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Beschluss kommt die gleiche Rechtskraftwirkung zu wie einem nach den Vorschriften der ZPO ergangenen Urteil. Das gilt auch für abweisende Beschlüsse (RIS-Justiz RS0007171 [T6, T9 und T15]).
2.) Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. Jänner 2011, AZ 1 Ob 176/10d, wurde der von den Antragstellerinnen im Verfahren 6 Nc 17/09x des Erstgerichts erhobene Revisionsrekurs zurückgewiesen. Mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Vertreter der Antragstellerinnen am 23. Februar 2011 ist die Abweisung der im Vorverfahren gestellten Anträge in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen.
3.) Sind - wie hier - die Begehren des vorangegangenen und des diesem nachfolgenden Verfahrens und der zu ihrer Begründung dienende Sachverhalt inhaltlich ident, dann schließt die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft die neuerliche Sachentscheidung aus. Über dieselbe Sache kann zwischen denselben Parteien nicht mehr entschieden werden (Fasching/Klicka aaO Rz 43; RIS-Justiz RS0007477 [T3]).
4.) Das Prozesshindernis der materiellen Rechtskraft ist auch im Verfahren außer Streit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0007477; 5 Ob 17/10a). Die Verletzung der Rechtskraft begründet einen nicht in § 477 ZPO aufgezählten Nichtigkeitsgrund, der bis zur Rechtskraft der Entscheidung im nachfolgenden Verfahren zur amtswegigen Aufhebung des durchgeführten Verfahrens und der neuerlichen Entscheidung sowie zur Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes führen muss (Fasching/Klicka aaO Rz 43, 134; Rechberger in Rechberger ZPO³ § 411 Rz 2).
5.) Zu diesen Rechtsfolgen kann es hier wegen des Umstands, dass das Prozesshindernis der Rechtskraft erst im Zuge des Revisionsrekursverfahrens eintrat und dem vorangegangenen Verfahren nicht das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit entgegen stand, nicht kommen:
Das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit ist dem Außerstreitverfahren fremd. Deshalb entscheidet bei mehreren Anträgen das Zuvorkommen. Die Einheitlichkeit des Verfahrens ist unter Beachtung der Überweisungsvorschrift des § 12 Abs 2 AußStrG durch die Verbindung der Verfahren zu bewirken (5 Ob 146/09w; Rechberger AußStrG § 12 Rz 4). Im gegenständlichen Fall wäre dies durch eine Einbeziehung des vorliegenden Verfahrens in das früher anhängig gewordene Verfahren 6 Nc 17/09x des Erstgerichts herzustellen gewesen. Im Gebot zur Einbeziehung von Anträgen mit identem Verfahrensgegenstand in ein und dasselbe Verfahren wird im Außerstreitverfahren der Grundsatz „ne bis in idem“ verwirklicht, weil nur dadurch gewährleistet ist, dass über einen Anspruch im Sinne der Einmaligkeitswirkung nicht wiederholt abgesprochen wird. Im Ergebnis hat das Rekursgericht mit seinen beiden gleichlautenden Entscheidungen vom selben Tag den erforderlichen Gleichklang herbeigeführt.
6.) Daraus folgt, dass dem erkennenden Senat wegen des wahrzunehmenden Wiederholungsverbots (ne bis in idem) eine abändernde oder aufhebende Entscheidung in jedem Fall verwehrt ist. Infolge rechtskräftiger Abweisung ihres ersten Antrags können sich die Revisionsrekurswerber durch die hier bekämpfte gleichlautende Rekursentscheidung über den identen zweiten Antrag prozessual nicht für beschwert erachten, wäre doch das Ergebnis im Fall der Verbindung beider Verfahren dasselbe gewesen, nämlich die Antragsabweisung. Der Verstoß gegen die Bestimmung des § 12 Abs 2 AußStrG blieb ohne Auswirkungen auf die Rechtsposition der Rekurswerber.
Textnummer
E96727European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00188.10H.0322.000Im RIS seit
06.04.2011Zuletzt aktualisiert am
05.09.2011