TE AsylGH Beschluss 2011/03/21 E6 414183-4/2011

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2011
beobachten
merken
Spruch

E6 414.183-4/2011-4E

 

BESCHLUSS

 

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.03.2011, Zl. 11 02.117-EAST Ost, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Irak, hat der Asylgerichtshof durch den Richter Mag. Habersack als Einzelrichterin beschlossen:

 

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 1, 2 und 3 iVm

 

§ 41a AsylG 2005 rechtmäßig.

Text

BEGRÜNDUNG:

 

I.1. Der Asylwerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 07.10.2008 erstmals unter der AIS-Zahl 08 09.694 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Zur Begründung dieses Antrages führte er aus, er sei Jezide und werde deswegen von Islamisten verfolgt. Seine Gattin, seine Mutter und seine drei Brüder und drei Schwestern würden nach wie vor im Irak leben. Jeziden würden im Irak verfolgt und getötet werden. Aus diesen Gründen habe er am 12.09.2008 den Irak verlassen.

 

Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 13.11.2009 gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG abgewiesen und unter einem die Ausweisung in den Irak verfügt. Der Bescheid erwuchs aufgrund der persönlichen Zustellung an den Asylwerber am 18.11.2009 und mangels Erhebung eines Rechtsmittels am 03.12.2009 in Rechtskraft.

 

Begründend wurde vom Bundesasylamt ausgeführt, dass der Asylwerber mit seinem Vorbringen eine individuelle Verfolgung iSd GFK nicht glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich der Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen zu dessen Gewährung nicht vorliegen würden, da unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Asylwerbers nicht davon auszugehen sei, dass er im Falle einer Rückkehr in den Irak in eine derart dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werden würde, die ihm eine Rückkehr unzumutbar erscheinen ließe. Zur Ausweisungsentscheidung wurde ausgeführt, dass im Falle des Asylwerbers kein schützenswertes Familienleben und kein Familienbezug vorliegen würden. Auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer im österreichischen Bundesgebiet und mangels Vorliegens sonstiger Anhaltspunkte sei auch nicht von einem schützenswerten Privatleben auszugehen, weshalb zusammengefasst eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend erforderlich sei.

 

Am 22.03.2010 wurde der Asylwerber im Zuge des Versuches, nach Deutschland auszureisen, von Sicherheitsorganen angehalten. Während der anschließenden ab dem 23.03.2010 verhängten Schubhaft wurde der Asylwerber wegen des Verdachtes der schwere Sachbeschädigung (an Bundeseigentum in Schubhaft) am 04.04.2010 angezeigt und mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen verurteilt.

 

Im Zuge der Untersuchungen am 29.03.2010 und am 02.04.2010 im PAZ XXXX kam Dr. XXXX, FA für Psychiatrie, zu dem Befund, dass der Asylwerber an einer mittelgradig depressiven Episode leide.

 

Am 07.04.2010 wurde beim Asylwerber eine Gastroskopie durchgeführt, die folgenden Befund ergab: "Verdacht auf akute Gastritis / Refluxösophagitis, Mikrohämaturie (Ciproxtherapie seit 30.03.2010) Z.n. antibiotischer Therapie mit Solutrim, klinisch dzt. kein eindeutiger Hinweis auf eine Colitis.".

 

I.2. Am 13.04.2010 stellte der Asylwerber zur AIS-Zahl 10 03.193 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, im Zuge dessen sich herausstellte, dass der Asylwerber bereits am 07.10.2008 in Österreich, am 23.10.2008 in Dortmund und am 04.01.2010 in Oldenburg Asylanträge gestellt hatte.

 

Zum zweiten Asylantrag in Österreich wurde der Asylwerber seitens des Bundesasylamtes am 21.04.2010 niederschriftlich einvernommen.

 

Im Aktenvermerk vom 27.04.2010 wurde festgehalten, dass dem Asylwerber der faktische Abschiebeschutz nicht aberkannt worden sei, da nach entsprechenden Telefonaten festgestanden sei, dass lediglich mit den Kopien der im Erstverfahren vorgelegten ID-Karte ein Heimreisezertifikat nicht erlangt werden könne und der Asylwerber das Originaldokument trotz Aufforderung nicht nochmals vorlege.

 

Mit Bescheid vom 21.05.2010, Zl. 10 03.193-EAST West wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 13.04.2010 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Weiters wurde gemäß § 10 AsylG die Ausweisung des Asylwerbers in den Irak verfügt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein konkret den Asylwerber betreffendes, glaubwürdiges Vorbringen erstattet worden sei, welches einen neuen Sachverhalt und eine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage darstellen würde. Insbesondere sei auch aus der - überdies schon im Zeitpunkt des Erstverfahrens vorgelegenen - Erkrankung des Asylwerbers kein Rückkehrhindernis abzuleiten und seien keine einer Ausweisung entgegenstehende Gründe bekannt geworden.

 

Dieser Bescheid wurde dem Asylwerber am 21.05.2010 persönlich übergeben und damit rechtmäßig zugestellt, und wurde am Zustellschein durch die zustellenden Beamten festgehalten, dass der Asylwerber die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme verweigert hat. Diese Unterschriftsverweigerung wiederum wurde durch die beiden Beamten mittels Unterschrift bestätigt.

 

I.3. Mit Schreiben vom 15.06.2010, eingelangt beim Bundesasylamt am 16.06.2010, wurde durch den damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Asylwerbers ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht, gleichzeitig Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2010, Zl. 10 03.193-EAST West, erhoben und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2010, Zl. 10 03.193-EAST West, wies das Bundesasylamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ab.

 

I.4. Gegen diesen dem damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Asylwerbers sowie diesem selbst persönlich am 18.06.2010 zugestellten Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2010, Zl. 10 03.193-EAST West, erhob der damalige rechtsfreundliche Vertreter des Asylwerbers mit Schriftsatz, eingelangt am 02.07.2010, fristgerecht Beschwerde.

 

Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.07.2010, Zl.

 

E5 414.183-2/2010-6E, gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen und die gleichzeitig eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2010, Zl. 10 03.193-EAST West, mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 30.07.2010, Zl. E5 414.183-1/2010-3E, gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

 

Die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.07.2010 beim Verfassungsgerichtshof einbebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 08.10.2010, Zl. U 2085/10-4, abgelehnt.

 

I.5. Am 21.10.2010 stellte der Asylwerber einen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 21.10.2011 von einem Organ der Polizeiinspektion XXXX und am 27.10.2010 sowie am 17.11.2010 vom Bundesasylamt einvernommen. Begründend führte der Asylwerber im Wesentlichen aus, dass er Jezide sei und deswegen im Jahr 2008 von Moslems bedroht worden sei. 2009 sei sein Wohngebiet im Irak und auch das Geschäft seiner Familie - den genauen Zeitpunkt wisse er nicht - bombardiert worden. Dies könne er auch mittels Videoaufzeichnungen bzw. zweier CDs beweisen. Zudem habe er Drohbriefe erhalten, welche er ebenfalls vorlegen könne. Außerdem leide er an psychischen Problemen und sei deswegen bereits während der Schubhaft in XXXX und während seines Aufenthaltes in Deutschland behandelt worden. Danach sei er nicht mehr in medizinischer Behandlung gestanden, nehme aber regelmäßig Schlaftabletten ein.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.01.2011, Zl.

 

10 09.898-EAST West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.10.2010 in Spruchteil I gemäß § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchteil II wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass sich seit Rechtskraft des Erstbescheides keine neuen, entscheidungsrelevanten Fluchtgründe ergeben hätten, und somit kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden habe können. Grundsätzlich habe sich der Asylwerber auf die ursprünglichen Fluchtgründe, welche bereits von der Rechtskraft des Erstverfahrens erfasst seien, berufen. Die Angaben, dass er eine Gefährdung seiner Person bzw. die Bombardierung seines Wohngebietes und die Zerstörung des Geschäftes seiner Familie mittels Videoaufzeichnungen bzw. zweier CDs beweisen könne, würden am Ergebnis nichts ändern, da sich dieses Vorfälle - ebenso wie die Bedrohung seiner Person, die er durch Vorlage irakischer Schreiben bzw. Anzeigen untermauern habe wollen - bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren zugetragen hätten. Somit stelle dies einen unbeachtlichen, unveränderten Sachverhalt dar.

 

Zum Gesundheitszustand des Asylwerbers wurde festgestellt, dass bei ihm keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen würde, weshalb nicht festgestellt werden könne, dass eine Ausweisung bzw. Abschiebung in den Irak eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde.

 

Auch zum jetzigen Zeitpunkt sei hinsichtlich der im Erstverfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak ebenfalls keine Änderung ersichtlich.

 

Zur Ausweisung wurde ausgeführt, dass die Ausweisung des Asylwerbers aus Österreich in den Irak mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich sowie wegen mangelnder Integration dringend zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei.

 

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass das bisherige Vorbringen zum integrierenden Bestandteil der Beschwerdeschrift erhoben werde. Weiters wurde umfangreich erörtert, dass das Kernproblem nicht darin bestehe, wie und wann der Asylwerber in den Besitz der vorgelegten CDs gekommen sei. Außer Streit gestellt wurde, dass aus den Videoaufzeichnungen keine Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, welches Gebiet bombardiert worden sei und wann diese zerstörerischen Handlungen stattgefunden hätten. Gerügt wurde, dass das Bundesasylamt Erhebungen tätigen hätte müssen, ob es im Jahr 2009 im Heimatgebiet des Asylwerbers tatsächlich zu Anschlägen gekommen sei und aus diesem Grund eine verstärkte Rückkehrgefährdung für den Asylwerber bestehen würde.

 

Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.02.2011, Zl.

 

E6 414.183-3/2011-4E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde sowohl dem Asylwerber als auch seiner damaligen rechtsfreundlichen Vertreterin am 07.02.2011 zugestellt und erwuchs somit in Rechtskraft.

 

I.6. Am 04.03.2011 stellte der Asylwerber neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem der Versuch, ihn am 02.03.2011 in den Irak zwangsweise abzuschieben, gescheitert war. Dazu wurde er am 04.03.2011 von einem Organ des Landespolizeikommandos Wien und am 10.03.2011 vom Bundesasylamt einvernommen.

 

Begründend wurde vom Asylwerber ausgeführt, dass ihn die irakischen Sicherheitskräfte am 02.04.2011 im Zuge der zwangsweisen Abschiebung nicht übernommen hätten, da er aus XXXX stamme und die Lage dort unsicher sei. Ansonsten habe sich an seinen Asylgründen nichts geändert. Zudem halt sich sein Bruder seit vier Monaten ebenfalls in Österreich als Asylwerber auf.

 

I.7. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des Asylwerbers im Beisein des Rechtsberaters vor dem Bundesasylamt am 10.03.2011 hob das Bundesasylamt den faktischen Abschiebeschutz des Asylwerbers gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG mit mündlich verkündetem Bescheid auf.

 

I.8. Die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 18.03.2011 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Asylgerichtshofes ein, worüber das Bundesasylamt gemäß

 

§ 41 a Abs. 2 AsylG mit Mitteilung vom selben Tag informiert wurde.

 

II. Rechtliche Beurteilung

 

II.1. Am 1.1.2010 ist das AsylG 2005 idF der Novelle BGBl. 122/2009 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs. 9 sind die §§12 a, 22 Abs.12, 31 Abs.4, 34 Abs.6 und 35 in der genannten Fassung auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Jänner 2010, anhängig waren, nicht anzuwenden.

 

Gegenständlicher Folgeantrag wurde am 04.03.2011 gestellt, wodurch die in § 75 Abs. 9 AsylG genannten Bestimmungen auf ihn Anwendung finden.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. Nr. 100, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3. Gemäß § 9 AsylGHG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3a AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß

 

§ 41a AsylG.

 

II.4. Gemäß § 12a AsylG kann das Bundesasylamt den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat, aufheben, wenn

 

1. gegen ihn eine aufrechte Ausweisung besteht,

 

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und

 

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß

 

§ 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Asylgerichtshof unverzüglich von Amts wegen zur Überprüfung gemäß § 41a AsylG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an den Asylgerichtshof; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat der Asylgerichtshof im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a AsylG mit Beschluss zu entscheiden.

 

Eine Entscheidung des Bundesasylamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden nach § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde, ist gemäß § 41a Abs. 1 AsylG vom Asylgerichtshof unverzüglich zu überprüfen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 66 Abs. 2 AVG ist in diesem Verfahren nicht anzuwenden. Das Neuerungsverbot nach § 40 AsylG gilt sinngemäß.

 

Gemäß § 41 a Abs. 2 AsylG sind die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß

 

§ 12 a Abs. 2 AsylG und eine aufrechte Ausweisung mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Ausweisung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG zu übermittelnden Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Asylgerichtshofes zuzuwarten. Der Asylgerichtshof hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a Abs.1 AsylG getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

 

Gemäß § 41a Abs. 3 AsylG hat der Asylgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a Abs. 1 AsylG binnen acht Wochen zu entscheiden.

 

II.5. Im gegenständlichen Fall besteht nach der Entscheidung des Bundesasylamtes vom 13.11.2009 im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.02.2011 ein rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren. Auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofes liegt im gegenständlichen Fall eine aufrechte Ausweisung vor, zumal seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung 18 Monate iSd § 10 Abs. 6 AsylG noch nicht verstrichen sind.

 

Der Asylwerber stützte seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf Gründe, die bereits im Vorverfahren vorlagen (Angahöriger der Jeziden und unsichere Lage in seiner Heimatstadt XXXX) mithin auf einen Sachverhalt, der bereits vor Rechtskraft des oben genannten Bescheides des Bundesasylamtes, mit dem der erste Antrag des Asylwerbers rechtskräftig abgewiesen wurden, verwirklicht war. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH Zl. 96/20/0266 vom 10.06.1998 mit Hinweis auf Erkenntnis vom 24.3.1993, Zl. 92/12/0149).

 

Die vom Asylwerber beim Bundesasylamt vorgebrachten Angaben (er sei in seiner Heimatstadt XXXX auf Grund der dort vorherrschenden schlechten Sicherheitslage und weil er Jezide sei, im Irak nicht sicher) sollen den bereits vor der ersten rechtskräftigen Entscheidung verwirklichten Sachverhalt untermauern und begründen daher nicht selbst einen neuen Sachverhalt.

 

Eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes ist daher nicht eingetreten und es wird der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein.

 

II.6. In der Entscheidung über den ersten Asylantrag wurde ausgesprochen, dass der Asylwerber im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Auch in den beiden Folgeverfahren sind keine solche Bedrohung hervorgekommen. Die Lage im Herkunftsstaat hat sich im Vergleich zu der in der Entscheidung über den ersten Asylantrag festgestellten Situation nicht zum Nachteil des Asylwerbers verändert und bildet keine derartige Bedrohung.

 

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat stellt für diesen somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar. Es besteht für ihn nach der aktuellen Lage im Herkunftsstaat als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

 

Im Rahmen der vom Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof in den ersten drei Verfahrensgängen durchgeführten Ausweisungsverfahren haben sich keine Anhaltpunkte dafür ergeben, dass die Ausweisung des Asylwerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde. Auch die diesbezüglichen Angaben des Asylwerbers anlässlich seines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz lassen keine Verletzung des Art. 8 EMRK erkennen, zumal sein einziger familiärer Anknüpfungspunkt in Österreich ein volljähriger Bruder ist, der sich seit vier Monaten als Asylwerber im Bundesgebiet aufhält und zu welchem kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Auch hinsichtlich des Privatlebens des Asylwerbers wurden keine Gründe vorgebracht, die eine Verletzung desselben erkennen lassen würden.

 

II.7. Zum Vorbringen des Asylwerbers, er leide an psychischen Problemen und er nehme deswegen Medikamente ein, ist folgendes auszuführen:

 

Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, B 2400/07-9, die zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des EGMR - in diesen Fällen ging es jeweils um die Frage der Abschiebung in den Herkunftsstaat - wörtlich wie folgt dar:

 

Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem EGMR (s. etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering, EuGRZ 1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuliefern - oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen -, unter dem Blickwinkel des Art3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).

 

Der EGMR hatte sich mehrmals mit der Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK befasst:

 

Im Fall D. v. the United Kingdom (EGMR 2.5.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997, 93) ging es um die Abschiebung eines an Aids im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts/Karibik, der bei der Einreise in das Vereinigte Königreich wegen Mitführens einer größeren Menge Kokain festgenommen und zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Der EGMR entschied in diesem Fall, dass zwar die Abschiebung Kranker nicht schlechthin unzulässig sei. Es seien die Besonderheiten jedes Einzelfalls zu berücksichtigen. Im konkreten Fall befand sich der Beschwerdeführer im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Krankheit, sodass eine Abschiebung nach St. Kitts den Beschwerdeführer einem realen Risiko aussetzen würde, unter äußerst schlimmen Umständen zu sterben. Der EGMR erkannte schließlich, dass unter diesen außergewöhnlichen Umständen eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK zu werten sei:

 

Der EGMR sah somit die unmenschliche Behandlung in diesem Fall nicht bloß in der Krankheit des Beschwerdeführers, sondern in den besonderen Umständen, mit denen der Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung konfrontiert wäre, nämlich im Risiko eines Todes unter qualvollen Umständen.

 

Im Fall Bensaid (EGMR 6.2.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001, 26), einer an Schizophrenie erkrankten Person, sah der EGMR in der Abschiebung nach Algerien keine Verletzung in Art. 3 EMRK. Er bestätigte zwar die Ernsthaftigkeit des Krankheitszustandes, erklärte jedoch, dass die Möglichkeit einer Behandlung in Algerien grundsätzlich gegeben sei. Die Tatsache, dass die Umstände der Behandlung in Algerien weniger günstig seien, als im Vereinigten Königreich, sei im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht entscheidend. Weiters sah der EGMR diesen Fall nicht mit dem unter Pkt. 2.1 dargestellten Fall D. v. the United Kingdom vergleichbar. Der EGMR stellte auf die "hohe Schwelle" des Art. 3 EMRK ab, wenn die Zufügung von Leid nicht in die direkte Verantwortung eines Vertragsstaates falle:

 

Ebenso wenig erkannte der EGMR im Fall Ndangoya (EGMR 22.6.2004, Appl. 17.868/03) eine Verletzung in Art. 3 EMRK durch die Abschiebung einer mit HIV infizierten, noch nicht an Aids erkrankten Person. Der EGMR stellte fest, dass AIDS ohne Behandlung in etwa ein bis zwei Jahren ausbrechen dürfte, dass aber eine medizinische Behandlung im Herkunftsland (Tanzania) möglich sei. Dann fährt der EGMR fort:

 

Dem Fall Salkic and others (EGMR 29.6.2004, Appl. 7702/04) lag ein Sachverhalt zu Grunde, nach dem den Eltern nach ihrer Einreise in Schweden im Jahr 2002 ein posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert wurde und ein Gutachten dem 14 Jahre alten Sohn und der 8 Jahre alten Tochter ein sehr schweres Trauma attestierte. Der EGMR sah in der Abschiebung der Familie unter Verweis auf den o.a. Fall D. v. the United Kingdom keine Verletzung in Art. 3 EMRK. Der EGMR merkte dazu an:

 

Auch im Fall Ovdienko (EGMR 31.5.2005, Appl. 1383/04) lag nach der Entscheidung des EGMR keine Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Zurückschiebung einer an einem posttraumatischen Stresssyndrom und an Depressionen leidenden Person vor. Diese hatte sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden und wurde teilweise in einer geschlossenen psychiatrischen Krankenanstalt behandelt. Der EGMR begründete seine Entscheidung neuerlich damit, dass der Beschwerdeführer nicht an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium leide und verwies auf seine Entscheidung im Fall D. v. the United Kingdom:

 

Auch im Fall Hukic (EGMR 29.9.2005, Appl. 17.416/05) sah der EGMR die Abschiebung einer am Down-Syndrom leidenden Person nicht als Verletzung von Art. 3 EMRK. Er führte aus, dass es in Bosnien-Herzegowina Behandlungsmöglichkeiten gebe. Selbst wenn diese nicht denselben Standard wie in Schweden aufwiesen, nicht so leicht zu erhalten und kostenintensiver seien, würde eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen:

 

Im Fall Ayegh (EGMR 7.11.2006, Appl. 4701/05) drohte einem Beschwerdeführer, dem in zwei Gutachten eine schwere Traumatisierung, Depressionen, Angstzustände und die Gefahr, Selbstmord zu begehen, attestiert wurden, die Abschiebung in den Iran. Der EGMR begründete seine Entscheidung, die Beschwerde für unzulässig zu erklären, damit, dass schlechtere Behandlungsmöglichkeiten im Iran kein Abschiebehindernis seien und dass auch die Selbstmorddrohung für den Fall der Ausweisung den Staat nicht daran hindere, die Abschiebung zu vollziehen, vorausgesetzt, dass konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des angedrohten Selbstmordes vom Staat ergriffen werden:

 

Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Russland im Fall Goncharova & Alekseytsev (EGMR 3.5.2007, Appl. 31.246/06) erkannte der EGMR nicht als Verletzung in Art. 3 EMRK, obwohl der Zweitbeschwerdeführer schwer psychisch krank war, bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich und gedroht hatte, sich im Falle der Abschiebung umzubringen. Der EGMR begründete seine Entscheidung erneut - unter Zitierung der Entscheidung D. v. United Kingdom - damit, dass nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Art. 3 EMRK verletzt sein könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei jedoch nicht in einer geschlossenen Anstalt gewesen und habe auch nicht ständigen Kontakt mit einem Psychiater gehabt. Auch die Drohung, im Falle der Abschiebung Selbstmord zu begehen, hindere den Vertragsstaat nicht daran, die Abschiebung zu veranlassen. Hiezu führt der EGMR aus:

 

II.8. Zusammenfassend ergibt sich aus den erwähnten Entscheidungen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Pkt. 2.3 Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom)."

 

Im Lichte dieser Judikatur kann ein Abschiebungshindernis aufgrund der vorliegenden psychischen Probleme des Asylwerbers nicht erkannt werden, zumal es sich dabei nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung iSd oben zitierten Judikatur handelt.

 

II.9. Da die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 iVm. § 41a AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.03.2011 rechtmäßig.

Schlagworte
Abschiebungshindernis, EMRK, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, psychische Störung
Zuletzt aktualisiert am
05.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten