TE OGH 2009/2/25 3Ob281/08g

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Veröffentlicht am 25.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angelo P*****, vertreten durch Dr. Günther Niebauer und Dr. Karl-Hans Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wolfgang K*****, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Christoph N*****, vertreten durch Mag. Peter Riedel, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 24 Cg 216/00x des Landesgerichts Klagenfurt, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2008, GZ 3 R 130/08z-34, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. August 2008, GZ 24 Cg 100/07y-24, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass nicht nur die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen wird, sondern weiters das Urteil des Erstgerichts und das von diesem geführte Verfahren als nichtig aufgehoben werden.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 62,28 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 62,28 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen..

Text

Begründung:

Im Dezember 1999 erlitt der damals neunjährige Kläger während eines vom Beklagten veranstalteten Snowboardkurses einen Bruch des linken Oberschenkels.

Das Erstgericht des Vorprozesses verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 7.267,28 EUR sA an Schmerzengeld, wies aber das Mehrbegehren von 3.633,64 EUR sA und das Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Unfallfolgen mit der Begründung ab, es sei gewiss, dass im Zuge des künftigen noch zu erwartenden Wachstums die beim Kläger vorhandene unfallkausale Beinlängendifferenz zu keinen „Kreuzschmerzen" führen werde. Der Kläger ließ die Abweisung des Feststellungsbegehrens unangefochten. Der Feststellung des Erstgerichts lag das Sachverständigengutachten des Nebenintervenienten zu Grunde, welcher ausführte, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass sich die Beinlänge im Zuge des zukünftigen noch zu erwartenden Wachstums so angleiche, dass die Wirbelsäule so gerade sein werde, dass sie nicht Ursache für Kreuzschmerzen werde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde kein funktionell wirksamer Dauerschaden bleiben.

Der Kläger begehrte die Wiederaufnahme des Hauptverfahrens im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens. Die noch immer vorhandene Beinlängendifferenz verursache Beschwerden. Entgegen den Gutachtensannahmen des Nebenintervenienten hätten sich nach Abschluss des Wachstums Spät- und Dauerfolgen gezeigt, die ihre Ursache in den Unfallverletzungen hätten. Vom Ursachenzusammenhang zwischen seinen Beschwerden und den Unfallverletzungen habe er erst im Juni 2007 anlässlich seiner Stellung beim Militärkommando erfahren. Da seine Wachstumsphase erst jetzt abgeschlossen sei, habe das im Hauptverfahren erstattete Gutachten auf unvollständigen Grundlagen beruht, zumal er bei der Befundaufnahme erst zwölf Jahre alt gewesen sei und der Wachstumsprozess bis ins Alter von siebzehn oder achtzehn Jahren fortgedauert habe.

Der Beklagte verneinte das Vorliegen unfallbedingter Dauer- und Spätfolgen. Selbst wenn sich entgegen den ursprünglichen Gutachtensannahmen Dauerfolgen eingestellt hätten, sei diese Tatsache kein Wiederaufnahmsgrund.

Das Erstgericht bewilligte die Wiederaufnahme des Verfahrens, hob das Urteil des Vorprozesses auf und behielt sich die Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren vor. Der Arztbrief vom Juni 2007 sei ein Beweismittel, das sich auf eine Tatsache bezöge, die bereits früher vorhanden gewesen wäre; der Kläger sei ohne sein Verschulden außer Stande gewesen, sich schon im Vorprozess darauf zu beziehen. Das Berufungsgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Der Kläger beziehe sich in seinem Vorbringen auf die Tatsache, seine Wachstumsphase sei abgeschlossen, und auf die nun entdeckten, in einem Arztbrief bestätigten Tatsachen. Ein nachträglich beigebrachtes ärztliches Gutachten sei keine neue Tatsache im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt gewesen sei. Die später hervorgekommenen Tatumstände, welche die Unrichtigkeit eines eingeholten Gutachtens oder aber die mangelnde Eignung eines beigezogenen Sachverständigen indizierten, seien für sich allein kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund. Dem Kläger gehe es nach dem Inhalt des Klagebegehrens ausschließlich darum, eine Korrektur der Prognose des einst im Hauptverfahren befassten Sachverständigen durchzusetzen. Das Erstgericht hätte die Wiederaufnahmsklage bereits im Vorprüfungsverfahren mit Urteil zurückweisen müssen, zumal die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Wiederaufnahmsklage fehlten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers, mit dem er die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils anstrebt, ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet der Höhe des Streitgegenstands zulässig (RIS-Justiz RS0043886), aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Wiederaufnahmsklage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt wird, zutreffend verneint. Es kann daher insoweit auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Weder der mangelnden fachlichen Eignung eines Sachverständigen noch der Tatsache, dass ein neues, dem im Vorprozess abgegebenen Gutachten widersprechendes Gutachten vorliegt, kommt für sich allein das Gewicht eines Wiederaufnahmsgrunds zu (zuletzt etwa 3 Ob 194/08p; RIS-Justiz RS0044555, RS0044834).

Ausnahmen bestehen von diesem Grundsatz nur insoweit, als eine neue wissenschaftliche Methode Anwendung finden kann - was hier nicht behauptet wurde - oder das Gutachten im Verfahren, dessen Wiederaufnahme angestrebt wird, auf einer unzulänglichen Grundlage beruhte, etwa weil eine behauptete Zwischenerhebung nicht durchgeführt wurde oder die damaligen Befundgrundlagen unrichtig waren (10 ObS 169/03f = SZ 2003/76; 10 ObS 91/87 ua). Derartige Umstände behauptet der Kläger aber nicht. Wie der im wiederaufzunehmenden Verfahren beigezogene Sachverständige auf einen etwa fünf Jahre später erhobenen Befund Bezug nehmen hätte können, ist nicht nachvollziehbar.

Das Berufungsgericht hat die Wiederaufnahmsklage daher zu Recht gemäß § 538 ZPO zurückgewiesen, weshalb dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben muss.

Das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzung für das Wiederaufnahmeverfahren führt zur Nichtigkeit des Verfahrens und der Entscheidung, sodass nicht nur das erstgerichtliche Urteil sondern auch das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben sind (RIS-Justiz RS0111400). Dies war aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels des Klägers von Amts wegen wahrzunehmen. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung des Nebenintervenienten beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E901533Ob281.08g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00281.08G.0225.000

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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