TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/28 A1 246698-5/2008

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Veröffentlicht am 28.07.2008
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Spruch

A1 246.698-5/2008/9E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Ines Csucker über die Beschwerde der O.B., geb. 00.00.1986, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.2.2006, GZ. 05 05.065-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 idF BGBl Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Die beschwerdeführende Partei hat am 12.04.2005 beim Bundesasylamt einen zweiten Antrag gemäß § 3 AsylG eingebracht - den ersten Asylantrag stellte die beschwerdeführende Partei am 10.10.2003.

 

Bei der erstinstanzlich-niederschriftlichen Einvernahme am 14.10.2003 im Zuge des vonseiten der beschwerdeführenden Partei mit Antrag vom 10.10.2003 initiierten Asylverfahrens gab diese entscheidungswesentlich an:

 

"Vor vielen Jahren ist meine Mutter schwanger geworden. Ich habe meinen Vater nie gekannt. Ich kann nicht sagen, vor wie vielen Jahren das gewesen ist. Der Bruder meines Vaters hat mir erzählt, dass mein Vater Nigeria verlassen musste, weil er ein Problem mit seiner Familie gehabt hat. Seine Familie wollte ein Messer benutzen, um ihm den Kopf abzuschneiden. Dabei ist er verletzt worden und hat über den Augen eine Narbe. Mein Vater ist aus Nigeria davongelaufen und ist nach Österreich gelaufen. Das hat mir mein Onkel erzählt.

 

......

 

F: Was ist dann weiter passiert?

 

A: Ich bin beim Bruder meines Vaters in Nigeria aufgewachsen. Ich bin nach Österreich gekommen, um meinen Vater hier zu suchen. Mein Vater hat angeblich in Österreich eine Frau geheiratet und hat hier ein Kind mit dieser Frau.

 

F: Ist das alles?

 

A: Nein, ich habe in Nigeria zwei Brüder, ich meine zwei Schwestern.

 

F: Ist das alles, weswegen Sie Nigeria verlassen haben?

 

A: Ja, das ist der Grund, weshalb ich Nigeria verlassen habe. Eine Österreicherin hat meinem Vater einen Sohn geboren und ich möchte hier in Österreich meinen Vater suchen.

 

F: Ist das der Grund gewesen, weshalb Sie Nigeria verlassen haben?

 

A: Ja.

 

F: Sind Sie jemals in Haft gewesen oder festgenommen worden?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie jemals Probleme mit den Behörden oder der Polizei von Nigeria gehabt?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie jemals auf Grund Ihrer Rasse Verfolgungen ausgesetzt gewesen?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie jemals auf Grund Ihrer Religion Verfolgungen ausgesetzt gewesen?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie jemals auf Grund Ihrer Nationalität Verfolgungen ausgesetzt gewesen?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie in Nigeria jemals Probleme gehabt, weil Sie eine Frau sind?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei gewesen?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie jemals auf Grund Ihrer politischen Gesinnung Verfolgungen ausgesetzt gewesen?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie jemals wegen sonstiger Gründe Verfolgungen ausgesetzt gewesen?

 

A: Nein.

 

....

 

F: Wie ist der Name Ihres Vaters?

 

A: Mein Vater heißt O.C. und er ist am 00.00.1957 geboren.

 

F: Wissen Sie, wo Ihr Vater in Österreich lebt?

 

A: Das weiß ich nicht.

 

F: Haben Sie mit Ihrem Vater in den letzten Jahren jemals Kontakt gehabt?

 

A: Nein, ich habe nie Kontakt mit ihm gehabt.

 

F: Warum sind Sie gerade jetzt auf die Idee gekommen, Ihren Vater in Österreich zu suchen?

 

A: Ich bin immer wieder von meinen Freunden gehänselt worden. Sie haben immer wieder gesagt, du kennst deinen Vater nicht. Deshalb habe ich mich jetzt entschlossen, meinen Vater zu suchen.

 

......

 

F: Was glauben Sie wird Ihnen in Nigeria im Falle einer Rückkehr passieren?

 

A: Meine Freunde würden im Falle einer Rückkehr nach Nigeria über mich lachen, wenn ich meinen Vater nicht finden würde."

 

Im Zuge einer weiteren Einvernahme im Rahmen des ersten Asylverfahrens, zu der die beschwerdeführende Partei mit ihrem Vater erschien, gab sie am 4.6.2004, entscheidungswesentlich an:

 

"F: Worin liegt der Grund, weshalb Sie im Oktober 2003 von Nigeria nach Österreich gekommen ist und hier einen Asylantrag gestellt haben?

 

A: Ich bin nach Österreich gekommen, um meinen Vater zu suchen und meinen Vater zu sehen.

 

F: Gibt es noch einen anderen Grund, weshalb Sie im Oktober 2003 Nigeria verlassen haben?

 

A: Nein.

 

F: Gibt es vielleicht doch noch einen Grund, den Sie bisher noch nicht genannt haben, der Sie bewogen hat, Nigeria zu verlassen?

 

A: Mein einziger Grund, weshalb ich Nigeria verlassen habe, ist der, dass ich meinen Vater sehen möchte. Ich habe gewusst, dass mein Vater sich in Österreich aufhält und wollte ihn hier suchen.

 

.....

 

Fragen an den Vater der AW:

 

F: Hat Ihnen Ihre Tochter erzählt, weshalb sie Nigeria verlassen hat?

 

A: Sie hat mir gesagt, dass sie mich unbedingt sehen wollte.

 

F: Hat sie sonst noch etwas über den Grund Ihrer Ausreise aus Nigeria erzählt?

 

A: Nein, sie wollte mich in Österreich suchen."

 

Fortsetzung der Einvernahme der AW:

 

"F: Haben Sie Geschwister oder Verwandte in Nigeria?

 

A: Meine beiden Schwestern leben in Nigeria.

 

F: Haben Sie zurzeit Kontakt zu Ihren beiden Schwestern in Nigeria?

 

A: Ja. (Anmerkung: AW lächelt.)

 

F: Haben Sie mit Ihren beiden Schwestern in Nigeria zusammengelebt?

 

A: Ja.

 

F: Wovon haben Sie in Nigeria gelebt?

 

A: Der Bruder meines Vaters hat für mich gesorgt.

 

...

 

F: Gibt es einen frauenspezifischen Grund, weshalb Sie Nigeria verlassen haben? (Anmerkung: Der Asylwerberin wird erklärt, was ein frauenspezifischer Grund sein könnte.)

 

A: Nein.

 

F: Hätten Sie in Nigeria zwangsverheiratet werden sollen?

 

A: Nein.

 

F: Hätten Sie in Nigeria irgendjemand heiraten sollen?

 

A: Nein.

 

F: Hätte Ihnen in Nigeria eine Beschneidung gedroht?

 

A: Nein. (Anmerkung: Asylwerberin lacht und fragt, warum an sie solche Fragen gestellt werden.)

 

Fortsetzung der Einvernahme durch den Einvernahmeleiter:

 

F: Was glauben Sie, wird Ihnen in Nigeria, im Falle einer Rückkehr passieren?

 

A: Ich habe meinen Vater gefunden und möchte bei meinem Vater in Österreich bleiben. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria, würden meine Freunde in der Schule, wieder über mich lachen. Sie würden wieder sagen, ich hätte keinen Vater und ich hätte meinen Vater in Österreich nicht gefunden.

 

...

 

F: Haben Sie alle Gründe vorgebracht, die Sie bewogen haben, Nigeria zu verlassen?

 

A: Ja."

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.04.2005 im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens gab die beschwerdeführende Partei unter anderem Folgendes an:

 

....

 

F: Hat sich an Ihren persönlichen Daten etwas geändert?

 

A: Nein.

 

V: Sie haben bereits am 10.10.2003 einen Asylantrag unter der Zahl 03 31.031 gestellt, dieser endete mit einer rechtskräftigen Ausweisung am 17.09.2004. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag, hat sich an Ihren Asylgründen etwas geändert?

 

A: Mein Vater ist nunmehr hier in Österreich, er sagte mir, dass er für mich ein Visum besorgt, jedoch ist er nun krank und kann mir nicht helfen. Das ist der Grund für meinen Asylantrag.

 

F: Wollen Sie noch etwas zu Ihrem Asylantrag ergänzen?

 

A: Nein, ich habe schon einmal alles angegeben.

 

F: Hat sich bei Ihren Asylgründen seit Ihrem ersten Antrag etwas geändert?

 

A: Nein, ich bleibe bei all meinen bisher gemachten Angaben.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18.04.2005 gab die beschwerdeführende Partei Folgendes an:

 

.....

 

Erklärung: Sie wurden bei der ersten Einvernahme über die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes in Kenntnis gesetzt. Es wurde Ihnen mitgeteilt, dass seitens des Bundesasylamtes die Absicht besteht, Ihren Asylantrag zurückzuweisen. Sie haben nun die Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu beziehen.

 

A: Mein Vater, namens O.C., lebt in Wien. Er gab an, für mich alles zu erledigen, jedoch ist er nun nicht mehr in Österreich, weil er schwer krank nach Nigeria zurückgekehrt ist, um einen Wunderheiler aufzusuchen. Mein Vater hat vor Jahren eine Österreicherin geheiratet und ist glaublich ein Österreicher mit österreichischem Pass.

 

F: Wann kommt Ihr Vater wieder nach Österreich?

 

A: Das weiß ich nicht, aber ich glaube, er kommt sicher wieder nach Österreich."

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.02.2006 brachte die Beschwerdeführerin folgendes vor:

 

.....

 

Nach dem Grund der Asylantragstellung befragt, gebe ich an:

 

"F: Sind Ihre Angaben zum Ausreisegrund (Anmerkung: Der Asylwerberin werden die Angaben zum Ausreisegrund vom Einvernahmeleiter im Wesentlichen wiedergegeben.), die Sie anlässlich der Einvernahmen vom 14.10.2003 und 04.06.2004 machten, vollständig und wahrheitsgemäß?

 

A: Ja.

 

F: Haben sich Ihre Gründe geändert?

 

A: Nein. Ich kam nach Österreich, um meinen Vater zu suchen. In Nigeria hatte ich keine Probleme.

 

F: War das der Grund der Asylantragstellung?

 

A: Ja.

 

F: Wollen Sie Ihre Angaben näher ausführen?

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie in Nigeria jemals in Haft oder wurden Sie jemals festgenommen?

 

A: Nein.

 

F: Hatten Sie in Nigeria jemals Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

 

A: Nein.

 

F: Wurden Sie in Nigeria jemals aus religiösen Gründen verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?

 

A: Nein.

 

F: Wurden Sie in Nigeria jemals wegen Ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie in Nigeria bis zur Ausreise konkreten Verfolgungen aufgrund Ihrer Rasse, Nationalität oder aus sonstigen Gründen ausgesetzt?

 

A: Nein.

 

F: Was befürchten Sie, im Falle der Rückkehr in Nigeria erleiden zu müssen?

 

A: Ich möchte nicht nach Nigeria zurück.

 

F: Gibt es ein Problem, das Sie nur einer Frau erzählen möchten?

 

A: Nein.

 

F: Brachten Sie alle Gründe, auf die sich Ihr Asylantrag stützt, vor?

 

A: Ja."

 

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid, Zahl: 05 05.065-BAE, vom 15.2.2006 ab, stellte die Abschiebungszulässigkeit nach Nigeria fest und wies die Beschwerdeführerin aus Österreich nach Nigeria aus. Es traf zur Person folgende entscheidungswesentliche Sachverhaltsfeststellungen:

 

Die Identität der ASt. steht fest. Die Nationalität der ASt. steht nicht fest.

 

...

 

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die Antragsstellerin in Nigeria einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war.

 

Zur Kernfamilie der ASt. gehört deren Tochter (Aktenzahl: 05 05.066-BAE).

 

Zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria wurde folgender

Sachverhalt festgestellt:

 

Politische Lage: Nigeria (Langform: Federal Republic of Nigeria) ist eine Föderation, die aus 36 Bundesstaaten (States: Abia, Adamawa, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Benue, Borno, Cross River, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Gombe, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kebbi, Kogi, Kwara, Lagos, Nassarawa, Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Plateau, Rivers, Sokoto, Taraba, Yobe, Zamfara) sowie dem Bundesterritorium (Federal Capital Territory) Abuja besteht. Am 12.12.1991 wurde die Hauptstadt offiziell von Lagos nach Abuja verlegt. Lagos ist jedoch weiterhin wirtschaftliches Zentrum. Unterhalb der Ebene der Bundesstaaten gibt es 774 kommunale Verwaltungseinheiten (vergleichbar den deutschen Landkreisen). In der Vergangenheit, besonders zu Zeiten der Militärregierung, wurden viele Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zu Lasten der Bundesstaaten zentralisiert. Föderale Verfassungs-elemente wurden geschwächt. Die jetzige Verfassung wurde von der Übergangsregierung unter General Abubakar ausgearbeitet und trat am 29.05.1999 in Kraft. Sie sieht (nach US-Vorbild) ein präsidiales System mit einem starken Exekutivpräsidenten vor, der gleichzeitig als Regierungschef das Kabinett (Federal Executive Council) leitet. Der Exekutive steht eine aus zwei Kammern gebildete Nationalversammlung als Legislative gegenüber, die sich aus Senat und Abgeordnetenhaus zusammensetzt. Jeder der 36 Bundesstaaten verfügt über eine Regierung unter Leitung des Gouverneurs sowie ein Landesparlament. Der Präsident Olusegun Obasanjo ist seit 29.05.1999 Staatsoberhaupt und Regierungschef. Besonders in den südlichen Landesteilen, aber nicht nur dort, wird die Verfassung als zu zentralistisch und vom Militär aufoktroyiert empfunden. Vor diesem Hintergrund gibt es eine breite Verfassungsreformdebatte. Eine besondere Rolle spielt die Debatte um eine Rotation des Präsidenten und anderer wichtiger Ämter unter verschiedenen Regionen des Landes. Nach jahrelangen Forderungen aus der Zivilgesellschaft und gegen ursprüngliche Vorbehalte eröffnete Präsident Obasanjo am 21.02.2005 eine Nationale Politische Reformkonferenz, die innerhalb von drei Monaten über eine Neuordnung staatlicher Strukturen in Nigeria debattieren und den Entwurf einer reformierten Verfassung vorlegen soll.

 

Parteien und Wahlen: Im Bundesparlament sind seit den letzten Wahlen vom April 2003 sechs Parteien vertreten. Die Mehrheitsfraktion wird von der People's Democratic Party (PDP) gestellt, der auch Präsident Obasanjo angehört. Die Oppositionsparteien sind die All Nigeria People's Party (ANPP) sowie die besonders im Südwesten des Landes vertretene Alliance for Democracy (AD), darüberhinaus seit 2003 die All Progressive Grand Alliance (APGA), die National Democratic Party (NDP) und die United Nigeria People's Party (UNPP). Für die Wahlen im April/Mai 2003 wurden 24 weitere Parteien zugelassen, um die es allerdings seither still geworden ist. Bei den Präsidentschaftswahlen am 19.04.2003 wurde Staatspräsident Obasanjo wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 70 Prozent.

Wahlergebnis: Olusegun OBASANJO (PDP) 61,9 %, Muhammadu BUHARI (ANPP) 31,2 %, Chukwuemeka Odumegwu OJUKWU (APGA) 3,3 %, andere 3,6%. Die nächsten Präsidentschaftswahlen sind für 2007 vorgesehen. Die Nationalversammlung (National Assembly) besteht aus dem Senat mit 109 Sitzen (3 Vertreter aus jedem State, sowie ein Vertreter aus Abuja) und dem Repräsentantenhaus (House of Representatives) mit 346 Sitzen. Die letzten Wahlen zu Senat und Repräsentantenhaus fanden am 12.04.2003 statt, die nächsten sind für 2007 vorgesehen.

Wahlergebnisse: Senat: PDP 53,7 %, ANPP 27,9 %, AD 9,7%. Das ergibt in Sitzen: PDP 76, ANPP 27, AD 6. Repräsentantenhaus: PDP 54,5 %, ANPP 27,4 %, AD 8,8 %, andere 9,3 %. Das ergibt in Sitzen: PDP 223, ANPP 96, AD 34, andere 6; ein Sitz ist frei. In den Bundesstaaten stellt die PDP 28 Gouverneure. Die ANPP stellt sieben Gouverneure im Norden des Landes. Der AD gehört nur der Gouverneur von Lagos an. Bei den Ende März 2004 landesweit durchgeführten Kommunalwahlen wurde zumeist die Partei bestätigt, die in jeweiligem Landesparlament die Mehrheit hat.

 

Präsident Obasanjo verfolgt einen Reformkurs, der auf Einführung und Stärkung von "good governance", Korruptionsbekämpfung, Festigung ziviler Strukturen, Reform der Armee, Aufarbeitung der Vergangenheit, Wiederbelebung der Wirtschaft und Armutsbekämpfung ausgerichtet ist. Mit diesem Ziel wurde auch im Juli 2003 nach den Wahlen das Kabinett neu gebildet, u.a. mit Berufung von Frau Okonjo-Iweala (ehemals Weltbank) als Finanzministerin, die für einen konsequenten Wirtschaftsreformkurs steht und dabei auch schon einige Erfolge erzielen konnte. Reichtum und Problem für Nigeria zugleich ist die komplexe ethnische, linguistische und religiöse Struktur des Landes. Neben den drei großen ethnischen Gruppen - Hausa/Fulani im Norden, Yoruba im Südwesten und Ibo im Osten - gibt es etwa 400 Minderheiten, die das politische Gewicht der drei großen Völker oft als Dominanz empfinden. Im größten Teil der noch kurzen Geschichte Nigerias lag die politische Macht in den Händen des Nordens, wodurch sich insbesondere Yoruba und Ibo benachteiligt fühlten. Nach Amtsantritt von Präsident Obasanjo, einem Yoruba, gibt es nun auch Marginalisierungsvorwürfe aus dem Norden. Verstärkt werden die ethnischen Gegensätze des Landes durch eine Nord-Süd-Teilung in Moslems (vor allem im Norden) und Christen (vor allem im Süden). Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen großen, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten oft als moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein.

 

Kampf der Korruption: Korruption ist ein weit verbreitetes Phänomen in Nigeria. Das Problem als solches ist hinlänglich bekannt und hat mittlerweile zu massiven Gegenmaßnahmen durch den Staat geführt. So wurden zum Beispiel 24 korrupte Polizeibeamte in Lagos vom Dienst suspendiert und in Haft genommen. Bereits Mitte 2003 wurden dort gegen 36 Polizeibeamte in derselben Weise vorgegangen - Bericht im THE GUARDIAN (http://www.ngrguardiannews.com/) vom 13.01.2004.

Andere Beispiele finden sich zum Beispiel: BBC World News -Bericht vom 13.04.2005 über Anklage des ehemaligen Bildungsministers, des ehemaligen Senatspräsidenten und fünf weiterer Parlamentsmitglieder wegen Betrugs - Originaltitel: "Fraud trial for Nigeria officials"

Der Präsident entließ aus demselben Grund auch den Wohnungsminister und der ehemalige Chef der Polizei kam wegen Korruptionsverdacht vor Gericht. (NAD 06.04.2005); andere Berichte zum selben Thema sind zum Beispiel: BBC-Bericht vom 7.10.2004 über Obasanjos Kampf gegen die Korruption im eigenen Land, Orignaltitel: Analysis: Obasanjo's thankless task; http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/africa/3724520.stm;

BBC-Bericht vom 5.4.2005: Nigerian speaker falls over graft;

http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/4412135.stm. Zu Zeiten der Militärdiktatur veruntreutes und aus dem Land geschafftes Geld fließt nun wieder zurück. Die Schweiz wird Nigeria 458 Millionen Dollar aus dem Vermögen des ehemaligen Diktators Abacha, das sich auf Schweizer Banken befindet, zurückerstatten. Nigeria verpflichtet sich, das Geld für Entwicklungsprojekte wie den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Strassen zu verwenden. (Netzwerk Afrika Deutschland, NAD-Bericht vom 17.02.2005, Abfrage BAG 18.07.2005 - http://www.netzwerk-afrika-deutschland.de/laender/nigeria/info/index.shtml)

Militär: Es gibt keinen verpflichtenden Wehrdienst, ab 18 kann man sich für den "voluntary military service" melden.

 

Menschenrechte: Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt der Zivilregierung erheblich verbessert. Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, die auch in der Verfassung als einklagbar verankert sind. Schwierig bleiben allerdings die Rahmenbedingungen wie Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes. Hinzu kommen "alte Gewohnheiten" der Sicherheitskräfte aus langen Jahren der Militärdiktaturen, die Ausübung und Wahrnehmung der Menschenrechte beeinträchtigen. Die Oputa-Untersuchungskommission (Human Rights Violations Investigation Commission) ist mit der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen zwischen 1966 und1999 betraut. Die Kommission hatte keine rechtsprechende Gewalt, sondern konnte nur Empfehlungen aussprechen. Ein Abschlussbericht der Kommission mit Empfehlungen soll existieren, wird aber nicht veröffentlicht (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria vom 29.03.2005, Az.: 508-516.80/3 NGA).

 

Das Bundesasylamt würdigte den festgestellten Sachverhalt folgendermaßen:

 

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung wurden die beim Bundesasylamt aufgenommenen Niederschriften vom 14.10.2003, 04.06.2004, 14.04.2005, 18.04.2005 und 09.02.2006 herangezogen (Aktenzahlen: 03 31.031-BAE und 05 05.065-BAE).

 

Was die Feststellung zur Identität betrifft, so ist anzumerken, dass zwar kein amtlicher Identitätsnachweis, jedoch eine Urkunde amtlichen Charakters vorgelegt wurde (Geburtsurkunde), die zumindest einen Hinweis auf die Identität der ASt. geben kann. Die erkennende Behörde geht sohin im Zweifel davon aus, dass die Angaben zur Identität zutreffend sind.

 

......

 

Die ASt. gab an, Nigeria verlassen zu haben, um in Österreich den Vater zu suchen.

 

Rechtlich führte das Bundesasylamt - zunächst an falscher Stelle, nämlich unter der Rubrik Beweiswürdigung - aus:

 

"Bezüglich des Vorbringens ist festzuhalten, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) findet, weil aus den Angaben der ASt keine konkret gegen die ASt gerichteten, staatlichen bzw. quasi-staatlichen Verfolgungen aus asylrechtsrelevanten Gründen - Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder in der politischen Überzeugung bzw. Gesinnung - ableitbar war. Die ASt machte vielmehr und generell durch die von ihr vorgebrachten Sachverhalt deutlich, dass der Grund, der zum Verlassen des Herkunftsstaates führte, ausschließlich in anderen Motiven - die Suche nach dem in Österreich lebenden Vater - lag.

 

Das Vorbringen ist daher nicht geeignet, eine Asylgewährung zu begründen. ...

 

Im Rahmen der eigentlichen rechtlichen Beurteilung führte das Bundesasylamt dann noch nach Zitierung der entsprechenden Bestimmungen des § 7 AsylG und des Art. 1 Abschnitt AZ der GFK aus, dass "der von der Antragsstellerin vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsummierung unter dem Tatbestand des § 7 AsylG 1997 biete".

 

In Bezug auf Spruchpunkt III. führte das Bundesasylamt hinsichtlich der Beziehung zum Vater, der österreichischer Staatsbürger ist, an, dass "kein Familienbezug (Kernfamilie; Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragsstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten) zu einem dauernden Aufenthalt eines asylberechtigten Fremden in Österreich vorliege" und verneinte den Eingriff in Art. 8 EMRK.

 

:

 

Über die fristgerecht erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:

 

Das Bundesasylamt hat - bezogen auf Spruchpunkt I. und II. - ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des erstinstanzlich angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage richtig, klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und er erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Die Berufungsausführungen sind nicht geeignet zu einem anders lautenden Ergebnis zu gelangen:

 

Die beschwerdeführende Partei rügt in der Beschwerde in Bezug auf die Feststellungen zur Menschenrechtssituation und politischen Lage in Nigeria, das diese "aus einem sehr zweckoptimistischen Blickwinkel gefällt worden seien" und bringt unter Zitierung aus dem "Akkord- Länderbericht Nigeria September 2002" die Gewalt im Vorfeld der Gemeinderatswahlen 2002 sowie die Unruhen in Nigerias Ölgebiet zur damaligen Zeit vor.

 

Diese Rüge geht in zweierlei Hinsicht ins Leere:

 

Das Bundesasylamt brachte wesentlich aktuelleres Länderdokumentationsmaterial in Verwendung, als den Beschwerdeausführungen zu Grunde gelegt wurde. Während sich die Beschwerdeführerin auf einen Länderbericht Nigerias vom September 2002 bezieht, basierten die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen auf aktuellerem Länderdokumentationsmaterial, welches bis ins Jahr 2005 datiert. Dabei wurde umfassend die Entwicklung der politischen Lage - eben auch nach den Gemeinderatswahlen 2003 und den Präsidentschaftswahlen 2003 einer Analyse unterzogen.

 

Die Entwicklung in Nigeria hat bei allen Schwächen des politischen Systems eine wesentlich positivere Entwicklung genommen als in der Beschwerde, abstellend auf den September 2002, aufzuzeigen versucht wurde.

 

Selbst aber bei Zugrundelegung der entsprechenden Beschwerdeführerausführungen, die Situation in Nigeria betreffend, ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, hatte sie weder bei ihren erstinstanzlichen Einvernahmen noch in der Beschwerde irgendeinen Zusammenhang zwischen allfälligen politischen Spannungen im Herkunftsstaat und ihrer individuellen konkreten Situation hergestellt. Die Beschwerdeführerin verneinte sogar bei allen mit ihr vorgenommen Einvernahmen die entsprechende Frage, ob sie jemals Probleme mit den Behörden oder der Polizei von Nigeria gehabt hätte, ob sie jemals aus irgendeinem Grund Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, ob sie inhaftiert gewesen sei, ob sie sich politisch betätigt habe und ob sie in ihrer Eigenschaft als Frau Probleme gehabt hätte.

 

Einzig und allein die Suche nach dem leiblichen Vater - und dies wiederholte die Beschwerdeführerin bei allen mit ihr vorgenommenen Einvernahmen geradezu gebetsmühlenartig - war der Grund für das Verlassen Nigerias.

 

In diesem Sinne geht dann auch die auf offensichtlich von NGO-s immer wieder in Verwendung gebrachten und auf Textbausteinen beruhenden Ausführungen der Beschwerdeführerin "ich hätte nie meine geliebte Heimat verlassen, in der ich aufgewachsen bin, in der meine Verwandten und Freunde wohnen, in der ich mich in meiner Sprache verständigen kann, ich hätte nie all die Mühen und langen beschwerlichen und gefährlichen Flucht in ein komplett fremdes Land, tausende Kilometer entfernt von meinem Herkunftsland entfernt, in dem ich niemanden kenne und die Sprache nicht verstehe, auf mich genommen, hätte ich keine Furcht vor Verfolgung, könnte ich auf den Schutz der staatlichen Stellen vertrauen und müsste nicht um mein Leben in meiner Heimat fürchten" ins Leere. Sie erweisen sich aber auch als aktenwidrig, denn die Beschwerdeführerin hat ihr Heimatland Nigeria eben nur deshalb verlassen, um ihren in Österreich lebenden Vater kennen zu lernen.

 

Das gesamte Beschwerdevorbringen weist also keinerlei Zusammenhang mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention auf und hat daher das Bundesasylamt das Asylbegehren richtigerweise gemäß § 7 AsylG verworfen.

 

Die systematisch offensichtlich unrichtig im Zusammenhang mit dem negativen §7 Ausspruch dargestellten und wie sich aus dem Beschwerdewortlaut ergibt, als Abschiebungshindernis gemeinten Beschwerdeausführungen "mein Leben in Afrika mit meinem Kind bzw. bald mit meinen Kindern ist unmöglich, da ich nicht wüsste, wie ich sie ernähren kann, wo wir wohnen sollten, wie ich sie medizinisch versorgen soll" vermögen gleichfalls vor dem Hintergrund der unbekämpft gebliebenen erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht zu greifen:

 

Das Bundesasylamt stellte fest, dass "der Präsident Obasanio einen Reformkurs verfolge, der auf Einführung und Stärkung von Good Governments, Korruptionsbekämpfung, Festigung ziviler Strukturen, Reform der Armee, Wiederbelebung der Wirtschaft und Armutsbekämpfung ausgerichtet ist. Mit diesem Ziel wurde auch im Juli 2003 nach den Wahlen das Kabinett neu gebildet, unter anderem mit Berufung von Frau Okonjo Iwiala (ehemals Weltbank) als Finanzministerin, die für einen konsequenten Wirtschaftsreformkurs steht und dabei auch schon einige Erfolge erzielen konnte. Die Schweiz wird Nigeria 485 Mio. $ aus dem Vermögen des ehemaligen Diktators Abacha, das sich auf schweizer Banken befindet, zurückerstatten. Und verpflichtete sich Nigeria, das Geld für Entwicklungsprojekte wie den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen zu verwenden."

 

Dieser Sachverhaltsfeststellung ist zwar zu entnehmen, dass sich die Rahmenbedingungen in Nigeria schwierig darstellen, daraus jedoch Aussichtslosigkeit im Sinne einer lebensbedrohlichen Situation abzuleiten, wäre nicht stichhältig. Darüber hinaus ist ins Kalkül zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin über ein intaktes soziales Netz verfügt, wie sie selbst angab:

 

"F: Haben Sie Geschwister oder Verwandte in Nigeria?

 

A: Meine beiden Schwestern leben in Nigeria.

 

F: Haben Sie zurzeit Kontakt zu Ihren beiden Schwestern in Nigeria?

 

A: Ja. (Anmerkung: AW lächelt.)

 

F: Haben Sie mit Ihren beiden Schwestern in Nigeria zusammengelebt?

 

A: Ja.

 

F: Wovon haben Sie in Nigeria gelebt?

 

A: Der Bruder meines Vaters hat für mich gesorgt.

 

Ein Abschiebehindernis vermag also auch nicht durch dieses Beschwerdevorbringen getragen zu werden.

 

Im Übrigen verstößt dieses Vorbringen, das offensichtlich nur darauf ausgerichtet ist, Zeit zu gewinnen, gegen das in § 32 AsylG 1997 normierte Neuerungsverbot, ist doch keiner der in Abs1 leg.cit. normierten Tatbestände erfüllt, der als Grundlage für diese erstmals in der Beschwerde getätigte Vorbringen herangezogen werden könnte:

 

Der der Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt hat sich nach der Entscheidung nicht entscheidungsrelevant geändert, das Verfahren ist - wie ausführlich dargestellt - auf keinen Fall mangelhaft, und liefert die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hier Tatsachen angesprochen werden könnten, die der Beschwerdeführerin erst nach der Entscheidung erster Instanz zugänglich waren; auch zeigen alle mit der Beschwerdeführerin durchgeführten Befragungen, dass sie durchaus in der Lage war, dieses Vorbringen bereits in erster Instanz zu erstatten: Geradezu ungezählte Male wurde sie gefragt, ob sie sonst noch etwas vorzubringen hätte, die Niederschriften wurden rückübersetzt und hat die Beschwerdeführerin bei jeder Einvernahme ihre geistige und körperliche Verfassung in einem positiven Licht dargestellt:

 

Die Beschwerdeführerin hat als einzige Befürchtung im Zusammenhalt mit einer Abschiebung nach Nigeria angegeben, von ihren Freunden ausgelacht zu werden, falls sie den Vater nicht finden würde.

 

In keiner der mit durchgeführten Einvernahmen gab die Beschwerdeführerin jemals wirtschaftliche oder sonstige Probleme an, die einer Abschiebung entgegenstehen.

 

Die weiteren Ausführungen "sollte in meine Heimat abgeschoben werden, würde ich Gefahr laufen verhaftet und unmenschliche Behandlung oder Strafen oder gar der Todesstrafe unterworfen zu werden" entbehren nach der Aktenlage jegliche Grundlage und stellen wieder typischerweise von NGOs verwendete Textbausteine dar.

 

Auch in diesem Sinne erweist sich also der Ausspruch des Bundesasylamtes über die Abschiebungszulässigkeit der Beschwerdeführerin nach Nigeria als zu Recht erfolgt.

 

Die Ausführung des Bundesasylamtes im Bezug auf Spruchpunkt III., nämlich die Ausweisung, wurden vom Bund von der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise in Kritik genommen.

 

Im Ergebnis ergibt eine amtswegige Überprüfung des Ausweisungsausspruches durch das Bundesasylamt die Richtigkeit desselben, wobei jedoch Folgendes anzumerken ist:

 

Der Begriff der Kernfamilie im Sinne des § 1 Z6 ist schon vom Wortlaut dieser Bestimmung her im gegenständlichen Fall nicht erfüllt:

 

Der Vater der Beschwerdeführerin ist mittlerweile österreichischer Staatsbürger und sind die Tatbestandsmerkmale "... zum Zeitpunkt der Antragsstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigen - weil ihm bereits österreichische Staatsangehörigkeit vorliegt - nicht erfüllt."

 

Zu prüfen bleibt jedoch, ob im Bezug auf das Verhältnis zum Vater ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben besteht:

 

Grundsätzlich wird der Begriff "Familienleben" von der Judikatur weit verstanden.

 

Auch Beziehungen zwischen einem Elternteil und einem Kind - wie gegenständlich - fallen unter den Begriff "wenn sie tatsächlich und in einer bestimmten Intensität (gemeinsamer Haushalt, Unterhaltsleistungen) gelebt werden". Im gegenständlichen Fall lag jedoch weder in Nigeria noch hier in Österreich ein Naheverhältnis irgendwelcher Natur - zusammenleben, emotionale Beziehung, etc. - vor:

 

Die Beschwerdeführerin hat in Nigeria ihren Vater nicht einmal gekannt, sie wuchs beim Onkel in Nigeria auf und fand den Vater erst hier in Österreich, wobei auch hier wiederum zu bemerken ist, dass in dieser kurzen Zeit offensichtlich auch kein entsprechendes Naheverhältnis aufgebaut wurde, verließ doch der Vater zwischenzeitlich Österreich in Richtung Nigeria um sich dort in die Hände eines Medizinmannes zur entsprechenden Behandlung zu begeben.

 

Finanzielle Abhängigkeiten zwischen den beiden wurden von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.

 

In diesem Sinne war im Bezug auf das Verhältnis zum Vater für die Beschwerdeführerin aus Art. 8 EMRK nichts abzuleiten und erfolgte der Ausspruch der Ausweisung in diesem Zusammenhang seitens des Bundesasylamtes zu Recht.

 

In Bezug auf das Verhältnis zu ihren beiden Kindern, gleichfalls Asyl bzw. internationalen Schutz begehrende beschwerdeführende Parteien ist auszuführen, dass diese gemeinsam mit der beschwerdeführenden Partei, der Mutter, ausgewiesen werden, sodass gleichfalls Art. 8 EMRK nicht schlagend wird.

 

Spruchpunkt III. des Bundesasylamtes stößt also im Ergebnis auf keine Bedenken.

Schlagworte
Ausweisung, Familienbegriff, Familienverfahren, Glaubwürdigkeit, Neuerungsverbot, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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