D1 246684-0/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stracker als Vorsitzenden und den Richter Dr. Feßl als Beisitzer über die Beschwerde der K. E., geb. 00.00.1968, StA. v. Weißrussland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.01.2004, FZ. 02 32.671-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin gelangte laut eigenen Angaben am 10.11.2002 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Die Beschwerdeführerin wurde hiezu am 03.11.2003 und 22.01.2004 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, niederschriftlich einvernommen. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.01.2004 in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 ab; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach Weißrussland oder in die Ukraine, dem Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes vor ihrer Ausreise in die Russische Föderation" gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Gegen diesen am 29.01.2004 zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit dem am 04.02.2004 zur Post gegebenen und als Berufung eingebrachten Schriftsatz vom 03.02.2004 fristgerecht Beschwerde.
2. Hinsichtlich der Angaben der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 03.11.2003 und 22.01.2004 wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2 bis 11) verwiesen. Die Beschwerdeführerin hat - kurz zusammen gefasst - im Wesentlichen vorgebracht, dass sie sich bis zum Jahre 2001 in U.(Ukraine) aufgehalten und U. gemeinsam mit ihrem Ehegatten verlassen habe, da dieser politische Probleme bekommen habe, weil er eigene politische Anschauungen gehabt hätte. Gemeinsam seien sie nach St. Petersburg gefahren, um ein Visum für Finnland zu erhalten. Dort hätten sie sich zusammen mit den Kindern bis Ende April 2001 aufgehalten und seien anschließend nach Finnland ausgereist, wo sie Ende April nach ihrer Ankunft in Finnland um Asyl angesucht hätten. Das Asylverfahren in Finnland sei nach einem Verkehrsunfall der Beschwerdeführerin, bei der auch eine hochrangige Person beteiligt gewesen sei, abgewiesen worden. Von einer Frau, welche bei der Polizei gearbeitet habe, wäre sie abgeholt, zum Bahnhof gebracht und bis zur Grenze begleitet worden. Mit ihrem Gatten sei sie dann bis nach St. Petersburg gefahren, wo sie sich ca. drei Monate aufgehalten hätte. Anschließend seien sie nach Österreich gereist. In der Russischen Föderation sei sie nicht verfolgt gewesen, jedoch hätte sie kein Staat beschützen können. In der Ukraine hätte sie sich illegal aufgehalten. In ihrem Heimatland hätte sie sich wegen Diskriminierung bei der Arbeit an die Staatsanwaltschaft gewandt. Zwei Wochen danach seien Personen der 6. Abteilung zu ihr nachhause gekommen und hätten sie ersucht mitzukommen, um ein paar Fragen zu beantworten. Dabei sei sie in ein Gebäude dieser Abteilung gebracht und dort beschuldigt worden, dass sie Staatsgeheimnisse weitergegeben und die Schweigepflicht verletzt hätte. Als Beweis dafür seien ihr Aufzeichnungen von abgehörten Telefongesprächen und Internetbriefkontakte vorgelegt worden. Nachdem sie sich geweigert habe, die Anschuldigungen zu unterschreiben, hätte sie auf einen Arzt warten müssen, der ihr Blut abgenommen und auch gleichzeitig eine Injektion verabreicht hätte. Danach sei ihr schwindelig geworden und nachdem sie die Orientierung verloren habe, hätte sie die Anschuldigungen doch unterschrieben, worauf sie in die Nervenklinik gebracht worden wäre. Dort sei sie in einer geschlossenen Anstalt untergebracht gewesen und nur mit Hilfe ihres Mannes, der durch Bestechung die Entlassung erreichen habe könne, freigekommen. Am selben Abend im Jahre 1997 seien sie nach Lemberg gefahren. Damals habe es keine Grenzen gegeben und seien sie deshalb auch nicht kontrolliert worden.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
1.2. Gemäß § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG) entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
1.3. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (in der Folge: AsylG 1997) zu Ende zu führen, wobei die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr.101/2003 gilt. Danach werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 126/2002 geführt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.
1.4. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
1.5. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2.1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, "wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist."
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.
(...)
Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.04.2006, Zl. 2003/01/0285)."
Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.06.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof, zumal dieser nicht - wie der Unabhängige Bundesasylsenat - ein gerichtsähnlicher unabhängiger Verwaltungssenat, sondern ein Gerichtshof ist, dem noch weniger zuzusinnen ist, erstmals mit der ernsthaften Prüfung des Antrages zu beginnen und das gesamte Verfahren von Anbeginn an durchzuführen.
3. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren aus folgenden Gründen mangelhaft:
Die erstinstanzliche Behörde führt im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zunächst eine Nacherzählung der Fluchtgründe (siehe Bescheid Seite 15) an und führt sodann als tragende Argumente für die nicht gelungene Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Beschwerdeführerin aus, dass es nicht plausibel und glaubhaft sei, dass sie mehrere Jahre via Internet Kontakte zu Personen im Ausland gehabt hätte, wenn sie nicht einmal die Daten von einer dieser Personen bekannt geben könne. Sie habe versucht, unter Angabe von Gründen die Kontakte nicht zu nennen, um glaubwürdig zu erscheinen, obwohl jeder Asylwerber wohl alles unternehmen würde, damit seinen Angaben Glauben geschenkt werde, und könne daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie nicht diese Gelegenheit wahrnehmen würde, wenn ihre Angaben tatsächlich der Wahrheit entsprechen würden. Außerdem habe sie selbst angegeben, dass sie vor ihrer Einreise nach Österreich in Finnland um Asyl angesucht habe und dass dieses Asylverfahren in Finnland mit Bescheid abgewiesen worden sei, womit sie auch in Finnland keine asylrelevanten Gründe glaubhaft machen habe können. Zusammenfassend würde daher festgehalten, dass es im Asylverfahren nicht ausreiche, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern müsse er diese glaubhaft machen. Dazu müsse das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Die Aussagen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der befürchteten Verfolgung würden aber diesen Anforderungen nicht entsprechen. Dazu wird zunächst einmal ausgeführt, dass sich das Bundesasylamt mit dieser textbausteinartigen Beweiswürdigung einer schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung entledigt hat, zumal sich auch das tragende Argument für die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens, nämlich die Weigerung der Beschwerdeführerin ihre Kontakte bekannt zu geben, anhand der mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift so nicht nachvollziehen lässt, da der Organwalter des Bundesasylamtes in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, am 22.01.2004 mit keinem Wort erwähnt hat, dass die Weigerung der Beschwerdeführerin ihre Kontaktpersonen zu nennen, die Konsequenz das gesamte Fluchtvorbringen als für unglaubwürdig zu erklären zur Folge hat, zumal die Beschwerdeführerin ihre Weigerung auch begründete. Wie die erstinstanzliche Behörde richtigerweise anführt, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie bereits in Finnland um Asyl angesucht habe und nach Abschluss des Asylverfahrens in die Russische Föderation zurückgekehrt sei. Um eine sachgerechte Beurteilung des gegenständlichen Falles vornehmen zu können, wäre es schon hier geboten gewesen, die mit der Beschwerdeführerin in Finnland aufgenommenen Niederschriften und die ergangenen Entscheidungen anzufordern, um die tatsächliche Herkunft der Beschwerdeführerin feststellen zu können, zumal diese angegeben hat, dass sie eine weißrussische Staatsangehörige sei, die in der Ukraine und in der Russischen Föderation gelebt hätte und gemeinsam mit ihrem Ehegatten von Finnland in die Russische Föderation abgeschoben worden wäre, was - wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich weißrussische Staatsangehörige und ihr Ehegatte ukrainischer Staatsangehöriger ist - nur möglich gewesen wäre, wenn die betreffenden Personen auch über ein gültiges Aufenthaltsrecht in der Russischen Föderation verfügt hätten. Eine Aufklärung dieses Sachverhaltes erfolgte weder in den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt noch durch eine Anfrage an die finnischen Asylbehörden, obwohl die Beschwerdeführerin und auch ihr Ehegatte in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, am 03.11.2003 angegeben haben, dass die Dokumente und somit wichtige Beweismittel für das gegenständliche Verfahren bei den finnischen Behörden verblieben seien. Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat es das Bundesasylamt auch gänzlich unterlassen eine Feststellung dahingehend zu treffen, welche Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführerin besitzt bzw. welcher Herkunftsstaat für die Antragstellerin in Frage kommt. Zwar wurde im Spruchteil II des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach Weißrussland oder in die Ukraine, dem Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes vor ihrer Ausreise in die Russische Föderation" gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Wie das Bundesasylamt zu diesem Ergebnis kommt bleibt allerdings völlig im Dunkeln.
Ein weiterer Verfahrensmangel ergibt sich auch daraus, dass im gegenständlichen Fall auf den Kern des Vorbringens der Beschwerdeführerin überhaupt nicht eingegangen wurde. So finden sich im Akt ein Zeitungsausschnitt sowie eine (offenbar dazugehörige) Übersetzung vom 29.10.2003, welche offensichtlich von der Beschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, am 22.01.2004 als Beweismittel vorgelegt wurden. Darin wird in der Übersetzung zunächst von einer ukrainischen Flüchtlingsmutter K. E. berichtet und weiter folgender Sachverhalt geschrieben: Die Geschichten der Flüchtlingsfamilien sind bewegend anzuhören. So auch im Fall der Familie K.. Die Familie hatte ein Einfamilienhaus in U. bis der Stadtdamm brach und die ganze Wohngegend überflutet wurde. Dann hat unser Präsident Kutschma unser Gebiet besucht. Er versicherte, dass der Staat das Volk nicht im Stich lässt, erinnert sich Vater J.. Der Staat baute mit der Unterstützung durch die EU ein neues Wohngebiet, aber nur für die dortigen Reichen und ließ die Überschwemmungsopfer im Stich. Der wissbegierige J. wurde zu einem nicht erwünschten Bürger. Nach einigen Misshandlungsfällen hatte er genug von seinem Heimatland, nahm seine Familie und zog nach Helsinki. Die Familie traf vor einem Jahr in Finnland ein und wurde in O. einquartiert. Diese Hinweise hat das Bundesasylamt in seinen darauffolgenden Niederschriften vollständig ignoriert. Wie das Bundesasylamt, obwohl es im vorgelegten Verwaltungsakt eindeutige Indizien auf eine ukrainische Staatsangehörigkeit gibt, zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei der Antragstellerin und ihren Kindern um weißrussische Staatsbürger, beim Ehegatten hingegen um einen ukrainischen Staatsangehörigen handelt, lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.
Aber auch im Hinblick auf die von der Erstbehörde getroffenen Länderfeststellungen weist der angefochtene Bescheid schwere Mängel auf. So hat auch in der Vergangenheit der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass von den Asylbehörden eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten ist und dessen Behauptungen auch am Verhältnis zu der aktuellen Berichtslage über dessen Herkunftsstaat zu messen sind. Hinzuzufügen ist, dass diese Aufgabe "primär dem Bundesasylamt zukäme". Es kann nämlich nicht der "obersten Berufungsbehörde" allein überlassen bleiben, über die Befragung des Asylwerbers hinaus auch geeignetes Berichtsmaterial in das Verfahren einzuführen (VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0135, m.w.N.). Zudem wird die Ansicht vertreten, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedürfe es in der Regel auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.04.2002, Zl. 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.01.2005, Zl. 2004/01/0476).
Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis B 2136/00 vom 02.10.2001 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes im oben zitierten Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen."
Im gegenständlichen Fall hat die erstinstanzliche Behörde jedoch genau dies unterlassen. Die getroffenen Länderfeststellungen ignorieren vollständig, dass für die Beschwerdeführerin auch eine Abschiebung in die Ukraine festgestellt wurde. Feststellungen zur Ukraine finden sich überhaupt nicht; die Feststellungen zu Weißrussland bestehen nur zum Großteil aus allgemein gehaltenen Informationen und können darüber hinaus auch nicht als aktuell bezeichnet werden. So ist z.B. davon die Rede, dass die getroffenen Länderfeststellungen auch auf die ständige Beobachtung aktueller Medienberichte basieren würden (zuletzt, Die Presse 27.03.2000, 11.11.1999, NZZ 27.03.2000, 21.03.2000, 02.12.1999, Asylmagazin 3/2000). Auch aus dem abschließend genannten Quellenverzeichnis ergibt sich, dass der jüngste vom Bundesasylamt herangezogene Bericht das Datum März 2000 trägt. Der angefochtene Bescheid wurde jedoch am 29.01.2004 durch Ausfolgung an die nunmehrige Beschwerdeführerin erlassen.
4. Aufgrund der dargestellten Mängel wäre daher jedenfalls die Einvernahme der Beschwerdeführerin - nach Beschaffung des entsprechenden länderbezogenen Grundlagenwissens - zu ergänzen gewesen, sodass die erste Voraussetzung für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG (infolge Mangelhaftigkeit des vorliegenden Sachverhaltes erscheint die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich) im gegenständlichen Fall erfüllt ist.
5. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist daher der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahren vor den Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.