Index
E1E;Norm
11997E039 EG Art39;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des S in B, geboren am 5. Februar 1974, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. September 1999, Zl. Fr-4250a-94/99, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 1999 wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm §§ 37 bis 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.
Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass im Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Bludenz folgende rechtskräftige Bestrafungen aufschienen:
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X-8676-1998
wegen §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 b StVO vom 14.9.98 zu öS 16.000,-
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X-9847-1998
wegen § 103 Abs. 2 KFG vom 27.10.98 zu öS 500,-
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X-6336- 1997
wegen §§ 31 Abs. 1 i.V.m. 99 Abs. 2 lit.e StVO vom 2.6.97 zu öS 5.000,-
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X-5760- 1997
wegen §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG i.V.m. 4 Abs. 4 KDV vom 28.4.97 zu öS 700,-
wegen §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit.a StVO vom 28.4.97 zu öS 10.000,-
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X-17001-1995
wegen § 102 Abs. 5 lit.a KFG vom 23.1.96 zu öS 100
wegen § 102 Abs. 5 lit.b KFG vom 23.1.96 zu öS 100"
Weiters sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 20. August 1998 wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen a S 200,-- rechtskräftig verurteilt worden.
Der Beschwerdeführer habe somit zwischen 1995 und 1998 insgesamt sechsmal verwaltungs- und strafrechtlich bestraft bzw. verurteilt werden müssen. Insbesondere durch das Fahren in alkoholisiertem Zustand habe er schwer wiegend gegen die österreichischen Gesetze verstoßen; ein betrunkener Fahrer gefährde nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer. Der Umstand, dass ihn nicht einmal ein hohe Geldstrafe von einer neuerlichen gleichartigen Übertretung habe abhalten können, lasse den Schluss zu, dass auch hinkünftig mit derartigen Verstößen gerechnet werden müsse. Da der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 und 2 StVO rechtskräftig bestraft worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG vor. Dabei handle es sich um eine bestimmte Tatsache, die gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. die Annahme rechtfertige, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Verstärkt werde diese Annahme darüber hinaus durch die sonstigen - wenn auch teils geringfügigen - Verwaltungsübertretungen, womit der Beschwerdeführer dokumentiert habe, dass er es mit der Einhaltung der österreichischen Gesetze "nicht so genau" nehme. Dies zeige sich auch durch die Eingehung einer "Scheinehe" mit einer Österreicherin 1991 zur Erlangung einer aufenthaltsrechtlichen Bewilligung. Der Beschwerdeführer habe diesen Zweck der Eheschließung in der Scheidungsverhandlung vom 9. Juni 1993 selbst bestätigt. Somit habe sich der Beschwerdeführer seinen weiteren Aufenthalt nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages durch die Eingehung der Ehe erschlichen. Dieses Verhalten zeige ebenfalls, dass er nicht bereit sei, sich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Auch die Verurteilung wegen Raufhandels dürfe nicht bagatellisiert werden, zumal der Beschwerdeführer bei Tatbegehung (31. Mai 1998) bereits 24 Jahre alt gewesen sei und sich somit nicht auf jugendlichen Leichtsinn berufen könne. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer permanent gegen österreichische Gesetze verstoßen und sich den Aufenthalt in Österreich durch das Vortäuschen falscher Tatsachen erschlichen habe, werde von der fremdenpolizeilichen Maßnahme Gebrauch gemacht.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991 in Österreich auf und habe auf Grund seines Asylantrages zunächst über eine am 16. April 1991 ausgestellte vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt. Mit Bescheid vom 27. Juni 1991 sei rechtskräftig ausgesprochen worden, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und dass ihm die vorläufige Aufenthaltsberechtigung aberkannt werde. In der Folge habe er sich bis zum Erhalt eines Sichtvermerkes am 10. Februar 1992, auf Grund der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Da die Ehe nur eingegangen worden sei, um eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen, könne der Beschwerdeführer die ab dieser Zeit "erlangte" Integration ebenfalls nur relativiert zu seinen Gunsten geltend machen. Auch seine derzeitige Beschäftigung gehe auf die "Scheinehe" und den in der Folge erhaltenen Befreiungsschein zurück. Insgesamt betrachtet stelle die fremdenpolizeiliche Maßnahme daher nur einen geringfügigen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers dar - ein Eingriff in sein Familienleben finde nicht statt, weil seine türkische Ehefrau mit dem gemeinsamen Kind in Frankreich lebe -, welcher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, um ihn von weiteren Rechtsverletzungen abzuhalten.
Als private Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich könnten nur der bisherige Aufenthalt und die Beschäftigung des Beschwerdeführers berücksichtigt werden. Da beides auf eine "Scheinehe" zurückzuführen sei, überwiege jedoch das öffentliche Interesse an der Außerlandesschaffung, weil der Beschwerdeführer durch sein Verhalten dritte Personen gefährdet habe und immer wieder straffällig geworden sei. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich seine Familie in Frankreich aufhalte, überwiege das öffentliche Interesse an der fremdenpolizeilichen Maßnahme die gegenläufigen privaten Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich zu, dass die im bekämpften Bescheid angeführten Verwaltungsstrafen gegen ihn verhängt worden sind. Somit hat er - im Hinblick auf die Bestrafungen nach § 99 Abs. 1 und 2 StVO - unzweifelhaft den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht.
Im Hinblick auf den einschlägigen Rückfall des Beschwerdeführers betreffend das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand und auf Grund der von alkoholisierten Fahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass hinkünftig mit (weiteren) derartigen Verstößen gerechnet werden müsse und dass demnach die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt.
1. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers neben den Daten der Bestrafungen jeweils nur die übertretene Bestimmung und die entsprechende Strafnorm sowie die Höhe der verhängten Strafe angeführt. Feststellungen zu den konkreten Verwaltungsstraftaten und zu den Umständen ihrer Begehung fehlen hingegen, insbesondere enthält der bekämpfte Bescheid - bezüglich des Lenkens eines Kfz in alkoholisiertem Zustand - keine Angaben zum Alkoholisierungsgrad. Derartige Feststellungen wären jedoch dann erforderlich, wenn der Beschwerdeführer die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster, zweiter oder dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB) erfüllte und ihm daher im Hinblick darauf ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht (vgl. das Urteil des EuGH vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-237/91, Kus, Slg. 1992, I-6781, Randnrn. 28ff.) zukäme. Gegebenenfalls wäre die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nämlich ergänzend an den Bestimmungen des ARB zu messen.
2. Art. 6 Abs. 1 ARB, der in dessen Kapitel II (Soziale Bestimmungen) Abschnitt 1 (Fragen betreffend die Beschäftigung und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer) enthalten ist, lautet wie folgt:
"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
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nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
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nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
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nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."
Art. 14 Abs. 1, der zum selben Abschnitt des Kapitels II des ARB gehört, bestimmt:
"Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind."
3. Wie der EuGH ausgeführt hat, setzt Art. 14 Abs. 1 ARB den zuständigen nationalen Behörden jene Grenzen, wie sie für eine solche Maßnahme gegenüber einem Angehörigen eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft gelten; eine Beschränkung der auf Art. 6 ARB gegründeten Rechte ist nur in dem Rahmen zulässig, innerhalb dessen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Angehörige der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind, beschränkt werden kann (Urteil vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C-340/97, Nazli, Slg. 2000, I-0957 (französische Ausgabe), insbesondere Randnrn. 56 und 60). Eine derartige Beschränkung setzt eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. Geiger, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, (2000), Rz 42 ff. zu Art. 39 EGV, unter Hinweis auf Judikatur des EuGH). Bei Beurteilung dieser Frage darf ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein, strafrechtliche Verurteilungen allein können Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (hier: Aufenthaltsverbot) nicht ohne Weiteres begründen. Somit darf eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. das Urteil des EuGH vom 19. Jänner 1999 in der Rechtssache C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Randnr. 24).
4. Ob der Beschwerdeführer eine Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB erworben hat, lässt sich auf Grund der im bekämpften Bescheid getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Nach seinem Vorbringen iVm dem Inhalt der Verwaltungsakten ist diese Möglichkeit jedoch nicht von der Hand zu weisen: So hat der Beschwerdeführer in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid geltend gemacht, dass er seit 18. September 1995 als Zettelaufleger bei einem namentlich genannten Unternehmen in Bludenz beschäftigt sei und am 4. Juli 1997 einen bis 3. Juli 2002 gültigen Befreiungsschein erhalten habe. Dieses Vorbringen wurde einerseits durch Vorlage einer "Arbeits-Bescheinigung" (mit Schriftsatz vom 21. Juni 1999) bescheinigt, andererseits erliegt im Verwaltungsakt die Ablichtung eines Bescheides vom 4. Juli 1997, wonach dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages vom 27. Juni 1997 "gem. § 15 Abs. 1 Z /" Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vom 4. Juli 1997 bis 3. Juli 2002 ein Befreiungsschein ausgestellt werde. Den Verwaltungsakten lässt sich weiter entnehmen, dass dem letztgenannten Befreiungsschein bereits ein (erster) Befreiungsschein vorangegangen ist; dem im Akt erliegenden Sichtvermerksantrag vom 8. Juli 1992 ist nämlich die Kopie eines Bescheides vom 30. Oktober 1991 angeschlossen, demzufolge dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG vom 1. November 1991 bis 31. Oktober 1996 ein Befreiungsschein ausgestellt worden war. Beim genannten Sichtvermerksantrag liegen ferner das im bekämpften Bescheid erwähnte und als Grundlage für die Beurteilung des Vorliegens einer "Scheinehe" herangezogene Protokoll über die Scheidungsverhandlung vom 9. Juni 1993 sowie eine Mitteilung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 1. April 1993, wonach durchgeführte Erhebungen eindeutig den Schluss zuließen, dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsangehörigen M. L. W. ausschließlich zu dem Zweck die Ehe eingegangen sei, um in Österreich eine Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung zu erlangen; es ergehe daher die Einladung, gegen den Beschwerdeführer die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten. Dessen ungeachtet hat die Bezirkshauptmannschaft Bludenz nach dem Inhalt der Verwaltungsakten offenkundig am 10. Februar 1994 eine zunächst bis 31. August 1995 gültige und in der Folge verlängerte Aufenthaltsbewilligung erteilt, nachdem in einem Aktenvermerk vom 9. Februar 1994 festgehalten worden war, dass der Beschwerdeführer bereits über ein Jahr berufstätig sei und damit Anspruch auf Arbeitserlaubnis bzw. Beschäftigungsbewilligung habe und somit sein Lebensunterhalt als gesichert angenommen werden könne und dass auf Grund des (zum damaligen Zeitpunkt) dreijährigen Aufenthalts von einer weit reichenden Integration gesprochen werden könne, weshalb eine Ausweisung kaum mehr in Betracht komme.
Für das Erlangen einer Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB ist wesentlich, dass der betreffende Fremde für die in den einzelnen Gedankenstrichen angeführten Zeiträume einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgegangen ist. Die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung ist anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt; die Beschäftigung ist daher nur dann ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215, sowie die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 ARB setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ferner eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (vgl. das Urteil vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-285/95, Kol, Slg. 1997, I-3069, Randnr. 21). Davon ausgehend hat der EuGH weiter ausgesprochen, dass Beschäftigungszeiten nach Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, die dem türkischen Staatsangehörigen nur auf Grund einer Täuschung, die zu einer Verurteilung geführt hat, erteilt worden ist, nicht als ordnungsgemäß im Sinn des Art. 6 Abs. 1 ARB angesehen werden könnten, da der Betroffene nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis erfüllt habe, die daher nach Aufdeckung der Täuschung wieder in Frage hätte gestellt werden können; folglich beruhten Beschäftigungszeiten, die der türkische Staatsangehörige auf Grund einer unter solchen Umständen erlangten Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt habe, nicht auf einer gesicherten Position, sondern seien als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten, da ihm während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zugestanden habe (Urteil Kol, aaO, Randnrn. 26 und 27). Vor diesem Hintergrund gelangte der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass die durch eine Scheinehe herbeigeführte Täuschung der Behörden, die zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung sowie eines Befreiungsscheines geführt habe, der Anwendung des Art. 6 ARB entgegen stehe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 98/18/0100).
Nach dem Vorstehenden hat der Beschwerdeführer die ihm nach dem Inhalt der Verwaltungsakten offenkundig ab 10. Februar 1994 bis zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligungen indes ungeachtet der der Behörde bereits bekannten "Scheinehe" erhalten. Eine "Täuschung der Behörden" und damit eine Bewilligung, die gemäß der Judikatur des EuGH nach Aufdeckung der Täuschung wieder in Frage gestellt hätte werden können, lag daher insoweit nicht vor. Gleiches gilt allenfalls auch für den am 4. Juli 1997 ausgestellten (zweiten) Befreiungsschein, der seine Grundlage sachverhaltsbezogen nur in § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG haben kann - demnach ist einem Ausländer auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich des AuslBG unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war - und der erschließbar auf der auf Basis des ersten Befreiungsscheines ausgeübten Beschäftigung fußte. Diese Beschäftigung war trotz des Umstandes, dass dieser erste Befreiungsschein auf einer "Scheinehe" beruhte, "erlaubt", sofern kein - hier nicht aktenkundiger - Widerruf des Befreiungsscheins nach § 16 AuslBG erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/09/0145). Auch bezüglich der für die Erteilung des zweiten Befreiungsscheines tatbestandsmäßigen Voraussetzung der erlaubten Beschäftigung ist daher eine "Täuschung der Behörden" nicht offensichtlich. Zusammenfassend schließt der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen eine "Scheinehe" eingegangen ist, damit nicht aus, dass er auf Grund einer seit 4. Juli 1997 ausgeübten Beschäftigung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB inne hatte (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 95/21/1209). Gegebenenfalls wäre demnach (siehe oben zu Punkt 3.) bei Verhängung eines Aufenthaltsverbotes darauf abzustellen, ob der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers eine "tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung" darstellt, die "ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt". Um dies beurteilen zu können, bedürfte es der erwähnten weiter gehenden Feststellungen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Mai 2001
Gerichtsentscheidung
EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999210310.X00Im RIS seit
20.11.2001Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011