Index
60/02 Arbeitnehmerschutz;Norm
ASVG §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Nowak, Dr. Sulyok, und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller über die Beschwerde der A GesmbH in G, vertreten durch Dr. Franz Dobrauz, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. August 1996, Zl. 5-s26o2/7-96, betreffend Ordnungsbeiträge (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Gesellschaft (in der Folge Beschwerdeführerin genannt) zur Entrichtung allgemeiner Beiträge (Ordnungsbeiträge) für die Zeit vom 25. Mai 1994 bis 8. Juli 1994 in der Höhe von S 10.334,40,--, weil die Versicherungsabmeldung für die Dienstnehmerin E. B. am 28. Juli 1995 eingelangt sei, obwohl das Ende der Versicherung der 7. Oktober 1993 gewesen sei. Nach der Begründung seien für Versicherte, die vom Dienstgeber nicht oder nicht rechtzeitig abgemeldet würden, gemäß § 56 Abs. 1 ASVG die allgemeinen Beiträge (Ordnungsbeiträge) bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach dem Ende der Versicherung, weiter zu entrichten. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Kassensatzung gelte eine Meldung dann als rechtzeitig erstattet, wenn sie binnen sieben Tagen bzw. innerhalb der mit dem Dienstgeber vereinbarten Frist nach dem Ende der Pflichtversicherung beim Träger der Krankenversicherung einlange. Die Versicherungsabmeldung der E. B. sei bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht rechtzeitig eingelangt. Der Beitragsausschuss der Kasse habe auf die Weiterentrichtung der Ordnungsbeiträge zum Teil, und zwar für die Zeit vom 9. Juli bis 24. August 1994 verzichtet.
In dem dagegen erhobenen Einspruch stellte die Beschwerdeführerin die verspätete Abmeldung außer Streit und führte aus, die Dienstnehmerin E. B. habe sich vom 8. Oktober 1993 bis 23. Mai 1994 "in Wochenhilfe" befunden und im Jahre 1994 ihr Kind bekommen, weshalb sie "mit Ende des Entgeltanspruches" fristgerecht abgemeldet hätte werden müssen. Im Hinblick darauf, dass durch die Wochenhilfe ein interner Abmeldevorgang bei der Gebietskrankenkasse vorgenommen und dass anschließend von E. B. das Karenzurlaubsgeld über das Arbeitmarktservice bezogen worden sei, habe der Fehler zu keinem wirklichen Schaden bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geführt. Sofort nach Entdecken des Fehlers sei ein Entschuldigungsschreiben geschickt worden. Ansonsten seien der gesamte Meldeverkehr sowie die Einzahlungen immer pünktlich und ordnungsgemäß vorgenommen worden. Aus dem Bescheid ergebe sich ein Ende der Versicherung am 7. Oktober 1993, weshalb die Vorschreibung der Weiterentrichtung ungesetzlich sei. Die Beschwerdeführerin habe von der Möglichkeit der Meldung einer Gesamtsumme gemäß § 34 Abs. 2 ASVG Gebrauch gemacht. Für E. B. habe "der allgemeine Beitrag im besagten Zeitraum daher S 0,-
-" betragen.
In einer Stellungnahme vom 27. März 1996 vertrat die Beschwerdeführerin den Standpunkt, die Abmeldung hätte per 7. Oktober 1993 erfolgen müssen, sodass die Vorschreibung von Ordnungsbeiträgen für den Zeitraum 24. Mai bis 8. Juli 1994 gesetzwidrig sei. Ab dem 7. Oktober 1993 hätten die Beiträge für E. B. S O,-- betragen. Die Ordnungsbeiträge hätten daher ebenfalls S O,-- betragen müssen.
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die Vorschreibung der Ordnungsbeiträge und führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründend aus, dass grundsätzlich der Dienstgeber für das rechtzeitige und ordnungsgemäße Einlangen der Meldungen beim zuständigen Träger der Krankenversicherung verantwortlich sei. Der Dienstgeber habe alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen, damit der zuständige Träger der Krankenversicherung die termingebundenen Versicherungs- oder Abrechungsunterlagen zeitgerecht erhalte. Er hafte gegenüber dem zuständigen Träger der Krankenversicherung für ein Fehlverhalten. Als erwiesen werde angenommen, dass die Beschwerdeführer die Dienstnehmerin E. B., deren Pflichtversicherung am 7. Oktober 1993 geendet habe, erst wesentlich verspätet am 28. Juli 1995 von der Pflichtversicherung abgemeldet habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt die im Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannte Meldefristverletzung gemäß § 56 Abs. 1 ASVG begangen. Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Dienstgeber sei nur insoweit Bedacht zu nehmen, als diese umfassend und mit entsprechenden Unterlagen belegt offen gelegt würden. Im konkreten Fall sei dies nicht erfolgt. Mit Rücksicht auf die bisherigen Meldeverstöße - darunter ein gleichartiger Meldeverstoß - und auf die erhebliche Verspätung der Versicherungsabmeldung sei der Beschwerdeführerin Fahrlässigkeit beim Verstoß gegen die einschlägigen Meldebestimmungen anzulasten. Dieses Verschulden sei auch bei der Vorschreibung von Ordnungsbeiträgen gemäß § 56 ASVG als gesetzlich zugelassenes, erschwerendes Wertungskriterium zur Bestimmung der Höhe der Ordnungsbeiträge zu berücksichtigen. Die vorgeschriebene Weiterentrichtung von allgemeinen Beiträgen (Ordnungsbeiträgen) für die genannte Zeit bestehe daher auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage gemäß § 56 ASVG zu Recht, zumal der Beitagsausschuss der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Handhabung des ihm in § 56 Abs. 3 ASVG eingeräumten freien Ermessens auf die Weiterentrichtung der allgemeinen Beiträge zum Teil, und zwar für die Zeit vom 9. Juli bis 24. August 1994 verzichtet habe. Die Vorschreibung von Ordnungsbeiträgen sei keine Verwaltungsstrafe, sondern als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, während die belangte Behörde zwar die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde die Unvereinbarkeit der Argumente der von der belangten Behörde herangezogenen Entscheidungsbegründung, wenn einerseits die Abmeldung der Dienstnehmerin per 7. Oktober 1993 erfolgen hätten sollen, andererseits Beiträge für den Zeitraum vom 25. Mai bis 8. Juli 1994 vorgeschrieben würden. Die Vorschreibung von Ordnungsbeiträgen sei längstens für die Dauer von drei Monaten nach dem Ende der Versicherung zulässig. Das Ende der Pflichtversicherung sei auf den 7. Oktober 1993 gefallen, weshalb Beiträge höchstens bis zum 7. Jänner 1994 vorgeschrieben hätten werden dürfen.
Damit ist die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen im Recht:
Gemäß § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der Dienstnehmer, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.
Nach § 14 Abs. 3 Mutterschutzgesetz besteht kein Entgeltanspruch gegenüber dem Dienstgeber für Zeiten, während deren Wochengeld oder Krankengeld nach dem ASVG bezogen werden kann.
Das Wochengeld gebührt gemäß § 162 Abs. 1 ASVG weiblichen Versicherten für die letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für die ersten acht Wochen nach der Entbindung sowie darüber hinaus für jenen Zeitraum, während dessen Dienstnehmerinnen und Bezieherinnen einer Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 auf Grund besonderer Vorschriften des Mutterschutzrechtes im Einzelfall auf Grund des Zeugnisses eines Arbeitsinspektionsarztes oder eines Amtsarztes nicht beschäftigt werden dürfen, weil Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung oder Aufnahme einer Beschäftigung gefährdet wäre.
Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 8. Oktober 1993 bis 23. Mai 1994 Wochengeld gewährt worden ist. Als Bezieherin von Wochengeld hatte E. B. gegenüber der Beschwerdeführerin keinen Entgeltanspruch mehr, woraus folgt, dass die Pflichtversicherung am Tag der Beendigung des Entgeltanspruchs, dem 7. Oktober 1993, erloschen ist (vgl. § 11 Abs. 1 ASVG). Das Ende der Versicherung mit Beginn des Anspruches auf Wochengeld ergibt sich auch aus der Bestimmung des § 122 Abs. 2 ASVG, nach der Leistungen (der Krankenversicherung) für Versicherungsfälle, die nach dem Ende der Versicherung eintreten, an Personen gewährt werden, die Anspruch aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft haben, somit während des Anspruches auf Kranken- oder Wochengeld, auch wenn dieser Anspruch ruht.
Gehen nun sowohl die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als auch die belangte Behörde in Spruch und Begründung ihrer Bescheide von einem Ende der Versicherung am 7. Oktober 1993 aus und verpflichten die Beschwerdeführerin zur Entrichtung allgemeiner Beiträge für die Zeit vom 25. Mai 1994 bis 8. Juli 1994 so belastet die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil die allgemeinen Beiträge für nicht rechtzeitig abgemeldete Versicherte bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung durch den Dienstgeber, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach dem Ende der Versicherung weiter zu entrichten sind (vgl. § 56 Abs. 1 ASVG). Dass die Beschwerdeführerin am 24. Mai 1994 die Meldepflicht verletzt habe, behauptet die belangte Behörde nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. In Verkennung dieser Rechtslage verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Zahlung von allgemeinen Beiträgen für einen nicht unmittelbar an das Ende der Versicherung anschließenden Zeitraum, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Stempelgebühren war zufolge der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am 20. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080271.X00Im RIS seit
22.11.2001