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L72004 Beschaffung Vergabe Oberösterreich;Norm
LVergG OÖ 1994 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der G GesmbH & Co KG in P, vertreten durch Dr. Hermann Löckher, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. April 2001, Zl. VwSen-550034/14/Gu/Pr, betreffend Nachprüfung nach dem O.ö. Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. April 2001 der Antrag der Beschwerdeführerin, den Widerruf der Ausschreibung einer Glasfassade im Zusammenhang mit dem Zu- und Umbau einer näher bezeichneten Landespflegeanstalt durch das Land Oberösterreich für nichtig zu erklären, abgewiesen und das darüber hinausgehende (Zusatz)Begehren der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Land Oberösterreich habe in der Absicht, das erwähnte Landespflegeheim um- und auszubauen, nach einer ersten internen Kostenschätzung, die einen Kostenaufwand von weniger als 160 Mio S ergeben habe und einem Architekturwettbewerb das Architekturbüro M. mit der detaillierten Kostenschätzung, getrennt nach Professionisten und mit der Bauaufsicht betraut. Nach der Kostenschätzung dieses Büros hätte sich die gesamte Verglasung auf rund 17,8 Mio S netto belaufen sollen. Nach der Kostenschätzung, bei der zunächst eine Aluglasfassade zur Debatte gestanden sei, sei von Seiten des Bauherrn der Wunsch geäußert worden, statt der Aluglasfassade eine Holz-Alu-Glasfassade zu errichten und dabei nach der Art von Wintergärten punktgehaltene Verglasungen anzubringen. Ing. F. vom Architekturbüro M., dem die Kostenschätzung übertragen gewesen und der auch in der Vergangenheit mit Planungen, bei denen punktgehaltene Verglasungen enthalten waren, betraut gewesen sei, habe mit einem näher bezeichneten Glasunternehmen Kontakt aufgenommen, um die Kostenschätzung zu "verifizieren". Für die Aluglasfassade sei in der Folge ein Quadratmeterpreis von S 5.000,-
-, für die Alu-Holz-Fassade ein Quadratmeterpreis von S 4.000,-- und für die punktgehaltene Verglasung ein Quadratmeterpreis von S 10.000,-- veranschlagt worden. Diese Schätzung sei bei der Abteilung Hochbau des Landes Oberösterreich aufgrund mehrfacher früherer Befassung mit Verglasungen plausibel erschienen. Referenzen über die Kundigkeit des Architektenbüros M. mit Verglasungen seien vom Land Oberösterreich nicht eingeholt worden. Nach öffentlicher Ausschreibung des Detailprojektes (Glasfassaden am Zubau) mit einem geschätzten Gesamtauftragsvolumen von 19 Mio S seien mehrere Angebote eingelangt, wobei jenes der Beschwerdeführerin mit einer Summe von S 30,006.282,-- das billigste gewesen sei. Eine Sachverständigenprüfung habe in der Folge ergeben, dass der Kostenansatz betreffend die punktgehaltene Glasfassade einen Quadratmeterpreis von S 22.380,-- aufweise. Zur Einhaltung der Gesamterrichtungskosten sei daher vorgeschlagen worden, die geplanten Wintergärten umzuplanen und durch offene Lichtgalerien samt Pflanzbecken und Rankgerüsten zu ersetzen, wobei die dazu nötigen Leistungen (Glasdach, eingespannte Glasbrüstungen, wie ohnehin auch anderweitig vorgesehen) im Rahmen des noch zu erstellenden Schlosserleistungsverzeichnisses ausgeschrieben werden könnten. Mit Schreiben vom 14. März 2000 sei in der Folge die gegenständliche Ausschreibung der Glasfassaden mit dem Hinweis auf eine Umplanung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen worden. Nach Umgestaltung des Projektes und Streichung der Details bei den Glasbaumaßnahmen sei eine Neuausschreibung vorgenommen worden, bei der die Beschwerdeführerin allerdings nicht mehr Bestbieterin gewesen sei. Bei der (ursprünglich vorgesehenen) zu errichtenden Glasfassade habe es sich um eine Teilvergabe zu einem Bauauftrag in einem Gesamtbetrag von rund 160 Mio S gehandelt; es sei daher das O.ö. Vergabegesetz anzuwenden gewesen. Da beim Widerruf einer Ausschreibung ein Zuschlag nicht in Betracht komme, sei eine Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 61 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz nicht vorgesehen. Es könne lediglich eine Nichtigerklärung des Widerrufes der Ausschreibung erfolgen. Über den entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin sei daher abzusprechen, alle Zusatzanträge der Beschwerdeführerin seien jedoch zurückzuweisen gewesen. Nach Ablauf der Angebotsfrist sei die Ausschreibung zu widerrufen, wenn zwingende Gründe vorliegen. Als "zwingender Grund" sei zwar noch nicht der Fall schlechthin anzusehen, dass die eingelangten Angebote den vom Auftraggeber geschätzten Preis übersteigen, wohl aber, wenn trotz sorgfältiger Schätzung eines redlichen Bauherrn die einlangenden Angebote höhere als vom Auftraggeber geschätzte Preise aufwiesen. Da der Auftraggeber im vorliegenden Fall "gerade noch ausreichend sorgfältig" vorgegangen sei, gelange der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zum Ergebnis, dass ein zwingender Grund vorgelegen sei, die Ausschreibung für die Glasfassade zu widerrufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin, die sich - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Nichtigerklärung des Widerrufs der Ausschreibung verletzt erachtet, wendet gegen die Auffassung der belangten Behörde ein, es sei kein wichtiger Grund im Sinn des § 32 Abs. 1 O.ö. Vergabegesetz gegeben gewesen. Es sei nämlich kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis eingetreten, das den Auftraggeber zu einem Widerruf der Ausschreibung berechtigt hätte. Jeder einigermaßen ausgebildete Kalkulant in der Branche hätte mit sehr geringem Aufwand die Kosten der Fassade gegebenenfalls durch Einholung einer Kontrollauskunft richtig abschätzen können. Es könne daher in der Nichteinholung einer präzisen Auskunft entweder direkt beim Vertreiber eines bestimmten Produkts oder bei zwei oder mehr in der Branche tätigen Firmen keine entschuldbare Fehlleistung bei Erstellung der die tatsächlichen Kosten grob verfehlenden Kostenschätzung angenommen und solcher Art auch nicht von einem unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignis gesprochen werden; jeder in der Branche hätte zudem sofort den erheblichen Fehler in der Kostenschätzung erkannt und daher das Ergebnis abwenden können.
Gemäß § 58 Abs. 1 O.ö. Vergabegesetz, LGBl. Nr. 59/1994 in der - im Beschwerdefall anzuwendenden - Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 45/2000, kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines diesem Landesgesetz unterliegenden Vertrages mit einem Auftraggeber behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, wenn ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Über einen solchen Antrag entscheidet gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. die Oberösterreichische Landesregierung als Nachprüfungsbehörde. Gegen ihre Entscheidungen ist die Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zulässig.
Gemäß § 61 Abs. 1 leg. cit. ist eine im Zuge des Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers für nichtig zu erklären, wenn
1. diese im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Landesgesetzes oder einer auf Grundlage dieses Landesgesetzes ergangenen Verordnung steht und
2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Eine Nichtigerklärung kommt gemäß § 61 Abs. 4 leg. cit. nach erfolgter Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht. Es ist jedoch diesfalls festzustellen, ob eine behauptete Rechtsverletzung gemäß Abs. 1 vorliegt und deswegen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Auf Antrag des Auftraggebers ist dabei auch auszusprechen, ob der Antragsteller auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung keine echte Chance auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 7 leg. cit. endet das Vergabeverfahren mit dem Zustandekommen des Leistungsvertrages oder mit dem Widerruf der Ausschreibung.
Zu Recht ist die belangte Behörde zunächst der Auffassung, der Widerruf der Ausschreibung sei eine Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren, die unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 leg. cit. (lediglich) für nichtig erklärt werden kann. Da durch diese Entscheidung das Vergabeverfahren nämlich ohne Zuschlagserteilung beendet wird, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 4 leg. cit., wonach eine Feststellung der behaupteten Rechtswidrigkeit anstelle einer Nichtigerklärung davon abhängt, ob die Zuschlagserteilung erfolgt ist, nicht erfüllt.
Zu Recht ist die belangte Behörde aber auch davon ausgegangen, es sei ein im Sinne des § 32 Abs. 1 leg. cit. zwingender Grund vorgelegen, die in Rede stehende Ausschreibung zu widerrufen. § 32 Abs. 1 leg. cit., wonach die Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist zu widerrufen ist, wenn zwingende Gründe vorliegen, definiert - anders als § 21 Abs. 1 leg. cit., der den Widerruf der Ausschreibung während der Angebotsfrist zum Gegenstand hat und diesen gleichfalls an das Vorliegen zwingender Gründe knüpft - nicht was unter "zwingenden Gründen" zu verstehen ist. Nach § 21 Abs. 1 leg. cit. sind zwingende Gründe "insbesondere, wenn vor Ablauf der Angebotsfrist Umstände bekannt werden, die, wären sie schon früher bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten". Es spricht nichts gegen die Annahme, diese beispielsweise Anführung von Gründen, die als "zwingend" anzusehen, dem Auftraggeber somit eine andere Entscheidung, als die laufende Ausschreibung zu widerrufen, als unzumutbar erscheinen lassen, besitze auch im Fall des Widerrufs einer Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist (sinngemäß) Gültigkeit wenn diese Gründe nach Ablauf der Angebotsfrist eintreten (vgl. auch Holoubek, Rechtsschutzpraxis in Vergabesachen, ecolex 1997, 200). Davon ausgehend erweist sich jedoch die Auffassung, es wäre zu der in Rede stehenden Ausschreibung nicht gekommen, wäre die Höhe der für die Punktverglasung tatsächlich zu erwartenden Kosten - wenn auch in einem gewissen Schwankungsbereich - von Anfang an festgestanden, als gerechtfertigt.
Dieser Mangel in der Kostenschätzung mag zwar - wie die Beschwerdeführerin behauptet - aus objektiver Sicht vermeidbar gewesen sein. Dies ändert aber nichts daran, dass es dem Auftraggeber in Ansehung des ihm zur Verfügung stehenden Kostenrahmens unzumutbar war, an dem eine Punktverglasung beinhaltenden Projekt einer Glasfassade und damit an der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung festzuhalten, zumal die nach den eingelangten Anboten dafür tatsächlich zu entrichtenden Kosten unbestrittenermaßen ganz erheblich über den dafür veranschlagten gelegen wären. Die belangte Behörde konnte daher schon aus diesem Grunde zu Recht vom Vorliegen eines "zwingenden Grundes" im Sinne des § 32 Abs. 1 leg. cit. ausgehen.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001040106.X00Im RIS seit
21.08.2001