TE UVS Niederösterreich 1992/05/14 Senat-MD-91-053

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Veröffentlicht am 14.05.1992
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Spruch

Die Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 200,-- zu ersetzen.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx erkannte Herrn H F mit Straferkenntnis vom 2.7.1991 zu Zl xx, schuldig, als Lenker des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen W xx am 18.10.1990 um 16,00 Uhr im Gemeindegebiet V von der A-x bei Kilometer 5,7 über eine Straßenböschung auf einen Feldweg in Richtung xx abgefahren zu sein, obwohl es sich hiebei um keine gekennzeichnete Autobahnabfahrt handelt und demnach eine Verwaltungsübertretung gemäß §46 Abs2 StVO 1960 begangen zu haben. Gemäß §99 Abs3a StVO 1960 verhängte die Erstbehörde über den Genannten eine Geldstrafe von S 1.000,-- für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe. Der vorgeschriebene Kostenbeitrag gemäß §64 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes wurde mit S 100,-- bestimmt. Außerdem erfolgte gemäß §54d Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes ein Ausspruch über die Kosten des Strafvollzuges.

 

In der gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung macht der Einschreiter primär eine unrichtige rechtliche Beurteilung des im übrigen von ihm unbestrittenen Sachverhaltes geltend, indem er im wesentlichen ausführt:

 

"Es steht außer Streit, daß ich zur angegebenen Zeit und am angegebenen Ort die Autobahn mit dem PKW W xx über einen Feldweg verlassen habe.

 

Allerdings habe ich ausgeführt, aus welchen Gründen dies erfolgt ist. Der Meldungsleger hat selbst in seiner Aussage bestätigt, daß sich zur Tatzeit auf der xautobahn ein riesiger Stau gebildet hatte, ohne jedoch nähere Angaben zu diesem Stau machen zu können. Aus diesem Grunde ist daher von meinen Ausführungen im schriftlichen Einspruch auszugehen. Für mich stellte sich damals die Situation so dar, daß unmittelbar eine Bedrohung meiner persönlichen Integrität zu befürchten war und somit eine Notstandssituation vorlag. Sollte jedoch aus rechtlichen Gründen das Vorliegen einer Notstandssituation vermeint werden, so müßte mein Verhalten als notstandsähnliche Situation beurteilt werden und somit einen Strafmilderungsgrund darstellen."

 

Der Einschreiter beantragte in Stattgebung seiner Berufung das Strafverfahren einzustellen, in eventu die verhängte Strafe herabzusetzen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft xx ersuchte in ihrem Schriftsatz vom 8.8.1991 um Bestätigung des in Rede stehenden Straferkenntnisses vom 2.7.1991.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat hiezu erwogen:

 

Gemäß §51e Abs2 VStG konnte im gegenständlichen Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, weil in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird bzw sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und der Beschuldigte eine mündliche Verhandlung in seiner Berufung nicht ausdrücklich verlangt hat.

 

Wie bereits eingangs erwähnt, gibt der Rechtsmittelwerber unumwunden zu, das ihm angelastete tatbildmäßige Verhalten gesetzt zu haben, bekämpft jedoch den Schuldausspruch mit dem Vorbringen, daß eine Notstandssituation vorgelegen hätte. Dieser Rechtsauffassung konnte von seiten des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ nicht beigepflichtet werden.

 

Gemäß §6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

Nach herrschender Rechtssprechung ist unter Notstand ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist. Dies bedeuet fallbezogen, daß bei Hineingeraten in einen Verkehrsstau auf der Autobahn, welcher unfallsbedingt eingetreten ist und bereits ca 3 - 4 km zurückreicht, von einer Notstandssituation im Sinne des §6 VStG nicht die Rede sein kann, weil es im gegenständlichen Fall an den bereits oben angeführten wesentlichen Kriterien des Notstandes mangelt.

 

Wie sich aus der Zeugenaussage des Meldungslegers vom 18.4.1991 vor der Bezirkshauptmannschaft xx ergibt, hatte sich am Tatort deswegen ein bereits ca 3 - 4 km zurückreichender Stau gebildet, weil sich im Ortsgebiet von Wien ein Unfall ereignete. Konkrete Gefahrenmomente lagen weder aufgrund dieser Zeugenaussage vor noch sind solche sonstwie objektiv nachvollziehbar. Die Schilderung des Tatherganges und der sonstigen bereits angeführten näheren Tatumstände erscheinen deswegen sehr glaubwürdig, weil der Beschuldigte nicht einmal in seiner Berufung in der Lage ist, die seiner Meinung nach unmittelbar drohenden Gefahrenelemente zu konkretisieren. Vielmehr erscheint in diesem Zusammenhang die Rechtfertigung des Einschreiters als Verdächtiger anläßlich seiner Beanstandung durch die einschreitenden Sicherheitsorgane, er hätte aufgrund des Rückstaus auf der Ax in Richtung Wien zu lange warten müssen, durchaus plausibel. Aus all diesen Überlegungen war im gegenständlichen Fall das Vorliegen eines Notstandes zu verneinen.

 

Hinsichtlich der angestrengten Strafberufung ist auszuführen:

 

Der Berufungswerber steht im 47 Lebensjahr, ist österr Staatsangehöriger, verheiratet, und von Beruf Nähmaschinenmechaniker. Der Genannte verdient monatlich netto S 10.000,-- und verfügt über kein nennenswertes Vermögen. Sorgepflichten treffen ihn keine.

 

Gemäß §19 Abs2 VStG iVm §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sind, den Grundsätzen der Strafzumessung folgend, die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Ferner ist auf das Ausmaß des Verschuldens des Täters insbesonders Bedacht zu nehmen. Zudem sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Im gegenständlichen Fall war dem Beschuldigten die Ersttäterschaft als mildernd anzurechnen. Erschwerend war kein Umstand. Gemäß den in den §§16 und 19 VStG normierten Grundsätzen der Strafbemessung waren die gemäß §99 Abs3 StVO zu verhängenden Strafen innerhalb des normierten Strafrahmen (Geldstrafe bis zu S 10.000,-- im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen) auszuloten. In Würdigung des bereits angeführten mildernden Umstandes der Ersttäterschaft, welcher kein erschwerender Umstand gegenübersteht, war das Strafmaß im Lichte der eingangs dargestellten persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschuldigten zumal der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen ohnehin nur zu ca 10 % ausgeschöpft worden ist, als schuldangemessen und zu bestätigen.

 

Dies vor allem auch deshalb, weil es dem Rechtsmittelwerber an jeglicher Schuldeinsicht mangelt, was vor allem dadurch zum Ausdruck kommt, daß er im Betretungszeitpunkt die Erledigung mit Organstrafverfügung in Höhe von S 500,-- ausgeschlagen hat und auch seine Berufungsausführungen diesbezüglich keine Ansätze erkennen lassen. Der Rechtsmeinung des Einschreiters, daß zumindest notstandsähnliche Situation vorlag, welche einen Strafmilderungsgrund darstellt, konnte nicht zum Durchbruch verholfen werden, weil amtsbekannter Weise jeder Benützer von Hochleistungsstraßen mit der potentiellen Möglichkeit, verkehrsbedingt in einen Stau zu geraten, rechnen muß. In Anbetracht dieses Umstandes, daß der Beschuldigte seinen Wohnsitz in Wien hat und wie er selbst ausführt, berufsbedingt häufig Kundendienstfahrten mit seinem Firmenwagen unternimmt, erhellt, daß für ihn ein verkehrsbedingt eingetretener Stau keinesfalls eine notstandsähnliche Situation darzustellten vermag. Vielmehr war im gegenständlichen Fall davon auszugehen, daß im Nahbereich des Ballungsraumes Wien das zum Erliegenkommen des Verkehrsflusses zu Verkehrsspitzen  (Tatzeitpunkt 16,00 Uhr) auch für einen nur durchschnittlichen Kraftfahrzeuglenker eine durchaus normale Alltagssituation darstellt. Aus all diesen Überlegungen kann von einem Strafmilderungsgrund in Folge notstandsähnlicher Verhältnisse nicht die Rede sein.

 

Ferner kam eine Strafreduktion auch deswegen nicht in Betracht, weil dem die generalpräventive Überlegung, daß hiedurch potentiellen Täter veranlaßt werden könnten, in Ermangelung der abschreckenden Wirkung eines herabgesetzten Strafmaßes weitere strafbare Handlungen gleicher Art zu setzen entgegensteht.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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