Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Ganglbauer, Dr. Hütter und Dr. Thaller über die Berufung des Herrn Ing. Karl M, vertreten durch Dr. Hans-Peter B, Dr. Edwin Anton P, Rechtsanwälte in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 15.05.1996, GZ.: 15.1 1996/619, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben und die Geldstrafe nach § 19 VStG mit S 15.000,-- (Ersatzarrest im Uneinbringlichkeitsfall 2 Tage) neu bemessen.
Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verfahren der ersten Instanz auf S 1.500,--. Dem Berufungswerber wird aufgetragen, die Geldstrafe und den Kostenbeitrag binnen vier Wochen bei Exekution zu bezahlen.
Der Spruch des Straferkenntnisses wird insofern korrigiert, als ausgesprochen wird, daß die Verhängung der Geldstrafe aufgrund des § 130 Abs 1 Z 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG erfolgte.
Die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung als erste Instanz) bestrafte den nunmehrigen Berufungswerber wegen Verletzung des § 48 Abs 2 BauV nach § 130 Abs 1 Z 16 ASchG mit Geldstrafe von S 75.000,-- (Ersatzarrest 7 Tage) und warf ihm folgenden Sachverhalt vor:
Er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Sch Bauges.m.b.H. in D dafür verantwortlich, daß am 16.11.1995 auf der Baustelle Ortskanal St. Martin, zwischen Schacht J 4 und J 5, eine Künette von 2 m Tiefe nicht abgeböscht und auch nicht verbaut gewesen sei, obwohl Künetten bei mehr als 1,25 m Tiefe zu verbauen oder abzuböschen seien oder ein geeignetes Verfahren zur Bodenverfestigung anzuwenden sei.
Der Beschuldigte berief zunächst gegen Schuld und Strafe, schränkte die Berufung aber auf die Strafhöhe ein. Dies mit der Begründung, daß als mildernd der außerordentliche Sachverhalt (nämlich eine, einem leichten bzw. schweren Fels vergleichbare Bodenbeschaffenheit) zu berücksichtigen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe auch mehrfache einschlägige Vorstrafen als erschwerend gewertet, ohne diese im einzelnen anzuführen. Der Berufungswerber mutmaßt, es könnte ein noch nicht rechtskräftiges Verfahren (GZ.: 15.1 1996/618) gemeint sein.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt als Berufungsbehörde nach § 51 Abs 1 VStG nach Überprüfung der Strafbemessung zu folgendem Ergebnis:
Da nur gegen die Strafhöhe berufen wurde, wurde der Schuldspruch teilrechtskräftig.
Nach § 130 Abs 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen
19.) die Verpflichtungen betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Im vorstehenden Fall war eine Künettentiefe von 2 m gegeben, die Künette war aber nur in einem relativ geringfügigen Ausmaß unvollständig abgeböscht. So hätte in der unteren Hälfte, bei der leichter Felsboden vorlag, eine Böschung von höchstens 80 Grad erfolgen müssen, während tatsächlich mit 90 Grad geböscht war. Im oberen Bereich, in dem bindiger Boden vorlag, der mit 60 bis 70 Grad geböscht war, hätte mit maximal 60 Grad geböscht sein dürfen. Es ist daher trotz nicht unbeträchtlicher Tiefe der Künette keine stark ausgeprägte (abstrakte) Gefährdung anzunehmen. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Aufgrund des Bescheides der belangten Behörde vom 30.03.1993 wegen Verletzung des § 16 Abs 4 1. Satz Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/54, liegt eine Vorstrafe in Höhe von S 8.000,-- (Ersatzarrest 8 Tage) vor, die entgegen dem Berufungsvorbringen einschlägig ist, da es sich hiebei um die Verletzung der Pölzungsvorschriften von Künetten handelt, welche nach der damals geltenden BauVO nach § 16 Abs 4 normiert waren. Diese Vorstrafe ist erschwerend. Es handelt sich dabei aber um keinen Fall, der die gegenständliche Übertretung zu einem Wiederholungsfall machen würde, da diese Voraussetzung nur dann gegeben erscheint, wenn auch die Vorstrafe eine Verletzung des § 48 Abs 2 BauV (und nicht des § 16 Abs 4 BauVO) betrifft. Es ist daher der erste, von S 2.000,-- bis S 100.000,-- reichende Strafsatz anzuwenden.
Weitere Erschwerungsgründe bilden folgende einschlägige Vorstrafen: Aufgrund des Bescheides der belangten Behörde vom 07.01.1994 eine zweifache Verletzung des § 7 Abs 1 1. Satz BauVO sowie eine Verletzung des § 6 Abs 1 BauVO. Es sind dies Vorschriften, die die Sicherung von Arbeitnehmern gegen Absturz an gefährlichen Arbeitsstellen sowie die Anlegung und den Schutz von Arbeitsstellen, Zugängen zu solchen und von Verkehrswegen im Baustellenbereich betreffen. Diese Delikte beruhen auf der gleichen schädlichen Neigung. Es liegen noch weitere Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen (insbesondere des AZG) vor, die aber nicht einschlägig sind.
Milderungsgründe liegen nicht vor.
Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse haben sich durch den mittlerweile eingetretenen Konkurs der Bauunternehmung Sch Gesellschaft m.b.H. verschlechtert. Der Berufungswerber hat nur mehr ein Nettoeinkommen von S 15.000,-- monatlich. Er besitzt ein Zweifamilienhaus im Wert von S 3 Mio., belastet mit Darlehen in Höhe von S 4 Mio. und ist für seine Ehegattin und zwei Kinder sorgepflichtig.
Die Geldstrafe von S 75.000,-- ist weitaus überhöht. Bei Anwendung des ersten Strafsatzes des § 130 Abs 1 ASchG konnte die Geldstrafe auf S 15.000,-- (Ersatzarrest 2 Tage) herabgesetzt werden. Dabei ist ein durchschnittliches Ausmaß von Fahrlässigkeit vorauszusetzen, weil entgegen der aus § 5 Abs 1 VStG hervorgehenden Verpflichtung zur Geltendmachung eines Entlastungsvorbringens in der Berufung keine Ausführungen zu einem Kontrollsystem erfolgt sind. Da es sich bei der Verletzung des § 48 Abs 2 BauV um ein Ungehorsamsdelikt handelt, hätte der Berufungswerber entsprechend initiativ werden müssen.
Auch von der nunmehr verhängten Strafe ist noch eine abschreckende Wirkung zu erwarten.
Eine Berichtigung des Spruches in der Sachverhaltsumschreibung steht der Berufungsbehörde wegen der Rechtskraft des Schuldspruches nicht mehr zu, hingegen war die bei Verhängung der Geldstrafe angewendete Gesetzesbestimmung zu korrigieren. Die belangte Behörde nannte die Ziffer 16 des Abs 1 des § 130 ASchG. Sie sah offensichtlich den Künettenverbau als Arbeitsmittel an und unterstellte den Sachverhalt damit dem dritten Abschnitt des ASchG, dessen Verletzung nach Ziffer 16 zu bestrafen ist. Sie übersah dabei aber, daß die Verletzung des § 48 Abs 2 BauV auch in einem Unterlassen des Abböschens von Künetten oder von Maßnahmen zur Bodenverfestigung bestehen kann. In Wahrheit sind daher die Regelungen des 6. Abschnittes (Erd- und Felsarbeiten) der BauV als Ausführung der grundsätzlichen Bestimmungen des 6. Abschnittes (Arbeitsvorgänge und Arbeitsplätze) des ASchG anzusehen, deren Verletzung nach Ziffer 19 zu bestrafen ist.
Die Kosten für das Verfahren der ersten Instanz waren in Entsprechung des § 64 Abs 1 und 2 VStG herabzusetzen, für das Berufungsverfahren fallen keine Kosten an (§ 65 VStG). Der Berufung war somit im angeführten Ausmaß stattzugeben.