TE UVS Burgenland 1998/02/09 13/02/98015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied

Mag Grauszer über die am 04 02 1998 eingelangte Beschwerde gemäß

§ 72 Fremdengesetz 1997-FrG, BGBl Nr I 1997/75, des Herrn

(BF), geboren am           , irakischer Staatsbürger, vertreten

durch

Frau                  , vom 04 02 1998, wegen behaupteter

Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft über Anordnung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (belangte Behörde, BH) ab 14 01 1998 zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 73 Abs 2 und 4 Fremdengesetz 1997 iVm § 67c Abs 4 AVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt dieser Entscheidung vorliegen.

 

Gemäß § 79a AVG hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für

Inneres) Kosten in der Höhe von S 565,-- für Vorlageaufwand zu ersetzen.

Text

1.1.  Aufgrund des Fremdenpolizeiaktes der belangten Behörde zur Zahl

11/6-104840-1997 ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

Der BF ist am 15 12 1997 zu Fuß über die grüne Grenze (unter Umgehung

der Grenzkontrolle) von der Slowakei nach Österreich eingereist und wurde im Ortsgebiet von Kittsee von Grenzüberwachungsorganen des österreichischen Bundesheeres um 22 30 Uhr aufgegriffen und festgenommen. Er führte kein Reisedokument mit sich, jedoch Barmittel

von US$ 173. Er behauptet, irakischer Staatsbürger zu sein und unter Schlepperbeteiligung über die Türkei nach Österreich gelangt zu sein,

wobei ihm sein Aufenthalt in der Slowakei nicht bewußt gewesen sei. Inlandsbeziehungen sind nicht hervorgekommen.

 

Mit Bescheid vom 16 12 1997, ausgefolgt am selben Tag um 13 30 Uhr, wurde von der BH über ihn die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Mit Bescheid vom selben Tag, ausgefolgt um 14 30 Uhr, wurde

er gemäß § 17 Abs 2 Z 6 FrG 1992 im Interesse der öffentlichen Ordnung ausgewiesen und ausgesprochen, daß er gemäß § 17 Abs 3 FrG 1992 unverzüglich ausreisen müsse.

 

Mit Schreiben vom 18 12 1997 beantragte die BH bei der irakischen Botschaft in Wien die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den

BF.

 

Der im Akt erliegenden Ladung des Bundesasylamtes Linz vom 07 01 1998

ist zu entnehmen, daß der BF im Polizeigefangenenhaus der BPD Linz in

Schubhaft angehalten wurde, am 31 12 1997 einen Asylantrag gestellt hat und seine Vorführung zur Ersteinvernahme am 14 01 1998 angeordnet

wurde. An diesem Tage wurde ihm gemäß § 19 Abs 2 Asylgesetz 1997 die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt und ihm eine diesbezügliche Bescheinigung ausgefolgt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Linz vom 27 01 1998 zur Zl 98 00 126-BAL wurde sein Asylantrag abgewiesen und hievon die BH am 30 01 1998 (Tag des Einlangens) schriftlich verständigt.

 

1.2. In der gegenständlichen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft mit folgender Begründung behauptet:

 

Der BF sei unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und bei Kittsee von Grenzüberwachungsorganen aufgegriffen worden, worauf er aus Österreich ausgewiesen und in Schubhaft genommen worden sei. Erst nach seiner Überstellung ins Polizeigefangenenhaus Linz sei es ihm gelungen, den Asylantrag zu stellen. Das Bundesasylamt Linz habe ihn daraufhin am 14 01 1998 einvernommen und die Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ausgehändigt.

 

Das Ziel der Anhaltung in Schubhaft sei nicht zu erreichen, weil der BF als Asylwerber gemäß § 21 Abs 2 Asylgesetz nicht abgeschoben werden dürfe und amtlich bekannt sei, daß eine Abschiebung in den Irak nicht möglich sei, weil die Botschaft keine Dokumente für irakische Staatsbürger ausstelle und andererseits die Abschiebung tatsächlich nicht durchführbar sei. Daher widerspreche die Schubhaft dem § 69 Abs 2 FrG. Seit 14 01 1998 sei er aufgrund der Bescheinigung

über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zum wenn auch nur vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, weshalb mit diesem

Tag der Grund für die Anordnung der Schubhaft weggefallen sei. Die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft seit 14 01 1998 wurde beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat keine Gegenschrift abgegeben und die Akten mit dem Antrag auf Beschwerdeabweisung unter Zuspruch der Pauschalkosten vorgelegt.

 

1.4. Telefonische Erhebungen des Verwaltungssenates beim Bundesasylamt Linz ergaben, daß der Asylwerber im Stande der Schubhaft persönlich seinen Asylwunsch auf einem Zettel am 31 12 1997

im Schubhaftlokal der Bundespolizeidirektion deponiert hat. Deshalb wurde seine Vorführung zur Ersteinvernahme mit Ladung des Bundesasylamtes vom 07 01 1998 veranlaßt. Im Asylverfahren war der BF

nicht vertreten. Der Asylbescheid wurde ihm am 29 01 1998

zugestellt,

eine Berufung dagegen bisher nicht erhoben.

 

2.0.  Hierüber wurde erwogen:

 

2.1.1. Gemäß § 73 Abs 2 zweiter Satz FrG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, daß eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist im Anlaßfall gegeben, weshalb keine Verhandlung anberaumt wurde.

 

2.1.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 09 06 1995, Zahl 95/02/0128, unter Hinweis auf § 52 Abs 4 erster und zweiter Satz des Fremdengesetzes, BGBlNr 1992/838, ausgeführt hat, hat der Verwaltungssenat die behauptete Rechtswidrigkeit der Schubhaft jedenfalls für die Vergangenheit nur unter jenem Blickwinkel (im Rahmen jener Gründe) zu prüfen, aus welchem dies geltend gemacht wird.

 

Im Falle der andauernden Haft hat der Verwaltungssenat jedenfalls (also unabhängig vom Beschwerdevorbringen) auszusprechen (festzustellen), ob die Voraussetzungen für die Fortdauer der Haft

IM

ZEITPUNKT SEINER ENTSCHEIDUNG vorliegen.

 

2.1.3. Soweit in diesem Bescheid zitierte Erkenntnisse des VwGH und des UVS Burgenland sich auf Bestimmungen des mit Ablauf des 31 12 1997 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes, BGBlNr 1992/838 idF 1994/505, in der Folge kurz FrG 1992 bezeichnet, beziehen, so haben sie auch im zeitlichen Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 insoweit Bedeutung, als die Nachfolgeregelungen teilweise wortidentisch oder inhaltsgleich sind.

 

2.2. Im Hinblick auf den Beschwerdeantrag ist im Anlaßfall die Rechtmäßigkeit der nur der Sicherung der Abschiebung dienenden Anhaltung in Schubhaft ab 14 01 1998 zu prüfen. An diesem Tage war der BF Asylwerber, was er bis zum heutigen Tage geblieben ist, weil die Rechtsmittelfrist hinsichtlich seines abweisenden Asylbescheides noch nicht abgelaufen ist, und erhielt er die Bescheinigung über seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Der BF behauptet unter Hinweis auf § 21 Abs 2 AsylG und § 69 Abs 2 FrG die Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung, weil Asylwerber nicht abgeschoben werden dürften, sohin das ab dem Ausweisungsbescheid verbleibende Ziel der Schubhaft, die Abschiebung, nicht zu erreichen sei. Damit ist er nicht im Recht:

 

Nach § 21 Abs 2 AsylG dürfen zwar Asylwerber nicht abgeschoben werden, doch bedeutet dies nicht, daß sie zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung nicht in Schubhaft behalten werden dürften. Der im Anlaßfall unstrittige Haftgrund der Sicherung der Abschiebung fällt weder wegen des Asylantrages noch aufgrund des (alleinigen) Umstandes, daß dem BF als Asylwerber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs 2 AsylG bescheinigt wurde, weg.

 

Der § 21 AsylG ist mit Schutz vor Aufenthaltsbeendigung betitelt und erklärt in seinem ersten Absatz, daß das Fremdengesetz auf Asylwerber insgesamt Anwendung findet (was auch ohne diese Regelung schon aufgrund des Fremdengesetzes der Fall ist), sofern im folgenden

nichts anderes festgelegt wird. Im folgenden bestimmt das Gesetz, daß

bestimmte Vorschriften des Fremdengesetzes, darunter § 61 FrG, der die Schubhaft und die Abschiebung als Schubhaftgrund regelt, auf bestimmte Asylwerber nicht anzuwenden ist. Der persönliche Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung umfaßt Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, die 1) den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben (oder) 2) den Antrag anläßlich der Grenzkontrolle oder anläßlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt

haben. Nur solche Asylwerber dürfen nicht in Schubhaft genommen bzw angehalten werden. Für alle andere Asylwerber (also auch für solche mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung) gilt diese Regelung nicht.

 

Der zweite Absatz des § 21 Abs AsylG enthält das bereits erwähnte Verbot, Asylwerber abzuschieben. Fremde mit rechtskräftig abgewiesenem Asylantrag dürfen nach § 21 Abs 3 AsylG in den Herkunftsstaat nur dann abgeschoben werden, wenn die Asylbehörde dies

rechtskräftig nach § 57 FrG für zulässig erklärt hat.

 

Eine systematische Betrachtung der oben erwähnten Vorschriften deckt die schon durch den Wortlaut zu findende Auslegung, daß die Abschiebung (als Vollstreckungsmaßnahme eines aufenthaltsbeendenden Titelbescheides) für die Dauer des Asylverfahrens nur aufgeschoben wird, um Asylwerber vor der Beendigung ihres Aufenthaltes bis zur endgültigen Entscheidung über ihren Asylantrag zu schützen, insoweit ist sie (nur) vorläufig unzulässig. Nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 57 FrG durch die Asylbehörde darf wieder abgeschoben oder bei gegenteiliger Entscheidung nicht abgeschoben werden. Erst mit diesem Zeitpunkt steht fest, ob die Abschiebung endgültig unzulässig oder das Ziel der Schubhaft, die Sicherung der Außerlandesschaffung eines Fremden, endgültig unerreichbar ist. Ein Anwendungsfall des § 69 Abs 2 FrG liegt sohin nicht vor.

 

Der Umstand, daß dem BF eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß

§ 19 Abs 2 AsylG zuerkannt wurde, hat - für sich allein - keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit seiner Schubhaft. Nur wenn ein (vorläufig aufenthaltsberechtigter) Asylwerber die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Z 1 oder 2 AsylG erfüllt, also seinen Asylantrag unter den dort beschriebenen Umständen eingebracht hat, kommt ihm Haftverschonung zu. Durch die dortige Anknüpfung an die vorläufige Aufenthaltsberechtigung wird (nur) der Kreis der so privilegierten Asylwerber definiert, indem eben auf solche mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung (und damit auf die schon durch § 19 AsylG bevorrechteten Asylwerber) abgestellt wird. Weiters wird dadurch der Zeitpunkt bestimmt, ab dem diese Ausnahmeregelung wirkt, nämlich im Fall des § 19 Abs 2 AsylG mit der Ausfolgung der Bescheinigung über die Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung.

 

Dieses Verständnis von § 21 AsylG als Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Anwendung des Fremdengesetzes auf Asylwerber und die dargestellte

Bezugnahme auf die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zeigen, daß ihrer Zuerkennung im Anlaßfall keine Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft, sowohl hinsichtlich des Haftgrundes

als auch hinsichtlich des Sicherungszweckes, zukommt. Wenn die Ausnahmeregelung des § 21 Abs 1 AsylG nicht greift, so ist die Schubhaft nach dem 2 Abschnitt des 6 Hauptstückes des Fremdengesetzes 1997 zu beurteilen, wo die Haftgründe und der Sicherungszweck geregelt sind.

 

2.3. Zum Beschwerdegrund der Unmöglichkeit der Abschiebung in den Irak wegen der behaupteten Nichtausstellung von Dokumenten für irakische Staatsbürger und wegen ihrer tatsächlichen Undurchführbarkeit genügt der Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß diese Fragen nicht in diesem Schubhaftprüfungsverfahren zu klären sind (VwGH vom 08 07 1994, Zl 94/02/0227) und hat die Botschaft die Ausstellung des beantragten Heimreisezertifikates bisher nicht abgelehnt (VwGH vom 27

01 1995, Zl 94/02/0188). Von einem Feststehen der Unmöglichkeit kann jedenfalls keine Rede sein.

 

2.4. Die Gründe für die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft liegen vor, was sich aus obigen Ausführungen ergibt. Die aus 1.4. ersichtlichen Umstände der Asyleinbringung begründen keine Rechtswidrigkeit der fortgesetzten Schubhaft iSd § 21 Abs 1 AsylG, weil der BF seinen Antrag im Stande der Schubhaft, also nicht außerhalb einer Vorführung (beim Bundesasylamt), sondern gegenüber seinem Bewacher im Polizeigefangenenhaus, also auch nicht anläßlich eines freiwilligen Kontaktes zu einem Organ der öffentlichen Sicherheit, gestellt hat.

 

Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung stellt auch den Sicherungszweck (bei hier fehlenden Inlandsbeziehungen, ungeklärter Identität und kein Reisepaß, kein gesicherter Unterhalt) nicht erfolgreich in Frage. Wozu ein Asylwerber in Schubhaft eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung braucht, kann hier dahingestellt bleiben. Sie allein rechtfertigt nicht die Annahme, daß der Sicherungszweck nicht mehr besteht. Die wegen obiger Umstände begründete Annahme, daß der Asylwerber nach negativem Abschluß seines

Asylverfahrens nicht freiwillig ausreisen und die dann drohende Abschiebung durch Untertauchen erschweren oder vereiteln werde, besteht weiter.

 

2.5. Gemäß § 79a AVG steht der Partei, die in Fällen einer Beschwerde

obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Die §§ 52 bis 54 VwGG gelten auch für diesen Aufwandersatz. Die Entscheidung betreffend die Zuerkennung der Kosten

für Vorlageaufwand gründet sich auf den diesbezüglichen Antrag der obsiegenden Partei, auf die angeführte Gesetzesstelle sowie auf die Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl Nr 855/1995.

Schlagworte
Asylwerber, vorläufige Aufenthaltsberechtigung, Schubhaft
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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