TE UVS Steiermark 1999/03/26 30.4-133/98

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Veröffentlicht am 26.03.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung des Herrn K K, G, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. H H, S-Gasse 4, G, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 27.04.1998, GZ.: A 4 - St 856/1-1997/306, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Auf Grund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grundlage der in Anwesenheit des Vertreters des Berufungswerbers und unter Beiziehung der erforderlichen Zeugen am 28.09.1998 vorgenommenen öffentlichen, mündlichen Verhandlung, ergeben sich folgende Feststellungen:

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 27.04.1998 war über Herrn K K als Inhaber der Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Fleischergewerbes am Standort G, G-Straße, eine Geldstrafe von S 8.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, wegen Übertretung der §§ 81 Abs 1 bzw. 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 verhängt worden, da er an datummäßig und uhrzeitmäßig genau bezeichneten Zeitpunkten zwischen 24.10.1997 und 12.12.1997 die an diesem Standort mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 30.05.1996, GZ.: A 4 - K 1343/k/1961/1, genehmigte Betriebsanlage dadurch geändert hätte, daß er entgegen den in der Betriebsbeschreibung festgelegten Zulieferungszeiten (ab 05.30 Uhr) bzw. den dort festgelegten Betriebszeiten (die Arbeiten in der Betriebsanlage beginnen täglich um 06.00 Uhr) an den angegebenen Tagen außerhalb dieser Zeiten Zulieferungen bzw. andere Manipulationen durchgeführt hätte, die zu unzumutbaren Lärmbelästigungen der Anrainer geführt hätten.

Dieses Straferkenntnis wird im wesentlichen damit begründet, aus der Betriebsbeschreibung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 30.05.1996 gingen die bereits erwähnten Zulieferungs- und Betriebszeiten eindeutig hervor, diese einen Spruchbestandteil bildende Betriebsbeschreibung wäre nach ständiger Judikatur rechtlich einer Auflage gleichwertig zu beurteilen und vom Genehmigungsinhaber wie eine solche einzuhalten, weshalb die Nichteinhaltung der in der Betriebsbeschreibung angeführten Kriterien eine genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage bewirkte, welche bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 81 GewO 1994 an das Vorliegen einer rechtskräftigen Betriebsanlagenänderungsgenehmigung gebunden wäre. Weiters, so wird in der Begründung ausgeführt, seien die einzelnen Übertretungen bzw. Überschreitungen dieses Konsenses aufgrund zeugenschaftlicher Aussagen des betroffenen Anrainers erwiesen, weshalb die festgesetzte Strafe unter Beachtung der erforderlichen Strafbemessungsgründe zu verhängen wäre.

Gegen dieses Straferkenntnis hat K K fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung hinsichtlich jedes einzelnen Zeitpunktes grundsätzlich mit der Begründung bestritten, sollten LKW fallweise vor Beginn des Betriebes ankommen, parkten diese vor dem verschlossenen Tor und warteten bis zum Betriebsbeginn, erst dann erfolgte die tatsächliche Zulieferung, somit eine dem Betriebsinhaber zuzuordnende, gewerbliche Tätigkeit. Dies gelte jedoch für auf öffentlicher Straße verursachten Lärm nicht. Im übrigen würde bezweifelt, die alleinige Aussage eines Nachbarn könne Grundlage für einen Schuldspruch sein, wobei zum Beweis dafür Beweisanträge gestellt wurden.

Von seiten der Berufungsbehörde wurde zunächst zur Klärung des Sachverhaltes von der belangten Behörde eine Kopie des bereits erwähnten Betriebsanlagen-Änderungsgenehmigungsbescheides vom 30.05.1996 angefordert, in weiterer Folge wurde die zur Klärung des Sachverhaltes offensichtlich erforderliche öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung mit Ladungsbescheiden vom 21.08.1998 für 28.09.1998 angeordnet.

Anläßlich dieser Berufungsverhandlung hat sowohl der Vertreter des Berufungswerbers als auch der als Zeuge geladene Nachbar im wesentlichen das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt bzw. konkretisiert, der Sachverhalt konnte innerhalb der Berufungsverhandlung jedoch aufgrund der Komplexität des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht nicht entscheidungsreif geklärt werden.

Aus dem Betriebsanlagen-Änderungsgenehmigungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 30.05.1996, GZ.: A 4 - K 1343/k/1961/1, ergibt sich, daß bezüglich der bestehenden Fleischwerk-Betriebsanlage nach einem am 14.06.1995 durchgeführten Ortsaugenschein Zubauten und Änderungen unterschiedlichster Art zusätzlich zum genehmigten Altbestand durchgeführt worden sind, die Betriebsbeschreibung enthält neben einer detaillierten Darstellung der einzelnen Betriebsabschnitte und des Betriebsablaufes bezüglich der Betriebszeiten folgende Ausführungen:

Die Arbeiten in der Betriebsanlage (Zerlegung, Produktion und dgl.) beginnen täglich (Montag bis Samstag) um 06.00 Uhr. Zulieferungen zur Betriebsanlage erfolgen üblicherweise ab 05.30 Uhr.

In den im Spruchabschnitt B) dieses Bescheides enthaltenen Auflagen finden sich keine solchen, die in Zusammenhang mit den Betriebszeiten stehen.

Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß der Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG, welche gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind.

Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde bzw. durchzuführen ist, ist gemäß § 51 i VStG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet (Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens); weiters ist Zweck dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung als Teil des gemäß § 37 AVG durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung).

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, den Sachverhalt von sich aus festzustellen, begründet als Folgewirkung die Tatsache, daß ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Voraussetzung dafür wiederum ist eine entsprechende Beweissicherung bzw. die Möglichkeit, eine solche durchzuführen.

Gemäß § 366 Abs 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer (Z 2) eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 leg. cit. umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf gemäß § 81 GewO 1994 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Im Fall der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung bzw. des Betreibens nach der Änderung kommt die eigene Strafbestimmung des § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 zur Anwendung, der diesbezüglich vorgesehene Strafrahmen ist gleich wie im Fall des Betriebes einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne die erforderliche gewerberechtliche Genehmigung.

Wie bereits in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses vom 27.04.1998 in rechtlicher Hinsicht ausgeführt worden ist, ist die Nichteinhaltung der in der Betriebsbeschreibung eines gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsbescheides angeführten Kriterien vergleichbar der Nichteinhaltung einer in einem solchen Bescheid rechtskräftig vorgeschriebenen Auflage. Hinsichtlich der diesbezüglich anzuwendenden Judikatur wird im Fall der Nichteinhaltung einer solchen Auflage das jeweilige, darin enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, daß Auflagen so klar gefaßt sein müssen, daß sie den Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (VwGH 25.02.1993, 92/04/0164).

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vom 27.04.1998 wird davon ausgegangen, die im Betriebsanlagen-Änderungsgenehmigungsbescheid vom 30.05.1996 festgelegten Zulieferungszeiten (ab 05.30 Uhr) bzw. Betriebszeiten (ab 06.00 Uhr) wären von jener Klarheit, die sich aus der dargestellten Rechtslage ergibt. Dem steht entgegen die tatsächliche Formulierung in der Betriebsbeschreibung dieses Bescheides vom 30.05.1996, wonach Zulieferungen zur Betriebsanlage üblicherweise ab 05.30 Uhr erfolgen.

Daraus ergibt sich, daß jener Schluß, der dem Schuldspruch im angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegt worden ist, wonach nämlich Zulieferungen zur Betriebsanlage vor 05.30 Uhr niemals hätten erfolgen dürfen, aus diesem in Rechtskraft erwachsenen Spruchteil des Bescheides vom 30.05.1996 nicht ableitbar ist; da somit im Sinne der erwähnten Judikatur das gebotene Tun bzw. erforderliche Unterlassen für den Betriebsinhaber nicht mit jener bereits beschriebenen Konkretheit und Eindeutigkeit ableitbar ist, kann vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nicht ausgegangen werden, weshalb im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Betriebsbeschreibung Auflage Konkretisierung Zulieferung Betriebsanlagenänderung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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