TE UVS Steiermark 2003/01/13 42.14-4/2002

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Veröffentlicht am 13.01.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn A E, vertreten durch Mag. V F, Dr. M C K-S, Dr. A K, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 20.11.2002, GZ.: III/VerkR/Fe-1092/2002Hi., wie folgt entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid

behoben.

Rechtsgrundlage:

§ 35 Abs 1 Führerscheingesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 81/2002 (im Folgenden FSG), §§ 7, 24 Abs 1 Z 1, 29, 32; §§ 64 Abs 2 und 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG).

Text

Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Vorstellung des Berufungswerbers gegen den Mandatsbescheid vom 28.8.2002 keine Folge gegeben und entzog die Bundespolizeidirektion G dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 6 Monaten, gerechnet vom Tage der Zustellung des Bescheides (5.9.2002) bis einschließlich 5.3.2003. Gleichzeitig verbot sie dem Berufungswerber das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen, sowie Invalidenkraftfahrzeugen für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung und ordnete die Behörde als begleitende Maßnahme eine amtsärztliche Untersuchung an. Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Bundespolizeidirektion G begründete die Entziehung der Lenkberechtigung, den Ausspruch eines Lenkverbotes und die Maßnahme einer amtsärztlichen Untersuchung im Wesentlichen mit der nicht mehr gegebenen Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers im Sinne des § 7 Abs 4 Z 2 FSG. Der Berufungswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes G vom 19.7.2002 wegen der §§ 207 Abs 1, 212 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf 3 Jahre verurteilt worden. Das Urteil sei rechtskräftig. Die Entziehung der Lenkerberechtigung stelle eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Verkehrssicherheit dar, die unaufschiebbar sei. Auf persönliche, wirtschaftliche oder berufliche Interessen könne keine Rücksicht genommen werden. In seiner fristgerecht erhobenen Berufung wiederholte der Berufungswerber im Ergebnis sein Vorstellungsvorbringen. Richtig sei, dass der Berufungswerber mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen G vom 19.7.2002 wegen der §§ 207 Abs 1, 212 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden sei, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Ebenfalls sei richtig, dass dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen sei. Unrichtig jedoch sei der Schluss der erstinstanzlichen Behörde, wonach die Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs 4 Z 2 FSG nicht mehr gegeben sei. Die erstinstanzliche Behörde habe sich in keinster Weise damit auseinandergesetzt, dass bei der Wertung einer Tat die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit und die verstrichene Zeit seit der Tathandlung maßgebend seien. Ebenso missachte sie, dass es nicht auf die Verurteilung selbst, sondern auf das wesentliche Ergebnis des gerichtlichen Beweisverfahrens abzustellen sei. Aus dem gegenständlichen Strafurteil ergebe sich, dass sich der Berufungswerber bei zwei Angriffen voll bekleidet auf ein ebenfalls voll bekleidetes, am Bett liegendes Mädchen gelegt und kurzfristig beischlafähnliche Bewegungen ausgeführt habe. Diese Handlungen seien in seiner eigenen Wohnung vorgenommen worden. Es sei also die Begründung, dass der Berufungswerber in seiner Mobilität einzuschränken sei, da er durch Lenken von Kraftfahrzeugen leichter weitere schwere strafbare Handlungen vornehmen könne, nicht nachvollziehbar. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass die gegenständlichen Handlungen an der untersten Grenze strafrechtlich relevanten Verhaltens lägen, insbesondere seien weder eine Alkoholisierung noch andere besonders gefährliche Verhältnisse oder eine besondere Rücksichtslosigkeit des Antragstellers vorgelegen. Ebenfalls hätten sich diese Vorfälle bereits im Herbst/Winter 2000 zugetragen, sodass der weitere unbeanstandete Lebenswandel des Antragstellers - dem auch keinerlei sonstigen Verstöße gegen die Verkehrszuverlässigkeit vorzuwerfen seien - bis zum Entzug der Lenkerberechtigung im Sommer 2002 zu berücksichtigen gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Entzuges der Lenkberechtigung sei wohl von einer Verkehrszuverlässigkeit auszugehen. Lediglich aus prozessualer Vorsicht werde vorgebracht, dass die Entzugsdauer von 6 Monaten weit überhöht sei und - soferne ein Entzug überhaupt notwendig sei - mit einer wesentlich geringeren Dauer das Auslangen gefunden werden könne. Der Berufungswerber beantragte 1.) den erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze abzuändern, sodass von einer Entziehung einer Lenkberechtigung bzw. Ausspruch eines Fahrverbotes Abstand genommen wird oder 2.) in eventu den hiefür verhängten Zeitraum weitestgehend zu verringern. Gemäß § 35 Abs 1 FSG ist für die im Gesetz vorgesehenen Amtshandlungen, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese zuständig. Über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist bei seiner Entscheidung von nachstehender Sach- und Rechtslage ausgegangen: Der Berufungswerber verfügte über eine Lenkberechtigung der Klasse B, der entsprechende Führerschein wurde ihm durch die Bundespolizeidirektion Graz am 25.4.1997 ausgestellt. Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen G vom 19.7.2002 wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Herbst 2000 und im Dezember 2000 in P eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich der am 3.4.1992 geborenen J G vorgenommen zu haben, indem er sich auf den Rücken der bekleidet und in Bauchlage auf einem Bett liegenden J G legte, seine Hände links und rechts von deren Körper abstützte und unter Berührung ihres Gesäßes und ihrer Oberschenkel rythmische Auf- und Abbewegungen mit seinem Körper durchführte. Durch die Tathandlungen hat er weiters eine seiner Aufsicht unterstehende Person zur Unzucht missbraucht. Dadurch hat das Verbrechen des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB und das Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB begangen und wurde er hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 StGB nach § 207 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Festsetzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Das Gericht traf nachstehende Feststellungen: Zur Person: Der am 18.10.1957 in I geborene A E ist seit 14 Jahren in Österreich und österreichischer Staatsbürger. Mit seiner früheren Lebensgefährtin E T hat er fünf Kinder im Alter von drei, fünf, sieben, neun und zwölf Jahren, wobei die Lebensgemeinschaft vor einem halben Jahr aufgelöst wurde. Zusätzlich zu den Sorgepflichten für diese fünf Kinder hat er noch Sorgepflichten für ein weiteres Kind im Alter von 2 Wochen. Als Angestellter verdient der Angeklagte EUR 800,-- netto monatlich. Darüber hinaus bezieht er als Kursleiter bei der U eine jährliche Entschädigung von ca. EUR 870,--. A E weist keine gerichtlichen Verurteilungen auf. Zur Sache: Im Dezember 2000 bewohnte A E noch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin E T und den gemeinsamen Kindern eine Wohnung in F b G. Hin und wieder kam die in der Nachbarschaft wohnende, am 3.4.1992 geborene J G zu Besuch, um mit den Kindern des A E, insbesondere mit dessen Tochter J, zu spielen. An einem nicht näher bekannten Tag im Herbst 2000 war der Angeklagte mit seiner Tochter J und J G alleine in der Wohnung, wobei die beiden Kinder seiner Aufsicht unterstanden. Die beiden Mädchen spielten zunächst alleine im Kinderzimmer, als der Angeklagte J G zu sich ins Schlafzimmer rief. Seine Tochter J verblieb im Kinderzimmer. A E lag bekleidet auf dem Ehebett. Er forderte J G auf, ihm einen Artikel über den Fußballverein "S G" aus der Zeitung vorzulesen. Daraufhin legte sich J G in Bauchlage quer über das Ehebett, sodass ihre Unterschenkel noch über die Bettkante hinausragten und begann den Artikel vorzulesen. A E legte sich in der Folge ohne sich auszuziehen auf das Gesäß und den Rücken der J G, wobei er sich mit beiden Händen links und rechts von ihrem Körper abstützte. Darauf vollführte er unter Berührung des Gesäßes und der Oberschenkel der J G mit seinem Körper beischlafähnliche rhythmische Auf- und Abbewegungen. Dies tat er mit dem Vorsatz sich durch diese Handlung geschlechtlich zu erregen. Er führte diese Bewegungen durch, bis J G den kurzen Zeitungsartikel fertiggelesen hatte. Ein weiteres Mal forderte A E zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Ende Dezember 2000 in einer gleichgelagerten Situation J G auf, sich auf das Ehebett zu legen, woraufhin er neuerlich mit dem Vorsatz sich geschlechtlich zu erregen das bereits zum ersten Vorfall detailliert beschriebene Verhalten setzte. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel, als erschwerend das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen und zwei Angriffe. Die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe erachtete das Gericht im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten nicht für notwendig, da alleine der drohende Widerruf der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten wird. Das Gerichtsurteil ist seit dem 23. Juli 2002 rechtskräftig. Nach § 7 Abs 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen 1.) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährdet wird, oder 2.) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstige schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 hat nach Abs 3 Z 9 leg cit zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat. Für die Wertung der in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Nach § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1.) die Lenkberechtigung zu entziehen ... Gemäß § 24 Abs 3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dergleichen) oder die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen.

Zur Verkehrszuverlässigkeit: Die belangte Behörde schließt offenbar allein aus der Verurteilung des Berufungswerbers auf seine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit. Der Berufungswerber hat schon in seiner Vorstellung und wiederholt in seinen Berufungsausführungen zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass allein das Fakt einer Verurteilung nicht genügt, sondern die Tat einer Wertung unterzogen werden muss, die sich an die im Gesetz vorgegebenen Kriterien zu orientieren hat. Eine solche Wertung ist in der Begründung des Bescheides nicht erkennbar. Ohne die Taten beschönigen zu wollen, ist keine über das Tatbild hinausgehende Verwerflichkeit festzustellen, aus der auf eine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit geschlossen werden kann. Hier ist inhaltlich dem Berufungsvorbringen zu folgen. Die belangte Behörde sieht zutreffenderweise in der Entziehung der Lenkberechtigung eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Verkehrssicherheit. Dabei übersieht sie im konkreten Fall, dass die vom Berufungswerber gesetzten strafrechtlichen Handlungen bereits im Herbst 2000 und im Dezember 2000 begangen worden sind und sich der Berufungswerber seit dieser Zeit nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen. Zwischen den strafbaren Handlungen und der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. der Verhängung des Fahrverbotes im Herbst 2002 fehlt daher auch der zeitliche Bezug, der eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Verkehrssicherheit rechtfertigen kann. Bis auf die in Rede stehende Verurteilung ist der Berufungswerber gerichtlich unbescholten;

verwaltungsstrafrechtlich liegt nur eine Verwaltungsvorstrafe (§ 38 Abs 5 StVO iVm § 38 Abs 1 lit a StVO) aus dem Jahre 1998 vor. Damit bleiben die Taten als Einzelhandlungen innerhalb eines sonst geordneten Lebenswandels. Nachdem es an einer Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers nicht mangelt, fehlt es auch an einer rechtlichen Grundlage für die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach § 24 Abs 3 FSG. Gleiches gilt sinngemäß für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung im Sinne des § 64 Abs 2 AVG. Es war daher der Berufung Folge zu geben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG zur Gänze zu beheben. Auf das Eventualvorbringen war nicht mehr einzugehen.

Schlagworte
Entziehung Lenkberechtigung Verkehrszuverlässigkeit Zeitablauf sexueller Missbrauch Wohlverhalten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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