Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Martina Strele über die Berufung des Herrn W. W., A., vertreten durch Dr. H. Z., Dr. G. P., Dr. H. M. und Dr. P. P., Rechtsanwälte in K., XY, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24.01.2004, Zl FSE-898-2004, nach der am 02.03.2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 35 FSG wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Entzugsdauer von 3 Monaten auf eine Entzugsdauer von 14 Tagen, gerechnet ab 05.12.2004, herabgesetzt wird.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20.12.2004, Zl VA-898-2004, wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von 3 Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, das war der 05.012.2004, entzogen. Gleichzeitig wurde ihm das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung verboten sowie weiters das Recht, von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung auf die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt.
Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass der Berufungswerber am 05.12.2004 um 17.42 Uhr in Langkampfen auf der A 12 das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen XY gelenkt habe und dabei ein Verhalten das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gesetzt habe bzw mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Vorschriften verstoßen habe. Er habe nämlich die in diesem Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 62 km/h überschritten, wobei äußerst starker Verkehr auf beiden Fahrspuren geherrscht und die Fahrbahn einen abgefrästen Asphalt aufgewiesen habe. Außerdem habe er im Fahrzeug noch drei weitere Personen, darunter zwei Kinder mitgeführt.
Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24.01.2005, Zl FSE-898-2004, keine Folge gegeben. Zusätzlich wurde ausgesprochen, dass einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.
Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitige Berufung. In dieser Berufung wurde ausgeführt, dass der Beschuldigte am 05.12.2004 gegen 17.42 Uhr auf der Inntalautobahn im Bereich des Strkm 8,8 (in Fahrtrichtung Innsbruck) mit einer Geschwindigkeit von ca 162 km/h gefahren sei. Aus dem im erstinstanzlichen Akt erliegenden Schreiben der Alpenstraßen AG vom 06.08.2004 würde sich ergeben, dass diese (das Verkehrsministerium) ersucht habe, in diesem Streckenabschnitt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h für den Zeitraum vom 01.10.2004 bis 01.10.2006 zu verordnen. Dies deshalb, da in diesem Bereich die oberste Asphaltschicht abgefräst werden würde.
Außer dem Umstand, dass die oberste Asphaltschicht abgefräst worden sei, würden sich im gegenständlichen Straßenabschnitt keinerlei Behinderungen finden. Aufgrund der langen Dauer des Fehlens der obersten Asphaltschicht seien sogar die Straßenmarkierungen auf dem Beton wieder angebracht worden. Völlig zu Unrecht würde die Erstbehörde davon ausgehen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen erfolgt wäre. In der Beurteilung der Rechtsfrage spreche die Erstbehörde von einer enormen Geschwindigkeitsüberschreitung, wozu Dunkelheit und die deutlich reduzierte Griffigkeit (auf der Fahrbahn) komme. Diese Umstände seien jedoch keinesfalls geeignet, um von besonders gefährlichen Verhältnissen ausgehen zu können.
Die A 12 sei damals ?komplett frei? gewesen. Es habe eine klare Nacht geherrscht, die Fahrbahn sei trocken und seien Temperaturen über 0 Grad gegeben gewesen. Weiters sei auch kein Nebel zu verzeichnen gewesen. Der Beschuldigte habe ausreichend Sicherheitsabstand eingehalten und sei das Fahrzeug mit neuen Winterreifen ausgestattet gewesen, die erst vier Monate in Gebrauch gewesen seien.
Die Erstbehörde würde sich insbesondere auf die reduzierte Griffigkeit der Fahrbahn beziehen. Dieser Umstand sei jedoch geradezu Anlass gewesen, die höchstzulässige Geschwindigkeit von 130 km/h durch Verordnung auf 100 km/h reduzieren zu lassen. Der Beschuldigte sei ?lediglich? 162 km/h gefahren. Das Gesetz sehe einen Führerscheinentzug vor, wenn auf Freilandstraßen die höchstzulässige Geschwindigkeit um mehr als 50 km/h überschritten werde. Der Betroffene habe diese Geschwindigkeit auf einer Autobahn um (lediglich) 8 Prozent überschritten. Es sei daher keinesfalls von besonders gefährlichen Verhältnissen auszugehen.
Richtig sei, dass die Beamten dem Betroffenen mit Blaulicht und Folgetonhorn nachgefahren seien. Der Betroffene habe sich aber keineswegs auf der Flucht vor der Gendarmerie befunden, sondern habe die A 12 bei der Autobahnausfahrt Kirchbichl verlassen, um seinen Wohnsitz in A. zu erreichen. Bei der Ausfahrt habe der Beschuldigte seine Fahrgeschwindigkeit reduziert und hätten die Gendarmeriebeamten schneller fahren müssen, um ihn einzuholen. Dieser Umstand würde aber keine besonders gefährlichen Verhältnisse herbeiführen, sondern würde es im Ermessen der Gendarmeriebeamten liegen, ob sie es für sinnvoll erachten, trotz wesentlichem Geschwindigkeitsunterschied eine Verfolgung aufzunehmen oder lediglich eine Anzeige zu erstatten, was ebenfalls leicht möglich gewesen wäre.
Zusammengefasst habe er somit gegen § 7 Abs 3 Z 4 FSG verstoßen, da er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat. Es sei demnach ein Sonderfall der Entziehung gegeben und zwar § 26 Abs 3 FSG, wonach die Entziehungsdauer bei der erstmaligen Übertretung zwei Wochen zu betragen hat.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in welcher Sabine Wieder einvernommen werden möge, beantragt die Entzugsdauer von 3 Monaten auf 2 Wochen herabzusetzen.
Festgehalten wird, dass beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol den selben Sachverhalt betreffend zu Zl 2005/18/0304 ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber wegen Übertretung der Bestimmung des § 52 lit a Z 10a StVO in Verbindung mit § 99 Abs 2 lit c StVO (Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse) anhängig ist.
Sowohl im Verwaltungsstrafverfahren, 2005/18/0304, als auch im gegenständlichen Führerscheinentzugsverfahren wurden für den 02.03.2005 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und wurden mit Einverständnis des Berufungswerbers die Verfahren gemeinsam verhandelt. Es erfolgte die Einvernahme des Berufungswerbers, seiner Gattin S. W. sowie jene des Zeugen RI A. M. Überdies wurde der erstinstanzliche Akt dargetan.
Sodann wurde im Verwaltungsstrafverfahren der Berufung insofern Folge gegeben, als die über den Berufungswerber verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 800,00 auf Euro 400,00, im Uneinbringlichkeitsfalle 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wurde. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde insoferne abgeändert als die Verhängung der Strafe nach § 99 Abs 3 lit a StVO ? mangels Vorliegens besonders gefährlicher Verhältnisse ? erfolgt.
Unstrittig ist sohin, dass der Berufungswerber mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24.01.2005, Zl VA-898-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 52a Z 10a StVO in Verbindung mit § 99 Abs 3 lit a StVO rechtskräftig bestraft wurde. Mit dieser Bestrafung steht für die Führerscheinentzugsbehörde die Übertretung der Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 52a Z 10a StVO bindend fest. Im Übrigen wird seitens des Berufungswerbers auch nicht bestritten, dass am Tattag die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat.
Auch wenn der Berufungswerber im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren nach § 52a Z 10a iVm § 99 Abs 2 lit c StVO (Verstoß beim Überholen ?unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern? gegen Bestimmungen der StVO 1960) bestraft wurde und dieses Straferkenntnis im Berufungsverfahren nunmehr insofern abgeändert wurde als die Bestrafung ?nur? nach § 52a Ziff 10a iVm § 99 Abs 3 lit a StVO ? mangels Vorliegens der besonders gefährlichen Verhältnisse ? erfolgt, schließt dies für die Berufungsbehörde im Führerscheinverfahren nicht aus, außerhalb der Bindungswirkung selbst zu beurteilen, ob der Bestrafte durch Übertreten von Verkehrsvorschriften ein Verhalten im Sinn des § 7 Abs 3 Z 3 FSG gesetzt hat, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuge maßgebenden Vorschriften verstoßen hat.
Als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gilt nach der demonstrativen Aufzählung des letzten Halbsatzes des § 7 Abs 3 Z 3 FSG erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen zu dem an sich strafbaren verkehrswidrigen Verhalten des Täters noch zusätzliche Sachverhaltselemente hinzukommen, damit angenommen werden kann, dass die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen worden ist.
Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere mit Erkenntnis vom 20.02.1985, Zl 84/11/0156, ausgesprochen, dass die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse im Zusammenhang mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung (verfahrensgegenständlich war die Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 90 Prozent) konkreter Feststellungen über die näheren Umstände der Begehung dieser Verwaltungsübertretung, insbesondere über das Ausmaß der Sichtbeeinträchtigung, über die sich (aus dem Schneefall) ergebenden Fahrbahnverhältnisse sowie über die sonstige Beschaffenheit der Straße am Tatort (Breite, gerader oder kurviger Verlauf, Kreuzungen) bedarf.
Im gegenständlichen Fall konnte nicht festgestellt werden, dass außer der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung, nämlich um 62 km/h bei einer bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h, weitere Umstände gegeben gewesen wären, die die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse rechtfertigen würden. Dabei ist insbesondere auszuführen, dass nicht verifiziert werden konnte, dass damals etwa ein starkes Verkehrsaufkommen gegeben gewesen wäre. Zudem ist auszuführen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h darauf basiert, dass eben Asphaltabfräsungen durchgeführt worden sind. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung sollte somit auch dem Umstand gerecht werden, dass dadurch eine geringere Griffigkeit der Fahrbahn gegeben ist. Das Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen aufgrund der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 162 km/h, kann damit noch nicht begründet werden.
Gemäß § 7 Abs 1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Gemäß § 7 Abs 3 Z 4 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
Im gegenständlichen Fall ergeben sich ? wie festgestellt wurde ? jedoch keine Hinweise dafür, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung unter ?besonders gefährlichen Verhältnissen? begangen wurde. Jedenfalls aber hat der Berufungswerber ? wie er selbst angibt ? die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten.
Gemäß § 26 Abs 3 FSG hat im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs 3 Z 4 FSG genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1, 2 oder 4 vorliegt - die Entziehungsdauer zwei Wochen, zu betragen.
Es war daher der Berufung insofern Folge zu geben und die Entzugsdauer von 3 Monaten auf das gesetzliche Mindestausmaß von 2 Wochen herabzusetzen.