Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr Giefing über die Berufungen des Zollamtes Eisenstadt vom 26 1 2006 gegen die Bescheide des Magistrats der Landeshauptstadt Freistadt Eisenstadt jeweils vom 16 1 2006, Zl 100-2/508/3-2006 (zu 1) und Zl 100-2/509/3-2006 (zu 2) in den Verwaltungsstrafsachen *** (zu 1), geboren am ***, wohnhaft in ***, und *** (zu 2), geboren am ***, wohnhaft in ***, beide vertreten durch die *** Rechtsanwälte OEG in ***, wegen Erteilung einer Ermahnung zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG werden die angefochtenen Bescheide behoben.
I.1. Der Spruch und die Begründung der angefochtenen Bescheide lauten gleichlautend wie folgt:
"S p r u c h
Gemäß § 21 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen und den Beschuldigten eine Ermahnung erteilt.
B e g r ü n d u n g
§ 21 VStG lautet:
,Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.?
Das Verschulden des Beschuldigten ist geringfügig. Die Folgen der Übertretung sind als unbedeutend anzusehen.
Der Beschuldigte hat aber rechtswidrig gehandelt, daher ist die Ermahnung aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, und es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
I.2. Gegen diese Straferkenntnisse erhob das Zollamt Eisenstadt jeweils wegen "unrichtiger rechtlicher Begründung" fristgerecht Berufung. Nach Darstellung der anwendbaren Rechtslage vermeint das Zollamt Eisenstadt, dass der objektive Tatbestand der bewilligungslosen Beschäftigung zweier Ausländer iS des § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG als erwiesen anzusehen sei. Es werde der Antrag gestellt, wegen der illegalen Beschäftigung über jeden der Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von 2000 Euro zu verhängen.
II. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
II.1. § 21 Abs 1 VStG lautet:
"§ 21. (1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten."
Der Gesetzgeber hat die bescheidmäßige Ermahnung des Beschuldigten nur für jene Fälle vorgesehen, in welchen an sich die Voraussetzungen für die Verhängung einer Strafe gegeben sind (VwGH 30 10 1972, 740/72). Das Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG bzw der Ausspruch einer Ermahnung im Sinne dieser Bestimmung setzt demnach die Begehung einer Verwaltungsübertretung voraus (VwGH 25 4 1983, 82/10/0193). Ein derartiger Bescheid hat also einen Schuldspruch und im Fall des § 21 Abs 1 zweiter Satz VStG den Ausspruch der Ermahnung zu enthalten. Schuldspruch und Ausspruch der Ermahnung sind trennbar (VwGH 19 5 1993, 92/09/0031).
II.2. Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Bescheid zwar den Ausspruch der Ermahnung, jedoch keinen Schuldspruch. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bescheid, mit dem eine Ermahnung ausgesprochen wird, welcher aber im Spruch weder den strafbaren Tatbestand noch die übertretene Verwaltungsnorm angibt, rechtswidrig (so bereits VwGH 22 6 1971, 253/71).
Trotz Fehlens dieser essentiellen Bestandteile des Spruches eines Straferkenntnisses ist vom Vorliegen eines Bescheides auszugehen, zumal hier - im Unterschied etwa zu dem in VwGH 25 6 1987, 85/06/0169 zugrunde liegenden Fall - ein Rechtsakt angefochten ist, der sich nicht bloß darin erschöpft, "gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen" (was nach dem genannten Erkenntnis mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit die mangelnde Bescheidqualität des Rechtsakts zur Folge hatte), sondern darüber hinaus eine behördliche "Ermahnung" ausspricht.
Die Berufung des Zollamtes Eisenstadt richtet sich im Berufungsfall nur gegen die von der belangten Behörde ausgesprochene Ermahnung.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist demnach ausschließlich die Frage, ob die Behörde erster Instanz zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausspruch einer Ermahnung bejahen konnte oder nicht.
In VwGH 26 5 1999, 97/09/0364 erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass sich die belangte Behörde auch anlässlich einer nur gegen den Ausspruch einer Ermahnung gerichteten Berufung mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt hätte, ob aufgrund des § 28 Abs 4 AuslBG
- wonach die Strafbestimmungen des § 28 Abs 1 AuslBG nicht anzuwenden sind, wenn die Zuwiderhandlung vom Organ einer Gebietskörperschaft begangen worden ist - eine Bestrafung nach § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG überhaupt in Betracht käme. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis aus, dass die belangte Behörde diesfalls - dh auch im Rahmen einer bloßen Berufung gegen die Strafhöhe - verpflichtet gewesen wäre, sich mit dieser Voraussetzung der Anwendbarkeit der Strafbestimmungen des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG auseinander zu setzen.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Spruch der Bescheide - und nur dieser ist rechtsverbindlich - in keinster Weise hervor, auf welchen strafbaren Tatbestand des AuslBG bzw auf welcher übertretenen Verwaltungsnorm sich die Bescheide der belangten Behörde stützen. So wäre es einerseits für die Beurteilung der Geringfügigkeit der Folgen der Tat nach § 21 Abs 1 VStG erforderlich, dass der Spruch jeweils Tatzeit und Anzahl der beschäftigten Ausländer enthält; anderseits wäre es für Beurteilung, ob die Tat erheblich hinter dem in der betreffenden Verwaltungsübertretung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt, erforderlich, dass der Spruch jeweils den strafbaren Tatbestand des AuslBG enthält. Auch für eine etwaige Neufestsetzung der Strafe durch den UVS, wäre die Anführung des Straftatbestandes notwendig, da sich nur daraus der in Betracht kommende Strafrahmen des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG ableiten lässt. Die Nichtanführung dieser essentiellen Elemente des Spruches betrifft also nicht nur die Schuldfrage, sondern die - in Betracht kommenden
-
Sanktionen der Übertretung des AuslBG; mit anderen Worten: die Beurteilung des Unterbleibens des Schuldspruches bildet daher auch den Gegenstand der auf die Strafhöhe beschränkten Berufung.
II.3. Nach dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde immer "in der Sache selbst" zu entscheiden. "Sache" in diesem zuletzt genannten Sinn ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist (vgl VwGH 9 6 1995, Zl 95/02/0081, und die darin wiedergegebene Judikatur). Wird mit Berufung ausschließlich der Strafausspruch, nicht jedoch der Schuldspruch angefochten, so ist aufgrund dieser Trennbarkeit "Sache" des Berufungsverfahrens ausschließlich der Ausspruch über die Strafe. Dasselbe gilt in den Fällen, in denen der Inhalt des angefochtenen Spruches der Unterbehörde von vornherein nur den Ausspruch einer Strafe umfasst. In diesen Fällen wird die "Sache" des Berufungsverfahrens schon vom Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde begrenzt. Der Verfahrensgegenstand bei einer auf den bloßen Strafausspruch eingeschränkten Berufung ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als der Verfahrensgegenstand in Berufungsfällen, in denen sich "die Sache" des Berufungsverfahrens nur deswegen ausschließlich auf die Strafhöhe beschränkt (bzw beschränken kann), weil sich die Behörde erster Instanz beim Inhalt ihres Bescheides auf den Ausspruch einer Strafe (hier: auf den Ausspruch einer Ermahnung) beschränkt und die Erlassung eines Ausspruchs über die Schuld verabsäumt hat. Beschränkt sich die "Sache", in der die Berufungsbehörde zu entscheiden hat, auf den Strafausspruch, ist es der Berufungsbehörde auf Grund von § 66 Abs 4 AVG verwehrt, über den durch den angefochtenen Strafausspruch begrenzten Umfang des Verfahrens hinausgehend, einen in erster Instanz zur Gänze unterbliebenen Schuldspruch im Berufungsverfahren nachzuholen.
Da - wie bereits in Punkt II.2. eingehend dargelegt - der Ausspruch einer Strafe oder einer Ermahnung das Vorliegen eines Schuldspruches voraussetzt, ist der angefochtene Ausspruch der Erstbehörde rechtswidrig erfolgt. Da ein in erster Instanz gänzlich unterbliebener Schuldspruch nach dem Vorgesagten nicht erstmals von der Berufungsbehörde erlassen werden kann und da im Verwaltungsstrafverfahren auch eine Aufhebung des Bescheides unter gleichzeitiger Zurückverweisung an die Erstbehörde zur Neudurchführung des Verfahrens im Sinne des § 66 Abs 2 AVG ausgeschlossen ist, verbleibt nur, den Strafausspruch ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.