Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Frau H. N., geb XY, F. 390/4, M., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 16.01.2007, Zl 3-FSE-966/2-2006 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 35 Abs 1 Führerscheingesetz (FSG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochten Bescheid wurde der Berufungswerberin vorgeschrieben wie folgt:
?I.
Die Bezirkshauptmannschaft Imst ordnet der Inhaberin der von der Bezirkshauptmannschaft Imst erteilten Lenkberechtigung, Führerschein ausgestellt am 23.10.1989, für die Klasse(n) B, unter Zahl 848/99,
gem § 30 b Abs 1 Z 2 Führerscheingesetz, BGBl Nr 120/1997 (FSG) iddgF anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs 4) wegen eines der in § 30a Abs 2 genannten Delikte folgende besondere Maßnahme nach § 30v Abs 3 an:
Teilnahme an:
einem Fahrsicherheitstraining gemäß § 13b der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung ? FSG-DV), BGBL II Nr 310 idF BGBl II Nr 223/2004
II.
Sie haben sich gemäß § 30b Abs 5 FSG binnen vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides der angeordneten besonderen Maßnahme zu unterziehen.
Weiters haben Sie gemäß § 30b Abs 4 FSG der Bezirkshauptmannschaft Imst eine Bestätigung über die Teilnahme und Ihrer Mitarbeit von jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert wurde, vorzulegen.?
Dagegen hat die Berufungswerberin Berufung erhoben darin vorgebracht wie folgt:
?Betreff: Berufung gegen den Bescheid Gz 3-FSE-966/2-2006 vom 16.01.2007
Ich erhebe hiermit in offener Frist
Berufung
gegen oben genannten Bescheid und begründe dies wie folgt:
Meine Tochter D. leidet an einer sehr selten auftretenden Krankheit - nämlich an einem Netherton-Syndrom (siehe beiliegenden Arztbrief vom 13.05.2005) - die an manchen Tagen zu einem unerträglichen Schmerz am ganzen Körper führt. An solchen Tagen ist eine den gesetzlichen Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprechende Sicherung im Auto nur unter Zufügung weiterer Schmerzen möglich. Dies wollte ich an den kontrollierten Tagen meiner Tochter D. ersparen und ihr nicht noch mehr Leid zu fügen.
Mir ist bewusst, dass ich mit meiner Vorgehensweise gegen das Kraftfahrgsetz verstoßen habe. Bitte aber andererseits im Hinblick auf die manchmal unerträglichen Schmerzen meiner Tochter um Verständnis für mein Verhalten als Mutter.
Zukünftig werde ich jedoch die Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes strikt einhalten und ersuche unter Berücksichtigung meiner sehr schwierigen Situation von einer Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining abzusehen, zumal ich meine Tochter rund um die Uhr betreuen muss.
Ich bitte um eine positive Erledigung und verbleibe mit freundlichen Grüßen?.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt sowie Durchführung eines Telefonates mit einem Mitarbeiter des Gemeindesamtes M.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Die Berufungswerberin wurde zweimal rechtskräftig wegen einer Übertretung des § 106 Abs 5 Z 2 KFG bestraft (vgl die Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 20.01.2006, Zl VK-578-2006 und 13.11.2006, Zl VK-11730-2006).
Beide Delikte wurden im örtlichen Führerscheinregister vorgemerkt. Der nunmehr angefochtene Bescheid bezieht sich auf diese Vormerkungen.
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes BGBl I 1997/120 idF BGBl I 2006/32 (FSG) maßgebend:
?§ 30a
(1) Hat ein Kraftfahrzeuglenker eines der in Abs 2 angeführten Delikte begangen, so ist unabhängig von einer verhängten Verwaltungsstrafe, einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung oder sonstiger angeordneter Maßnahmen eine Vormerkung im Örtlichen Führerscheinregister einzutragen. Die Vormerkung ist auch dann einzutragen, wenn das in Abs 2 genannte Delikt den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Die Eintragung der Vormerkung ist von der das Verwaltungsstrafverfahren führenden Behörde, im Fall einer gerichtlichen Verurteilung von der Behörde des Hauptwohnsitzes vorzunehmen und gilt ab dem Zeitpunkt der Deliktsetzung. Der Lenker ist über die Eintragung und den sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im erstinstanzlichen Strafbescheid zu informieren.
(2) Folgende Delikte sind gemäß Abs 1 vorzumerken:
?
13. Übertretungen des § 106 Abs 5 Z 1 und 2, § 106 Abs 5 dritter Satz und § 106 Abs 6 letzter Satz KFG 1967.
?
(4) Die in den § 7 Abs 3 Z 14 oder 15, § 25 Abs 3 zweiter Satz oder § 30b genannten Rechtsfolgen treten nur dann ein, wenn die die jeweiligen Rechtsfolgen auslösenden Delikte innerhalb von zwei Jahren begangen wurden.
?
§ 30b
(1) Unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung ist eine besondere Maßnahme gemäß Abs 3 anzuordnen:
?
2. anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs 4) wegen eines der in § 30a Abs 2 genannten Delikte, sofern wegen des ersten Deliktes nicht bereits eine Maßnahme gemäß Z 1 angeordnet wurde.
(3) Als besondere Maßnahmen kommen die Teilnahme an
?
3. das Fahrsicherheitstraining gemäß § 13b der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl II Nr 320 idF BGBl II Nr 223/2004,
?
in Betracht. Die zu absolvierende Maßnahme ist von der Behörde festzusetzen, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Maßnahme geeignet ist, im Wesentlichen den Unrechtsgehalt der gesetzten Delikte aufzuarbeiten. Es ist jene Maßnahme zu wählen, die für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sich die Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden.
(4) Der von der Anordnung der besonderen Maßnahme Betroffene hat der Behörde eine Bestätigung jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert wurde, über die Teilnahme und seine Mitarbeit vorzulegen.
(5) Wurde die Anordnung der Teilnahme an besonderen Maßnahmen gemäß Abs 1 innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist nicht befolgt oder bei diesen Maßnahmen die Mitarbeit unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
(6) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über 1. den Inhalt und zeitlichen Umfang der in Abs 3 genannten Maßnahmen,
2. die zur Durchführung dieser Maßnahmen berechtigten Personen und Stellen,
3. die Zuordnung der in § 30a Abs 2 genannten Delikte zur jeweils geeigneten Maßnahme und
4. die Kosten der Maßnahme.
Ebenfalls von Relevanz ist im gegenständlichen Fall die Führerscheingesetz-Duchführungsverordnung BGBl II 1997/320, idF BGBl II 2006/66 (FSG-DV):
?§ 13b
(1) Im Rahmen des Fahrsicherheitstrainings ist den Teilnehmern die Bedeutung fahrphysikalischer Grenzen im Hinblick auf die daraus resultierenden Unfallgefahren zu demonstrieren. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Bremsweg je nach Fahrzeugzustand und Fahrbahnbeschaffenheit praktisch vor Augen zu führen. Weiters hat eine individuelle Unterweisung in den wichtigsten Notreaktionen (insbesondere Notbremsung) zu erfolgen. Der Instruktor hat auf individuelle fahrsicherheitsrelevante Defizite einzelner Teilnehmer einzugehen. Im Rahmen des Fahrsicherheitstrainings sind Übungen, die zur Selbstüberschätzung des Teilnehmers führen können, zu vermeiden. Das Fahrsicherheitstraining ist in Gruppen von mindestens sechs und höchstens zwölf Teilnehmern durchzuführen und hat sechs Unterrichtseinheiten zu umfassen.
(2) Das Fahrsicherheitstraining für die Klasse B besteht aus einem theoretischen Teil in der Dauer von höchstens einer Unterrichtseinheit und einem praktischen Teil in der Dauer von fünf Unterrichtseinheiten und hat folgende Inhalte zu umfassen:
1. Theoretischer Teil:
a)
fahrphysikalische Grundlagen,
b)
Bremstechnik,
c)
mögliche Fahrzeugreaktionen und deren Ursachen beim Durchfahren einer Kurve,
d) Ursachen, die zum Über- und Untersteuern eines Kraftfahrzeuges führen,
e) passive und aktive Sicherheitseinrichtungen im und am Kraftfahrzeug;
f) Personenbeförderung, insbesondere richtige Kindersicherung.
2. Praktischer Teil:
a) Überprüfen der richtigen Sitzposition und Durchführen von Lenkübungen,
b) Bremsübungen (Gefahrenbremsung, Notbremsung und Bremswegvergleich),
c)
Bremsausweichübung,
d)
Bremsen auf einseitig glatter Fahrbahn,
e)
richtiges Kurvenfahren und Bremsen in Kurven und
f)
Korrigieren eines über- und untersteuernden Kraftfahrzeuges;
g)
richtige Kindersicherung.?
Die von der Berufungswerberin vorgebrachten Argumente in Bezug auf den Gesundheitszustand ihrer Tochter können nun im gegenständlichen Verfahren nicht mehr mit Erfolg vorgebracht werden, zumal aufgrund der vorliegenden rechtskräftigen Bestrafungen seitens der Berufungsbehörde allein zu prüfen ist, ob die vorgeschriebene Maßnahme gesetzlich gedeckt ist. Diesbezüglich ist auf die oben dargestellte eindeutige Rechtslage zu verweisen. Danach hatte die Behörde I. Instanz, zumal zwei Vormerkungen im Sinne des § 30a Abs 4 FSG vorlagen, eine besondere Maßnahme anzuordnen. Dass sie dazu ein Fahrsicherheitstraining auswählte, ist angesichts der oben zitierten Inhalte eines derartigen Fahrsicherheitstrainings, wozu sowohl im theoretischen als auch praktischen Teil die richtige Kindersicherung zählt, nachvollziehbar und richtig.
Der Argumentation, dass der Berufungswerberin eine Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining nicht möglich sei, zumal sie ihre Tochter ?rund um die Uhr? betreuen müsse, ist einerseits entgegenzuhalten, dass ihre Tochter ungeachtet ihrer Krankheit im Stande ist, die Volksschule zu besuchen und so das Vorbringen der erforderlichen (durchgehenden) 24-Stunden-Pflege offenkundig unrichtig ist, andererseits sie sich in einem derartigen Fall für den Zeitraum des Fahrsicherheitstraining im Gesamtumfange von 6 Stunden um geeignetes Betreuungspersonal kümmern müsste. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Hinweise:
Sollte die Tochter der Berufungswerberin aufgrund der vorliegenden Krankheit tatsächlich an einer im Sinne des § 106 Abs 6 Z 2 KFG ?schwersten körperlichen Beeinträchtigung? leiden, die den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Rückhalteeinrichtung unmöglich macht, wird sie darauf hingewiesen, dass nach § 106 Abs 9 KFG die Möglichkeit besteht, bei der Behörde einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zu stellen, dass eine schwerste körperlich Beeinträchtigung im oben zitierten Sinne vorliegt. Diese Feststellung kann sich ua auch auf die Unmöglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sicherheitsgurtes beziehen. Über diese Feststellung ist eine Bestätigung auszustellen. Diese Bestätigung ist auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.
HINWEIS:
Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt Beilagen) sind Euro 13,00 bei der Bezirkshauptmannschaft Imst zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.