TE UVS Tirol 2007/09/25 2007/18/0499-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alois Huber über die Berufung des H. S., P., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 08.02.2007, Zl VK-1750-2006, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 09.06.2006, um 17.31 Uhr

Tatort: Gemeindegebiet von St. Veit iD, auf der L 25 Defereggental

Straße, bei km 9,761;

Fahrzeug: Motorrad, XY

 

Sie haben die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h in erheblichem Ausmaß, nämlich um mehr als ein Drittel der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, überschritten.?

 

Dem Beschuldigten wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 2 StVO zur Last gelegt und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00, 7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben. In dieser Berufung wurde ausgeführt, dass der Beschuldigte zur Begründung im Straferkenntnis auf Seite 3 festhalten wolle, dass zur gleichen Zeit von St. Jakob i. D. bis zur Ampelbaustelle weitere drei Motorradfahrer unterwegs gewesen seien. Der Beschuldigte sei der erste gewesen, der die Tankstelle (in St. Jakob) verlassen habe und der letzte, der bei der Baustellenampel (Ort der Beamtshandlung) angekommen sei. Die Polizisten hätten sehr wohl bestätigt, dass der Beschuldigte von Herrn R. überholt worden sei. Zu den Aussagen der Polizeibeamten, W. und P., sei zu erwähnen, dass auch der Beschuldigte einen silberfarbenen Helm, der auf der Oberseite schwarz sei und ein schwarzes Visier aufweise, besitze. Von hinten gesehen, wirke der Helm silberfärbig.

 

Von der Polizei sei eingeräumt worden, dass der Beschuldigte vom Polizeifahrzeug, nach ca 2,5 km auf dem Weg zum Anhalteort, der insgesamt 5,5 km vom Messpunkt entfernt sei, überholt worden sei. Dazu sei anzuführen, dass ein Motorrad, welches angeblich mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h gemessen worden sei, von einem Polizeifahrzeug auf dieser kurzen Strecke lediglich dann überholt werden könne, wenn es zwischen 250 und 270 km/h gefahren wäre. Daher könne die Aussage der Polizisten nicht stimmen, dass es möglich gewesen sei, den Zweitbeschuldigten, nämlich Herrn R., einzuholen. Dieser sei auch nachweislich erst bei der Baustellenampelanlage, die auf rot gestellt gewesen sei, wodurch dieser stehen bleiben hätte müssen, von der Polizei eingeholt worden.

 

Der Beschuldigte selbst sei 2,5 km vom Messstandort entfernt von der Polizei überholt worden. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h sei dies möglich, wenn das Polizeifahrzeug auf kurzer Strecke 180 km/h fahre. Wenn die Polizei behaupten würde, dass Herr Rodelsberger und der Beschuldigte in einem gleich bleibenden Abstand (auf ca 400 m) gefahren wären, könne sich dies der Beschuldigte nur so vorstellen, dass dieser Eindruck dadurch entstanden sei, dass er von Herrn R. überholt worden sei.

 

Außerdem sei auf das technische Gutachten der Firma BMW K. in K. zu verweisen, welches nach Aufforderung zur Rechtfertigung vorgelegt worden sei. Aus diesem ergebe sich, dass das vom Beschuldigten gelenkte Motorrad zum Tatzeitpunkt einen Ventilschaden aufgewiesen habe und daher tatsächlich keine höhere Geschwindigkeit, als im technischen Gutachten angegeben, erreichen hätte können. Der Beschuldigte sei mit dieser Firma weder ?verwandt noch verschwägert? und handle es sich um kein ?Gefälligkeitsgutachten?.

 

Im Endeffekt sei der Beschuldigte von der Bezirkshauptmannschaft Lienz nur aufgrund der Aussage eines Polizeibeamten, dass der Beschuldigte derjenige sei, der auf 400 m ?parallel?, neben dem gemessenen Motorrad seines Begleiters zu schnell gefahren sei, verurteilt worden.

 

Dieser Berufung kam Berechtigung zu.

Bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, wurde der Beschuldigte sowie J. R. als Zeuge einvernommen. Überdies wurden die Protokolle der Zeugenaussagen AI G. W. und GI H. P. anlässlich der Berufungsverhandlung betreffend J. R. zu Zl uvs-2007/23/0628 des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13.06.2006 verlesen. Zudem wurde der erstinstanzliche Akt dargetan.

 

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens hat sich der aus dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ersichtliche Sachverhalt nicht objektivieren lassen.

 

In seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung bestritt der Beschuldigte, wie schon in der schriftlichen Berufung, die Begehung der zur Last gelegten Übertretung.

 

Richtig sei, dass er das verfahrensgegenständliche Straßenstück damals mit dem Motorrad mit dem Kennzeichen XY befahren habe, wobei das von ihm gelenkte Motorrad jedoch defekt gewesen sei. Es habe sich um einen Ventilstöseldefekt gehandelt, sodass der Beschuldigte lediglich eine Geschwindigkeit zwischen 120 und 140 km/h erreichen hätte können.

 

Er sei im Defereggental mit seinem Motorrad talauswärts unterwegs gewesen. Dabei sei er von einem Polizeifahrzeug, welches sehr schnell unterwegs gewesen sei, überholt worden. Dieses Polizeifahrzeug habe nicht bei ihm angehalten, sondern sei weitergefahren. Im Nachhinein habe er erhoben, dass es von der Messstelle bis zum Ort, an dem sein Begleiter R. angehalten worden sei, 5 km seien. Als der Beschuldigte diese Anhaltestelle erreicht habe, sei die Amtshandlung mit Herrn R. bereits im Gange gewesen. Er sei sodann von einem der beiden Polizeibeamten befragt worden, ob er zu Herrn R. gehören würde, wobei dies bejaht worden sei. Der Polizeibeamte äußerte hierauf, dass sie dann auch gleich schnell gefahren wären. Der Beschuldigte habe dies jedoch verneint und erklärt, dass er von Herrn R. überholt worden sei und dass dieser deshalb eine weit höhere Geschwindigkeit aufgewiesen habe. Der Beschuldigte sei sodann mehrmals aufgefordert worden, zuzugeben, dass er gleich schnell gefahren sei. Der Beschuldigte habe insbesondere darauf hingewiesen, dass es unmöglich wäre, ihn bereits nach 2,5 km zu überholen, wenn er eine derart hohe Geschwindigkeit eingehalten hätte. Zu den in die Anzeige aufgenommenen ?Angaben des Verdächtigen? führte der Beschuldigte an, dass es sein könne, dass er die höchstzulässige Geschwindigkeit von 100 km/h im verfahrensgegenständlichen Bereich überschritten habe, dies jedoch nicht sagen könne. Genau in diese Richtung habe er sich der Polizei gegenüber geäußert. Als die Amtshandlung bereits abgeschlossen gewesen sei, hätte der Beschuldigten spaßhalber gesagt ?glauben Sie, wir sind zu schnell gefahren, um noch zur Fußball-Weltmeisterschaft pünktlich zu kommen?. Es sei nämlich so gewesen, dass das Eröffnungsspiel am selben Tag ausgetragen worden sei.

 

J. R., dessen Strafverfahren wegen Übertretung nach § 20 Abs 2 StVO rechtskräftig mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20.06.2007 zu Zl uvs-2007/23/0628-4 abgeschlossen worden ist, gab als Zeuge unter Wahrheitsverpflichtung an, dass er sich an den gegenständlichen Vorfall noch erinnern könne. Er habe damals ebenfalls ein BMW-Motorrad gelenkt. Von einer Messung habe er zunächst nichts wahrgenommen. Die Polizei sei ihm erst bei der Anhaltung bei der Baustellenampel vor Hopfgarten aufgefallen. An dieser Baustellenampel sei Rotlicht gegeben gewesen. Der Zeuge schätze, dass er schon etwa ein Minute vor der Ampel gest anden sei, bis die Polizei zum Anhalteort gekommen sei. Er sei sodann dort von der Polizei beamtshandelt worden. Ihm sei dabei vorgehalten worden, dass er eine zu hohe Geschwindigkeit eingehalten habe. Es sei ihm angelastet worden, eine Geschwindigkeit von 181 km/h eingehalten zu haben. Er habe hierauf gesagt, dass er sicher nicht 181 km/h gefahren wäre, wobei er aber eingeräumt habe, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten zu haben.

 

Er habe mit dem Beschuldigten gemeinsam in St. Jakob getankt. Dort hätten sich drei weiterer Motorräder, die ebenfalls ein ?XY?-Kennzeichen gehabt hätten, befunden. Der Beschuldigte habe die Tankstelle zuerst verlassen. Diese Tankstelle sei etwa 10 km vom schließlichen Anhalteort entfernt. Er habe sodann auf der Strecke den Beschuldigten überholt, wobei er aber heute nicht mehr sagen könne, wo genau dies der Fall gewesen sei. Die Amtshandlung am Anhalteort sei bereits voll im Gange gewesen, als schließlich der Beschuldigte den Anhalteort erreicht habe. Der Beschuldigte sei sodann von einem der Polizisten herbeibeordert worden und sei gefragt worden, ob sie zusammengehören würden. Dies sei vom Beschuldigten bejaht worden.

 

Das Motorrad des Beschuldigten habe einen Ventilschaden aufgewiesen. Aufgrund dieses Umstandes habe das Motorrad die Höchstgeschwindigkeit bei weitem nicht erreichen können. Überdies fahre er zügiger als der Beschuldigte. Heute könne er nicht mehr genau sagen, mit welchem Geschwindigkeitsunterschied er den Beschuldigten auf dem Weg zum Anhalteort überholt habe.

 

Der Zeuge könne auch nicht mehr sagen, wie schnell genau er gefahren sei, wobei ihm aber schon bewusst sei, dass der die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h deutlich überschritten habe. Er könne dezidiert ausschließen, dass der Beschuldigte, nachdem er diesen überholt habe, auf etwa 400 m in einem gleichbleibenden Abstand zu ihm nachgefahren wäre. Der Zeuge habe eine höhere Geschwindigkeit eingehalten und sei ihm davon gefahren. Von einem Nachfahren in einem gleichbleibenden Abstand könne nicht gesprochen werden.

 

Es sei auch so, dass er sich bei der Anhaltung durch die Polizei gar nicht betroffen gefühlt habe. Er sei auch heute noch nicht sicher, ob er damals tatsächlich gemessen worden sei oder aber mit einem anderen Motorradfahrer verwechselt worden sei. Die drei Motorradfahrer, die gemeinsam mit ihnen an der Tankstelle gewesen seien, seien ebenfalls Richtung talauswärts gefahren. Auch diese seien sodann vor der Baustellenampel gestanden. Es stimme also nicht, dass damals keine Motorradlenker talauswärts unterwegs gewesen seien.

 

Dieser Aussage ist kein Hinweis dafür zu entnehmen, dass der Beschuldigte damals auf einer Strecke von etwa 400 m einen gleichbleibenden Abstand auf das Motorrad des Zeugen eingehalten habe, wie dies die Polizeibeamten, die im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren zu Zl 2007/23/0628 einvernommen worden sind, angegeben haben.

 

Dazu ist anzuführen, dass die beiden Polizeibeamten in diesem Zusammenhang übereinstimmend angegeben haben, dass lediglich J. R., nicht jedoch der Beschuldigte von der Lasermessung erfasst worden sei. Dabei ist auch zu bemerken, dass bei einer eingehaltenen Geschwindigkeit von 180 km/h 2,5 km in nicht einmal einer Minute zurückgelegt würden. Berücksichtigt man, dass die Polizeibeamten durch das erforderliche Einsteigen in das Polizeifahrzeug einen deutlichen zeitlichen Abstand auf den Beschuldigten aufgewiesen haben müssen, hätten sie zweifelsfrei eine exorbitant hohe Geschwindigkeit einhalten müssen, um den Beschuldigten bereits nach 2,5 km einzuholen.

 

Hinzu kommt, dass die Berufungsbehörde im Berufungsverfahren die Firma Autohaus K. KG ersucht hat, zum behaupteten Ventilschaden Stellung zu nehmen.

 

Dabei wurde mit Schreiben vom 02.04.2007 ausgeführt, dass die Reparatur, wie im Schreiben vom 06.09.2006 ausgeführt, durchgeführt worden sei. Die Teilebestellung sei persönlich bei der Firma W. erfolgt. Die danach ersetzten Teile seien Originalteile von BMW Austria (Einlassventil Teil Nr 11347671089, Ventil 11347692459) gewesen. Eine einwandfrei funktionierende R 1200 GS würde zwischen 190 und 200 km/h erreichen. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde von dieser Firma angeführt, dass das vom Beschuldigte benützte Motorrad zur Tatzeit lediglich eine Geschwindigkeit von 120 bis 140 km/h erreichen hätte können.

 

Auch dieser Umstand lässt begründete Zweifel an der vollständigen Richtigkeit der Angaben in der Anzeige aufkommen.

 

Insgesamt gesehen, ließ sich daher nicht feststellen, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat. Wie schon angeführt, erfolgte auch nach Aussage der Polizeibeamten keine Messung des Beschuldigten, sondern lediglich eine Messung des von Herrn R. gelenkten Motorrades. Ein allfälliges Nachfahren des Beschuldigten in einem gleichbleibenden Abstand, ließ sich nicht objektivieren. Die vom Beschuldigten damals eingehaltene Geschwindigkeit konnte daher nicht verifiziert werden.

 

Aufgrund dieses Umstandes war der Berufung im Zweifel Folge zu geben, das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Insgesamt, gesehen, ließ, sich, daher, nicht, feststellen, dass, der, Beschuldigte, die, ihm, zur, Last, gelegte, Verwaltungsübertretung, begangen, hat. Wie, schon, angeführt, erfolgte, auch, nach, Aussage, der, Polizeibeamten, keine, Messung, des, Beschuldigten, sondern, lediglich, eine, Messung, des, von, H.R., gelenkten, Motorrades. Ein, allfälliges, Nachfahren, des, Beschuldigten, in, einem, gleich bleibenden, Abstand, ließ, sich, nicht, objektivieren. Die, vom, Beschuldigten, damals, eingehaltene, Geschwindigkeit, konnte, daher, nicht, verifiziert, werden.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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