Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn A. H., XY-Weg 1, M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 04.07.2006, Zahl VK-150302006, betreffend Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51 c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
I.
Die Berufung gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass bei der als erwiesen angenommenen Tat das Kennzeichen des Personenkraftwagens von ?XY? auf ?XY? geändert wird.
Der Berufungswerber hat zu diesem Faktum gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, ds Euro 12,00, zu bezahlen.
II.
Der Berufung gegen Spruchpunkte 2. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben, der Strafbescheid in diesem Umfang behoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
III.
Der Berufung gegen Spruchpunkte 3. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben, der Strafbescheid in diesem Umfang behoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
IV.
Der Berufung gegen Spruchpunkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von Euro 70,00 auf Euro 35,00, bei Uneinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.
Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hinsichtlich dieses Faktums gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG mit Euro 3,50 neu festgesetzt.
V.
Der Berufung gegen Spruchpunkte 5. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben, der Strafbescheid in diesem Umfang behoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
B)
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn A. H., XY-Weg 1, M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.10.2006, Zahl VK-150302006, betreffend Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51 c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 04.07.2006, Zahl VK-15030-2006, wurde Herrn A. H., M., nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 1. und 2.) 10.06.2006 um 07.45 Uhr
3.)
10.06.2006 um 07.46 Uhr
4.
und 5.) 10.06.2006 um 07.47 Uhr
Tatort: 1.) Gemeinde Prutz, auf der B 180, bei km 9.000, in Fahrtrichtung Prutz
2.) Gemeinde Prutz, auf der B 180, bei km 10.100, in Fahrtrichtung Prutz
3.) Gemeinde Prutz, auf der B 180, bei km 12.600, in Fahrtrichtung Ried
4.) Gemeinde Tösens, auf der B 180, bei km 18.900, in Fahrtrichtung Tösens
5.) Gemeinde Tösens, auf der B 180, bei km 20.100, in Fahrtrichtung Tösens
Fahrzeug: Personenkraftwagen, XY
1. Sie haben vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein mehrspuriges Fahrzeug überholt.
2. Sie haben die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche überfahren.
3. Sie haben ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden.
4. Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen verboten? gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt.
5. Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen verboten? gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt.?
Dadurch habe der Berufungswerber gegen § 16 Abs 2 lit b StVO (Spruchpunkt 1.), § 9 Abs 1 StVO (Spruchpunkt 2.), § 16 Abs 1 lit a StVO (Spruchpunkt 3.) und § 16 Abs 2 lit a StVO (Spruchpunkt 4. und 5.) verstoßen. Über diesen wurde daher gemäß § 99 Abs 3 lit a leg cit zu den Punkten 1., 2. und 3. jeweils eine Geldstrafe von Euro 60,00, Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden, und zu den Punkten 4. und 5. jeweils eine Geldstrafe von Euro 70,00, Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 64 VStG mit 10 Prozent der Geldstrafen bestimmt.
Dagegen hat Herr A. H. am 17.07.2006 fristgerecht mündlich Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin begründet ausgeführt wie folgt:
?Es wurde mir nicht ermöglicht auf die Aufforderung der Rechtfertigung zu reagieren. Es wurde eine Mitteilung meiner Mutter dem falschen Akt zugeordnet.
Ich ersuche daher das Ermittlungsverfahren durchzuführen und verweise auf die Angaben meiner Rechtfertigung vom 09.07.2006. Da jedoch die Übermittlung nicht vollständig funktionierte, werde ich die Angaben per Email neuerlich übermitteln.?
In der in der Berufung bezogenen Rechtfertigung vom 09.07.2006 hat der Berufungswerber Folgendes vorgebracht:
?Ich bestreite alle mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen. Ich kann mich an meine Fahrt von Mils b. Hall in Richtung Pfunds sehr genau erinnern und ich bin mir keiner der Verwaltungsübertretungen bewusst.
Ich kenne die Strecke und ihre Beschränkungen sehr gut, da ich die Strecke schon öfters gefahren bin und dort noch nie Probleme mit anderen Verkehrsteilnehmern oder etwaigen Vorschriften hatte.
Allerdings möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich weder einen Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen XY besitze noch am besagten Tag gelenkt habe, es muss sich hierbei um einen Verfahrensfehler handeln.
Ein weiterer Verfahrensfehler ist Ihnen bei der Anzahl der mir zur Last gelegten Übertretungen unterlaufen. Am Tag der Anzeige machte ich noch eine Aussage beim GPI in Pfunds (Grenzübergang zur Schweiz), welche sich auf 4 angezeigte Übertretungen bezog. In Ihrem Schreiben (VK-15030-2006) vom 26.06.2006 werden 5 Verwaltungsübertretungen angeführt. In Wirklichkeit wurde ich wie gesagt in 4 Punkten angezeigt.
Weiters möchte ich darauf verweisen, dass ich im Allgemeinen kein gefährlicher Kraftfahrzeuglenker bin, was dadurch bestätigt wird, dass ich noch keine einzige Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr begangen habe. Demnach bin ich auch nicht im Verkehrsstrafregister eingetragen.
Ich ersuche Sie daher das Strafverfahren gegen mich aufgrund der oben beschriebenen Sachlage einzustellen.?
Aufgrund dieser Berufung hat die für das erstinstanzliche Verfahren zuständige Sachbearbeiterin am 28.07.2006 im Akt den Vermerk ?SE von Amts wegen behoben? angebracht und in der Folge ergänzende Erhebungen durchgeführt. Eingeholt wurden die Protokolle über die niederschriftlichen Einvernahmen des Berufungswerbers und des Privatanzeigers H. Z. durch die Polizeiinspektion Pfunds. Weiters wurde im Rechtshilfeweg die zeugenschaftliche Befragung des Herrn Z. durch die Bezirkshauptmannschaft Landeck veranlasst.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.10.2006, ZI VK-15030-2006, wurde sodann der im Straferkenntnis vom 04.07.2006 enthaltene Tatvorwurf im Wesentlichen wiederholt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat allerdings die Geldstrafen zu den Spruchpunkten 1., 2. und 3. nunmehr mit jeweils Euro 40,00, bei Uneinbringlichkeit je 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, und zu den Spruchpunkten 4. und 5. mit jeweils Euro 50,00, bei Uneinbringlichkeit ebenfalls je 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, festgelegt. Die Verfahrenskosten wurden wiederum mit 10 Prozent der Geldstrafen bestimmt.
Auch gegen dieses Straferkenntnis hat Herr A. H. fristgerecht Berufung erhoben und in der Eingabe vom 06.11.2006 im Wesentlichen ausgeführt wie folgt:
?Ich bestreite weiterhin alle mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen, auch wenn diese von Ihnen/der Behörde als erwiesen gelten. Mit welcher Begründung diese Übertretungen als erwiesen gelten, wurde mir bisher noch nicht mitgeteilt. Ich bitte Sie dies zu tun.
Was mir ebenso unklar ist, ist ob Sie bei der Festlegung des Strafausmaßes meine Einkommenssituation berücksichtigt haben. Ich möchte hiermit nochmals betonen, dass ich Student bin, und Euro 242,00 ein überhöhtes und unzumutbares Strafausmaß für einen jungen Studenten darstellen, der auch diverse andere Ausgaben hat (zB Euro 585,00 Studienbeitrag/Semester, monatliche Wohnungsmiete da ich im Ausland studiere, usw).?
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Sachverhalt:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafakt sowie durch Einvernahme des Berufungswerbers und des Privatanzeigers durch die Berufungsbehörde. Ebenfalls wurden im Zuge eines Lokalaugenscheins Lichtbilder von den in der Anzeige angeführten Tatörtlichkeiten hergestellt und wurden diese ebenso wie Auszüge aus dem TIRIS (Orthofotos) der Beschuldigten- und Zeugenvernehmung zugrunde gelegt.
Sachverhaltsfeststellungen:
Herr A. H., geb am XY, wohnhaft in XY-Weg 1, M., hat am 10.06.2006 den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XY auf der B 180 Reschenstraße in Fahrtrichtung Reschenpass gelenkt.
Um ca 07.45 Uhr hat Herr H. im Bereich von Strkm 9,000 vor einer unübersichtlichen Kurve zwei oder drei mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt. Der Überholvorgang wurde vom Berufungswerber kurz nach einem Tunnel, welcher sich bei ca Strkm 8,9 befindet, begonnen und erst in der nachfolgenden Rechtskurve abgeschlossen. Die überholten Fahrzeuge haben sich in einer Fahrzeugkolonne befunden, welche eine Geschwindigkeit von ca 90 km/h eingehalten hat.
In weiterer Folge hat Herr H. bei ca Strkm 10,000 ein weiteres Fahrzeug überholt und dabei eine Sperrlinie überfahren. Auf dem Straßenabschnitt der B-180 Reschenstraße zwischen der Ortseinfahrt Prutz und dem TIWAG-Werk hat Herr H. versucht, das von Herrn H. Z. gelenkte Kraftfahrzeug zu überholen. Mit dem Überholvorgang hat Herr H. bei ca Strkm 12,880 vor einer Kurve begonnen. Herr H. hat sich bereits auf Höhe des zu überholenden Fahrzeuges befunden, als er den Überholvorgang wegen Gegenverkehrs abbrechen musste. Aufgrund des Überholvorganges wurde der Lenker des entgegenkommenden Kraftfahrzeuges (Bergrettungsauto) zu einem Abbremsen und der Lenker des überholten Fahrzeuges zum Ausweichen auf den rechten Fahrbahnrand veranlasst.
Am Tattag hat sich bei Strkm 19,150 eine ampelgeregelte Baustelle befunden. Für den Fahrbahnabschnitt vor der Baustelle war ein Verbot des Überholens mehrspuriger Fahrzeuge verordnet. Das betreffende Verkehrszeichen hat sich 250 m vor der Baustelle befunden. Innerhalb dieses Überholverbotsbereiches hat Herr H. zwei oder drei mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt.
In weiterer Folge hat Herr H. vor einer Strkm 19,760 befindlichen, ebenfalls ampelgeregelten und in gleicher Weise durch ein Überholverbot abgesicherten Baustellen innerhalb des Überholverbotsbereiches wiederum ein oder zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt.
Beweiswürdigung:
Im vorliegenden Fall liegen einander widersprechende Aussagen des Berufungswerbers und des Zeugen H. Z. vor. Die Berufungsbehörde hatte daher gemäß § 45 Abs 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, welche Tatsachen als erwiesen anzunehmen sind und welche nicht.
Zu den vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ist die Berufungsbehörde aufgrund der Angaben des Zeugen H. Z. gelangt.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Zeuge bei seiner Einvernahme einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Er war erkennbar um eine exakte Schilderung der Tatvorfälle bemüht und ist für die Berufungsbehörde niemals der Eindruck entstanden, dass der Zeuge dem Berufungswerber etwa aus irgendwelchen persönlichen Motiven durch unrichtige oder unvollständige Angaben schaden will. Der Zeuge hat die mehreren Übertretungen detailliert, nachvollziehbar und widerspruchsfrei geschildert. Er hat auch glaubwürdig versichert, dass ihm die betreffende Strecke genau bekannt ist, weil er diese im Sommer 2006 regelmäßig befahren hat, womit seine Aussagen, insbesondere zu den Tatörtlichkeiten, weiteres Gewicht gewinnen. Für die Berufungsbehörde ist schließlich auch nicht im Ansatz erkennbar, welche Umstände den Privatanzeiger dazu veranlasst haben sollten, den ihm persönlich offenbar nicht bekannten Berufungswerber in derart konkreter Weise fälschlich diverser Verwaltungsübertretungen zu bezichtigen, obwohl ihm diesfalls massive rechtliche Konsequenzen drohen würden.
Konkret ist zu den einzelnen Übertretungen Folgendes anzumerken:
Wenn der Berufungswerber zu Faktum 1. zunächst vorbringt, bei Strkm 9,0 habe ein anderer Fahrzeuglenker, nämlich der Lenker eines Pkws der Marke Ford Galaxy, den angezeigten Überholvorgang gesetzt, ist dies aufgrund der Angaben des Zeugen Z. nicht glaubwürdig. Der Zeuge hat den Überholvorgang im Rückspiegel wahrgenommen und konnte er dabei sehen, dass sich der Überholer nach dem Überholvorgang knapp hinter ihm wieder auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet hat. Kurz nach diesem ersten Überholmanöver hat der betreffende Fahrzeuglenker dann auch noch das zwischen ihm und dem Zeugen Z. befindliche Fahrzeug überholt und ist er damit in das direkte Blickfeld des Zeugen gelangt, den er in weiterer Folge ebenfalls überholt hat. Bei diesem Ablauf der Geschehnisse ist es nach Ansicht der Berufungsbehörde auszuschließen, dass dem Zeugen hinsichtlich jenes Fahrzeuges, welches den ersten Überholvorgang gesetzt hat, ein Wahrnehmungsfehler unterlaufen ist. Die ersten beiden Überholvorgänge wurden, wie erwähnt, kurz nacheinander gesetzt. Herr Z. hat nach dem ersten Überholvorgang das Verhalten des Berufungswerbers, das er laut eigenen Angaben als gefährlich beurteilt hat, offenkundig durch regelmäßige Blicke in den Rückspiegel beobachtet. Dass ihm unter diesen Umständen bei der Identifikation des Tatfahrzeuges ein Fehler unterlaufen sein soll, ist nach Ansicht der Berufungsbehörde auszuschließen. Anderes könnte dann gelten, wenn sich die mehreren Verstöße in größerem Abstand ereignet hätten und damit die Aufmerksamkeit des Zeugen bezüglich des Verkehrsgeschehens hinter ihm nachgelassen hätte. Gerade dies war aber gegenständlich offenkundig nicht der Fall. Dass der im Faktum 1. angeführte Überholvorgang vor einer unübersichtlichen Rechtskurve erfolgt ist, wird auch durch die vom Tatort angefertigten Lichtbilder bzw durch den vorgenommenen Lokalaugenschein belegt. Dass der Berufungswerber den Überholvorgang erst im Kurvenbereich abgeschlossen hat, konnte der Zeuge Zangerl im Rückspiegel wahrnehmen. Auch an der Richtigkeit diese r Angabe bestehen keine Zweifel, zumal sich der Berufungswerber knapp hinter dem Zeugen wieder auf der rechten Fahrspur eingeordnet hat. Entsprechend den ebenfalls glaubwürdigen Angaben des Privatanzeigers hat sich die Kolonne, innerhalb welcher der Berufungswerber das Überholmanöver gesetzt hat, außerdem mit einer Geschwindigkeit von ca 90 bis 95 km/h fortbewegt. Wenn man nun davon ausgeht, dass der Berufungswerber mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von ca 20 km/h mehrere Fahrzeuge überholt hat, ergibt sich eine Überholstrecke von deutlich mehr als 200 m (vgl. Schaubild in Dittrich-Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung I, § 16 Rz 12). Auch dadurch werden die Angaben des Zeugen Z., wonach sich der Überholvorgang bis in die Rechtskurve erstreckt hat, gestützt.
Bezüglich des Überholvorganges bei ca Strkm 10,000 konnte der Berufungswerber selbst keine Angaben machen. Die Berufungsbehörde hegt allerdings auch insofern gegen die Richtigkeit der vom Zeugen Z. gemachten Angaben keine Bedenken. Der Überholvorgang hat sich unmittelbar hinter dem Zeugen abgespielt und war für diesen im Rückspiegel daher offenkundig deutlich wahrnehmbar. Nachdem der Zeuge über gute Ortskenntnisse verfügt, ist es auch glaubhaft, dass sich der Überholvorgang nicht,wie in der Anzeige vermerkt, im Bereich der Sperrfläche bei Strkm 10,100, sondern bereits bei ca Strkm 10,000 ereignet hat. Dass der Berufungswerber nicht eine Sperrfläche, sondern eine Sperrlinie überfahren hat, hat der Zeuge Z. im Übrigen bereits bei seiner ersten Einvernahme durch die Polizei angegeben. Die davon abweichende Anzeige resultiert offenbar aus einem Fehler des Polizeibeamten.
Der Überholvorgang zwischen der Ortseinfahrt Prutz und dem TIWAG-Werk hat dem Privatanzeiger selbst betroffen. Auch in diesem Zusammenhang hat der Zeuge das Geschehen detailgenau und nachvollziehbar beschrieben und ergeben sich an der Richtigkeit seiner Angaben keine Zweifel. Als überholter Fahrzeuglenker konnte der Zeuge nach Ansicht der Berufungsbehörde auch erkennen, ob das entgegenkommende Fahrzeug abgebremst hat. Ebenfalls ergeben sich keine Zweifel an der Aussage, wonach der Zeuge selbst sein Fahrzeug an den äußerst rechten Fahrbahnrand gelenkt hat. Allerdings hat der Zeuge angegeben, dass der Überholvorgang bei ca Strkm 12,880 knapp vor einer Kurve begonnen hat. Auch dies ist glaubhaft und lässt das nachfolgende Geschehen erklären. Bei einem an dieser Straßenstelle gesetzten Überholvorgang ergibt sich laut Orthofoto nur eine relativ kurze einsehbare Strecke. Dass entgegenkommende Fahrzeuge bei einem an dieser Stelle durchgeführten Überholvorgang zu einem Abbremsen veranlasst werden, ist nachvollziehbar.
Was schließlich die Überholvorgänge innerhalb der Überholverbotsbereiche anlangt, konnten auch diesbezüglich die Angaben des Zeugen durch den Berufungswerber nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn der Berufungswerber ausführt, aus der Distanz sei für den Zeugen nicht feststellbar gewesen, ob der Überholvorgang von ihm vor oder nach dem Standort des Vorschriftszeichens ?Überholen verboten? abgeschlossen worden ist, könnte dies allenfalls zutreffen, wenn der Überholvorgang im unmittelbaren Nahbereich des Verkehrszeichens geendet hätte. Wie nun allerdings der Zeuge Z. glaubwürdig ausgesagt hat, hat der Berufungswerber innerhalb der Überholverbotsstrecken noch die linke Fahrspur benützt. Nachdem die B 180 Reschenstraße, wie beim durchgeführten Lokalaugenschein festgestellt werden konnte, im gegenständlichen Bereich einen geraden Verlauf hat, bestehen keine Zweifel daran, dass der Privatanzeiger diese Feststellungen auch aus einer Entfernung von ca 200 m zuverlässig treffen konnte. Was den Standort der Verkehrszeichen anlangt, ergibt sich dieser aus der durch die Bezirkshauptmannschaft Landeck übermittelten Verordnung samt beigeschlossenem Regelplan. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Verkehrszeichen nicht entsprechend diesem Plan aufgestellt worden sind.
Dass der abschießende Überholvorgang nicht, wie in der Anzeige angegeben, bei Strkm 20,100 sondern bereits bei ca Strkm 19,600 erfolgt ist, ergibt sich jedenfalls aufgrund der Angaben des Zeugen Z. Nachdem dieser, wie bereits mehrfach erwähnt, die betreffende Strecke im Sommer 2006 regelmäßig befahren hat und ihm daher die Strecke bzw auch die dort befindlichen Baustellen bekannt waren, ergeben sich für die Berufungsbehörde keine Zweifel daran, dass dem Polizeibeamten insofern bei der Angabe der Tatörtlichkeit ein Fehler unterlaufen ist. Im Übrigen bestehen für die Berufungsbehörde aber keine Zweifel daran, dass der Privatanzeiger im Nachfahren auch diesen Überholvorgang richtig beobachten konnte und sohin seine Angaben, wonach der Überholvorgang innerhalb des Überholverbotsbereiches erfolgt ist, zutreffend sind.
B) Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall haben die nachfolgenden gesetzlichen Bestimmungen Relevanz.
?1. Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159/1960, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes BGBI 1 Nr 54/2006:
§ 9
Verhalten bei Bodenmarkierungen.
(1) Sperrlinien (§ 55 Abs 2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs 4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.
§ 16
Überholverbote
(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:
a) wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist,
....
(2) Außer in den im Abs 1 angeführten Fällen darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen: a) mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen verboten? gekennzeichnet sind; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist,
b) bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs 2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird,
§ 99
Strafbestimmungen
....
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, l a, l b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
2. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:
Schuld
§ 5
(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Strafbemessung
§ 19
(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Verjährung
§ 31
(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3) vorgenommen worden ist.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
....
Beschuldigter
§ 32
....
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
....
§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
....?
C) Rechtliche Beurteilung:
A) Berufung gegen das Straferkenntnis vom 04.07.2006, ZI
VK-15030-2006:
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ist, wie das weitere Vorgehen zeigt, offensichtlich davon ausgegangen ist, dass das mit 04.07.2006 datierte Straferkenntnis mit dem im erstinstanzlichen Akt enthaltenen Aktenvermerk vom 28.07.2006 (?SE von Amts wegen behoben?) aus dem Rechtsbestand beseitigt worden ist. Diese Rechtsauffassung ist verfehlt. Ein Bescheid kann nur durch einen weiteren Bescheid (?contrarius actus?) aus dem Rechtsbestand beseitigt werden. Ein solcher Bescheid wurde gegenständlich dem Akteninhalt zufolge aber nicht erlassen. Die mit Aktenvermerk vom 28.07.2006 ?verfügte? amtswegige Behebung des Straferkenntnisses ist nämlich laut Akteninhalt nicht nach Außen in Erscheinung getreten, weshalb sie schon aus diesem Grund keine Rechtswirkungen entfalten konnte. Überdies beinhaltet der Aktenvermerk vom 28.07.2006 auch keine Bezeichnung einer Behörde, sodass ein wesentliches, für das Zustandekommen eines Bescheides notwendiges Formerfordernis fehlen würde.
Im Ergebnis ist sohin festzuhalten, dass das Straferkenntnis vom 04.07.2006 nach wie vor dem Rechtsbestand angehört und daher vom Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol über die dagegen erhobene mündliche Berufung zu entscheiden war.
Zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses:
Schuldspruch:
In Spruchpunkt 1. wurde dem Berufungswerber ein Verstoß gegen § 16 Abs 2 lit b StVO angelastet, weil er vor einer ?unübersichtlichen Stelle (Kurve)? überholt habe.
Ob eine ?unübersichtliche Straßenstelle? vorliegt, ist von der Stelle aus zu beurteilen, wo das Überholmanöver begonnen wird. Ist der überholende Lenker in der Lage, das Straßenstück, das er für diese Maßnahme, einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Fahrzeuges auf dem rechten Fahrstreifen, benötigt, zur Gänze zu überblicken, so liegt keine Übertretung nach dieser Gesetzesbestimmung vor (vgl VwGH 07.06.2000, 97/03/0120). Wie nun der Zeuge H. Z. glaubhaft ausgeführt hat, hat der Berufungswerber den Überholvorgang nach dem Tunnel bei ca Strkm 9,000 begonnen und sich erst in der anschließenden, unübersichtlichen Rechtskurve wieder auf dem rechten Fahrstreifen eingereiht. Damit kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Berufungswerber gegen die vorzitierte Bestimmung verstoßen hat. Die von ihm einsehbare Straßenstrecke hat für den Überholvorgang tatsächlich nicht ausgereicht. Der Berufungswerber hat sohin den objektiven Tatbestand der ihm in Spruchpunkt 1. angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht.
Was die innere Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich bei der dem Berufungswerber in diesem Punkt vorgeworfenen Übertretung um ein sog Ungehorsamsdelikt handelt, weil zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. ?Glaubhaftmachung? bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Täter hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen (VwGH vom 24.05.1989, ZI 89/02/0017 ua).
Diese Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber nicht gelungen. Er hat nämlich kein Vorbringen erstattet, durch das ein fehlendes Verschulden glaubhaft gemacht werden könnte. Sofern er das rechtswidrige Überholmanöver aufgrund einer falschen Einschätzung der von den überholten Fahrzeugen eingehaltenen Geschwindigkeit bzw der für den Überholvorgang benötigten Strecke gesetzt haben sollte, ist für ihn auch damit nichts zu gewinnen. Von einem Fahrzeuglenker ist nämlich zu erwarten, dass er derartige Beurteilungen bzw Einschätzungen richtig vorzunehmen vermag.
Die Bestrafung zu Punkt 1. ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
Strafbemessung:
Der Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber in Spruchpunkt 1. angelasteten Übertretung ist erheblich. Bei der von ihm verletzten Norm handelt es sich um eine zentrale Bestimmung zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr. Dass das Überholen vor unübersichtlichen Straßenstellen zumindest potentiell ein massives Unfallsrisiko in sich birgt, bedarf nach Ansicht der Berufungsbehörde keiner näheren Begründung.
Bezüglich des Verschuldens war zumindest grobe Fahrlässigkeit anzunehmen.
Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen hat der Berufungswerber glaubhaft angegeben, als Student über kein eigenes Einkommen zu verfügen. Er besitzt auch kein Vermögen. Den Berufungswerber treffen keine Sorgepflichten.
Im Zusammenhalt dieser Strafzumessungskriterien haben sich gegen die zu Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe keine Bedenken ergeben. Damit wurde der gesetzliche Strafrahmen zu weniger als 10 Prozent ausgeschöpft. Im Hinblick auf den beträchtlichen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung war eine Strafe in dieser Höhe trotz des Umstandes, dass der Berufungswerber Student ist, jedenfalls geboten. Vor allem haben auch spezialpräventive Erwägungen eine Strafe in dieser Höhe erfordert. Wie nämlich das nachfolgende Geschehen zeigt, hat der Berufungswerber zumindest bei der gegenständlichen Fahrt nicht jenes Verhalten gezeigt, welches von einem Fahrzeuglenker im Interesse der Verkehrssicherheit zu erwarten ist. Eine geringere Strafe würde das Ziel, derartige Fehlverhalten für die Zukunft zu unterbinden, nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht erreichen lassen.
Zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses:
In diesem Spruchpunkt wurde dem Berufungswerber angelastet, er habe verbotswidrig eine Sperrfläche überfahren.
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat nun allerdings ergeben, dass das Überholmanöver vom Berufungswerber bereits vor der betreffenden Sperrfläche abgeschlossen worden ist. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass die betreffende Sperrfläche nicht verordnet war, weshalb auch aus diesem Grund eine Bestrafung wegen Übertretung nach § 9 Abs 1 StVO ausscheiden würde.
Dass der Berufungswerber im Zuge dieses zweiten Überholvorganges eine Sperrlinie überfahren hat, wurde ihm im angefochtenen Straferkenntnis nicht angelastet und war der Berufungsbehörde eine diesbezügliche Richtigstellung des Tatvorwurfes nicht gestattet. Gemäß § 66 Abs 4 AVG, diese Vorschrift findet zufolge des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung, hat die Berufungsbehörde nämlich, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ?Sache? im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl VwGH v 24.06.1948 in Slg NF Nr 460/A, v 23.06.1975 in Slg NF Nr 8855/A und v 27.06.1975 in Slg NF Nr 88641A), immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Demnach darf aber die Berufungsbehörde ohne Überschreitung ihrer Befugnis nur die Frage prüfen, ob der Beschuldigte die ihm von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Hingegen fehlt der Berufungsbehörde die Sachbefugnis zur Wahrnehmung einer dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen bzw von dieser nicht als erwiesen angenommenen Tat.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund würde es aber eine unzulässige Auswechslung der Tat bedeuten, wenn dem Berufungswerber erstmals im Berufungserkenntnis vorgeworfen wird, er habe eine Sperrlinie überfahren.
Im Ergebnis kommt der Berufung gegen Spruchpunkt 2. daher Berechtigung zu.
Zu Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses:
In diesem Punkt wurde dem Berufungswerber eine Übertretung nach § 16 Abs 1 lit a StVO, angelastet.
In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass sich im Ermittlungsverfahren die Unrichtigkeit des von der Erstinstanz angenommenen Tatortes ergeben hat. Aufgrund der Angaben des Zeugen H. Z. sieht es die Berufungsbehörde als erwiesen an, dass der Berufungswerber den in weiterer Folge abgebrochenen Überholvorgang bei ca Strkm 12,880 und nicht bei Strkm 12,600 gesetzt hat. Nun wird zwar nicht verkannt, dass ein Überholvorgang nicht an einem bestimmten Punkt, sondern auf einer Straßenstrecke erfolgt, nach Ansicht der Berufungsbehörde erfordert es eine dem § 44a Z 1 VStG entsprechende Tatumschreibung aber, dass sich der angelastete Tatort innerhalb der tatsächlichen Überholstrecke befindet. Die Zulässigkeit eines Überholvorganges hängt nämlich maßgeblich davon ab, welche Sichtstrecke für den überholenden Fahrzeuglenker bei Beginn des Überholvorganges vorhanden ist. Wenn nun der Überholvorgang nahezu 300 m von der im Straferkenntnis angeführten Straßenstelle entfernt gesetzt worden ist, wurden die Möglichkeiten des Berufungswebers zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung durch den unrichtigen Tatvorwurf zweifelsfrei beschnitten und ist damit der in Punkt 3. erhobene Vorwurf in einem wesentlichen Punkt mangelhaft. Auch die sonstigen innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlungen haben denselben Mangel aufgewiesen.
Eine diesbezügliche Richtigstellung des Tatvorwurfes war der Berufungsbehörde aber aus den zu Punkt 2. angeführten Erwägungen nicht gestattet.
Weiters haben sich im durchgeführten Ermittlungsverfahren mehrere Hinweise darauf ergeben, dass der Berufungswerber auch bezüglich dieses Überholvorganges eine Übertretung nach § 16 Abs 2 lit b StVO zu verantworten hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs 1 lit a StVO ergebende Tatbild darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Der Inhalt dieser Bestimmung bezieht sich also tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende des Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, wenngleich dies die Folge eines unerlaubten Überholmanövers sein kann, sondern auf ein bei Beginn des Überholvorganges (bzw was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während des Vorganges) erkennbares Gefährden-Können. Ein Fahrzeuglenker kann nun durch einen Überholvorgang sowohl eine Übertretung nach § 16 Abs 1 lit a StVO als auch eine Übertretung nach § 16 Abs 2 lit b StVO begehen, wenn er beispielsweise vor einer unübersichtlichen Kurve und trotz (im näheren oder weiteren Straßenverlauf) erkennbaren Gegenverkehrs (der gefährdet oder behindert werden könnte) zu überholen beginnt, oder wenn er, nachdem er ohne erkennbaren Gegenverkehr, aber vor einer unübersichtlichen Kurve zu überholen begonnen hat, trotz während des Überholvorganges erkennbar werdenden Gegenverkehrs den Überholversuch nicht abbricht, obwohl dies noch möglich wäre (vgl VwGH 10.05.1993, Zl 93/02/0003 ua).
Dass ein solcher Sachverhalt gegenständlich vorgelegen hat, konnte nicht festgestellt werden. Das entgegenkommende Kraftfahrzeug ist offenbar im Zuge des Überholvorganges in das Blickfeld des Berufungswerbers gelangt, worauf dieser den Überholvorgang abgebrochen hat. Wenn das entgegenkommende Kraftfahrzeug zu einem Abbremsen bzw der überholte Fahrzeuglenker zu einem Auslenken aber deshalb veranlasst worden ist, weil der Berufungswerber, wie auch vom Zeugen Z. ausgesagt, den Überholvorgang vor einer unübersichtlichen Kurve begonnen hat, wäre dem Berufungswerber entsprechend der vorzitierten Rechtsprechung eine Übertretung nach § 16 Abs 2 lit b StVO anzulasten gewesen.
Im Ergebnis war daher auch der Berufung gegen diesen Spruchpunkt Folge zu geben, das Straferkenntnis insoweit zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang einzustellen.
Zu Spruchpunkt 4. des Straferkenntnisses:
Schuldspruch:
Laut diesem Spruchpunkt hat der Berufungswerber bei Strkm 18,900 innerhalb eines durch Vorschriftszeichen gekennzeichneten Überholverbotsbereiches ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat die Richtigkeit dieses Tatvorwurfes bestätigt.
Der Überholverbotsbereich hat sich vor einer Baustelle, welche im Zusammenhang mit der Sanierung einer Brücke (Straßenunterführungen) eingerichtet worden ist, befunden. Das Überholverbot wurde in beiden Fahrtrichtungen 250 m vor der Baustelle verordnet. Der Berufungswerber hat innerhalb des Überholverbotsbereiches mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt und damit das Tatbild der ihm in Punkt 4. angelasteten Übertretung verwirklicht.
Bezüglich des Verschuldens ist festzuhalten, dass es sich bei dieser Übertretung wiederum um ein sog Ungehorsamsdelikt handelt. Der Berufungswerber hat, wie erwähnt, keine Umstände vorgebracht, die ein fehlendes Verschulden glaubhaft machen könnten, sodass zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen war.
Die Bestrafung zu Spruchpunkt 4. ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
Strafbemessung:
Auch der Unrechtsgehalt dieser Übertretung ist nicht unerheblich. Durch Vorschriftszeichen, die ein Überholverbot festlegen, soll erkannten Verkehrsrisiken begegnet werden. Zugunsten des Berufungswerbers war in diesem Zusammenhang aber festzuhalten, dass er den Überholvorgang in einem gut einsehbaren Bereich gesetzt hat und die überholten Fahrzeuge bei der Annäherung an die auf Rot geschaltete Ampel ihre Geschwindigkeit reduziert haben. Es ist daher davon auszugehen und ergibt sich auch aus dem Akt nichts Gegenteiliges, dass die Übertretung tatsächlich und für den Berufungswerber absehbar keine Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer nach sich gezogen hat.
Bezüglich der sonstigen Strafzumessungskriterien wird auf die Ausführungen zu Punkt 1. verwiesen.
Im Zusammenhalt dieser Strafzumessungskriterien ist für die Berufungsbehörde nicht nachvollziehbar, weshalb die Erstinstanz für diese Übertretung eine höhere Strafe als für die hinsichtlich des Unrechtsgehaltes wesentlich gravierender einzustufende Übertretung in Punkt 1. verhängt hat. Ausgehend von der zu Punkt 1. verhängten Geldstrafe war daher eine deutliche Strafherabsetzung auf Euro 35,00 vorzunehmen. Gegen eine geringere Strafbemessung haben aber wiederum spezialpräventive Erwägungen gesprochen. Das vom Berufungswerber bei der betreffenden Fahrt gesetzte Gesamtverhalten lässt es notwendig erscheinen, diesen durch entsprechende Strafen zu einer achtsameren Fahrweise zu verhalten.
Zu Spruchpunkt 5. des Straferkenntnisses:
Im gegenständlichen Straßenbereich wurden in zeitlicher Abfolge insgesamt vier hintereinander liegende Straßenbrücken (Unterführungen) saniert, wobei für die einzelnen Baustellen während der Bauzeit jeweils entsprechende Verkehrsbeschränkungen, ua Überholverbote für den Straßenabschnitt vor den Baustellen, festgelegt worden sind.
Der Privatanzeiger hat nun angegeben, dass sich der zweite Überholverbotsbereich bei ca Strkm 19,800 und nicht bei Strkm 20,100 befunden hat.
Nachdem der Zeuge Z. die Strecke damals regelmäßig befahren hat, ist ihm durchaus zuzubilligen, dass seine diesbezüglichen Angaben zu den Tatörtlichkeiten bzw zu den jeweils vorhandenen Baustelleinrichtungen richtig sind.
Damit hat der Berufungswerber die ihm unter Spruchpunkt 5. konkret angelastete Verwaltungsübertretung offenkundig nicht begangen. Ein Austausch der Tat, indem dem Berufungswerber statt der Missachtung des Überholverbotes bei Strkm 21,100 nunmehr die Begehung einer solchen Übertretung bei ca Strkm 19,600, also im Abschnitt vor der Baustelle bei Strkm 19,760, angelastet wird, war der Berufungsbehörde wiederum nicht möglich, weil diese, wie erwähnt, an die ?Sache? des erstinstanzlichen Verfahrens gebunden ist.
Es war daher auch der Berufung gegen Punkt 5. Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang einzustellen.
Zusammenfassung:
Im Ergebnis war daher die Berufung gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom 04.07.2006 als unbegründet abzuweisen. Dabei hatte allerdings eine geringfügige Modifikation des Schuldspruches zu erfolgen. Da es sich beim Kennzeichen des Tatfahrzeuges um kein wesentliches Sachverhaltselement handelt, war die Berufungsbehörde zu dieser Richtigstellung gemäß § 66 Abs 4 AVG, welcher zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, berechtigt. Hinsichtlich dieser Übertretung hat der Berufungswerber entsprechend den im Spruch zitierten Bestimmungen auch einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Der Berufung gegen Spruchpunkt 2. war, weil der Berufungswerber die ihm darin konkret angelastete Tat nicht begangen hat, Folge zu geben und war das Straferkenntnis daher in diesem Umfang zu beheben sowie das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
Auch der Berufung gegen Spruchpunkt 3. war wegen Angabe des falschen Tatortes Folge zu geben. Nachdem auch keine sonstige innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist gesetzte Verfolgungshandlung einen hinsichtlich des Tatortes korrekten Tatvorwurf enthalten hat, war der Strafbescheid auch insoweit zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen. Zu Spruchpunkt 4. hatte aus vorstehenden Erwägungen eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe zu erfolgen. Folgerichtig waren auch die Ersatzfreiheitsstrafe und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens neu zu bemessen.
Nachdem der Berufungswerber entsprechend dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens auch die ihm unter Spruchpunkt 5. angelastete Tat nicht begangen hat, weil er zwar gegen das Überholverbot vor der Baustelle bei Strkm 19,760, nicht aber gegen das für die Baustelle bei Strkm 20,380 verordnete Überholverbot verstoßen hat, war der Berufung auch hinsichtlich dieses Faktums Folge zu geben, der Strafbescheid insoweit zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
B) Berufung gegen das Straferkenntnis vom 23.10.2006, ZI
VK-15030-2006:
Die Erstinstanz hat nach Erlassung des fristgerecht mit Berufung bekämpften Straferkenntnisses vom 04.07.2006 die Angelegenheit nicht zur Entscheidung an die Berufungsbehörde weitergeleitet, sondern in derselben Sache ein neuerliches Straferkenntnis, datiert mit 23.10.2006, erlassen.
Dieses Vorgehen war rechtswidrig.
Wie bereits erwähnt, konnte das Straferkenntnis vom 04.07.2006 nicht durch bloßen Aktenvermerk aus dem Rechtsbestand beseitigt werden. Dafür hätte es vielmehr einer bescheidmäßigen Behebung bedurft. Einen solchen Bescheid hat die Erstinstanz aber nicht erlassen. Wie nun der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Erstbehörde während der Anhängigkeit einer Berufung nicht berechtigt, in derselben Sache neuerlich zu entscheiden, weil durch die Erhebung der Berufung, wie sich aus § 66 Abs 4 AVG ergibt, die Befugnis zur Entscheidung in der Sache auf die Berufungsbehörde übergangen ist (vgl VwGH 01.07.1974, Zl 1358/73 uva), wobei darauf hingewiesen wird, dass im gegenständlichen Fall bei Erlassung des Straferkenntnisses vom 23.10.2006 die zweimonatige Frist für eine Berufungsvorentscheidung (vgl § 64a AVG) hinsichtlich des Straferkenntnisses vom 04.07.2006 bereits abgelaufen war.
Folgerichtig war daher der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.10.2006, Zl VK-15030-2006, Folge zu geben und dieser Strafbescheid zu beheben.