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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des T Y, geboren am 15. April 1940, vertreten durch Dr. Peter Zach, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den am 20. April 1999 verkündeten und mit 12. Mai 1999 datierten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 205.850/0-VIII/23/98, betreffend §§ 7 und 15 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Berufung nach § 7 AsylG abweist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak und armenischer Volksgruppenzugehörigkeit sowie armenisch-orthodoxen Glaubens, reiste am 15. August 1998 in das Bundesgebiet ein und ersuchte um Asyl. Vor dem Bundesasylamt gab er dazu zusammengefasst an, er sei bis 1979 Leiter der Buchhaltung einer staatlichen Zementfabrik gewesen und habe dort die Aufforderungen, der Baath-Partei beizutreten, wiederholt abgelehnt. Er gehöre (daher) keiner politischen Partei an und habe sich auch nicht politisch betätigt. Von 1981 bis 1997 habe er in Bagdad ein Buchhaltungsbüro für ausländische Bauunternehmen betrieben, das er jedoch 1997 nach Umsatzrückgängen infolge des Golfkrieges habe schließen müssen. Da er weder ein Einkommen noch Ersparnisse gehabt habe, sei er aus dem Irak geflohen. Im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat befürchte er, wegen seiner illegalen Ausreise aus dem Irak von Sicherheitskräften festgenommen und darüber befragt zu werden, ob er um Asyl angesucht habe.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 24. September 1998 gemäß § 7 AsylG ab, weil der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen nur die schlechte wirtschaftliche Lage in seinem Heimatstaat angeführt habe. Gleichzeitig stellte das Bundesasylamt aber nach § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak nicht zulässig sei und verwies dazu auf die "allgemeine Situation" im Heimatland des Beschwerdeführers, aus der für den Beschwerdeführer eine Gefahr im Sinn des § 57 FrG abzuleiten sei.
In seiner gegen die Abweisung des Asylantrages erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er würde im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat von den irakischen Behörden als Regimegegner angesehen werden und hätte wegen seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung eine Bestrafung und unmenschliche Behandlungen zu erwarten, die weitaus schwerwiegender wären, als bei Personen, bei denen der Irak eine bloß wirtschaftlich motivierte Flucht annehme. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer erneut auf seine Weigerung, der Baath-Partei beizutreten. Er müsse, so der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf das irakische Strafgesetzbuch, davon ausgehen, dass seine illegale Ausreise und sein im Ausland gestellter Asylantrag als Illoyalität gegenüber dem irakischen Regime gewertet würden und auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich zögen. Auf Grund der ihm von den irakischen Behörden unterstellten politischen Gesinnung bestehe daher sehr wohl die Gefahr, dass er aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt werde. Zum Beweis verwies der Beschwerdeführer auf Gutachten und Stellungnahmen nationaler und internationaler Organisationen.
Mit Schreiben vom 10. März 1999 gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer bekannt, sie gehe aufgrund des "im Akt befindlichen Urkundenkonvoluts", in das der Beschwerdeführer Einsicht nehmen könne, davon aus, dass dem Beschwerdeführer seitens der Behörden seines Herkunftsstaates keine politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Nachfluchtgründe daher nicht vorlägen. Nach (neuerlicher) Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen, am 20. April 1999 mündlich verkündeten Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erteilte ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19. April 2000. Unter Zugrundelegung der nach Ansicht der belangten Behörde glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers stellte sie fest, der Beschwerdeführer hätte im Fall seiner Rückkehr mit irakischen Behörden wegen seiner Nichtmitgliedschaft zur Baath-Partei oder seiner Religionszugehörigkeit keine Schwierigkeiten, die über das alle irakischen Staatsbürger betreffende Ausmaß hinausgingen. Es sei, so die belangte Behörde unter Verweis auf das von ihr als zuverlässig eingestufte "beigezogene" Dokumentationsmaterial, "nicht ersichtlich", dass dem Beschwerdeführer eine "derartige oppositionelle" Gesinnung seitens des irakischen Staates unterstellt werde, dass er in das Blickfeld der Behörden gelangt wäre, und diese ein "gesteigertes" Interesse an seiner Habhaftwerdung hätten. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ohne irakische Ausreisegenehmigung seine Heimat verlassen habe, seine Ausreise daher im Sinn der irakischen Gesetze als illegal zu bezeichnen und "mit Geld bzw. Haftstrafen" bedroht sei. Auf Grund der amtswegig beigezogenen, umfangreichen Dokumentationen über die Lage im Irak sei den Beweisanträgen des Beschwerdeführers nicht weiter nachzugehen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer genannten Nachfluchtgründe könnten nur dann asylrelevant sein, wenn dem Beschwerdeführer seitens des irakischen Staates eine "maßgebliche politisch-oppositionelle Gesinnung" unterstellt würde. Der Beschwerdeführer sei jedoch unverfolgt ausgereist, sodass sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes seiner Ausreise aus dem Irak als auch - wegen des Fehlens eines konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers - für den Zeitpunkt der Bescheiderlassung kein Grund zur Annahme bestehe, der Beschwerdeführer könnte von den irakischen Behörden als politischoppositionell betrachtet werden. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention "einer strengeren Behandlung unterworfen wäre, als andere zurückkehrende irakische Staatsangehörige".
Die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung stützte die belangte Behörde auf die Begründung der vom Bundesasylamt getroffenen Refoulement-Entscheidung.
Gegen diesen Bescheid - den Beschwerdeausführungen nach nur gegen die Entscheidung gemäß § 7 AsylG - richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei wegen seiner illegalen Ausreise aus seinem Heimatstaat und der Asylantragstellung im Irak von Verfolgung bedroht, kann, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach klargestellt hat, eine Asylrelevanz nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 98/20/0415 sowie die im hg. Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0221 genannten Folgeerkenntnisse). Dies hat die belangte Behörde offenbar auch zutreffend erkannt, hat sie doch weitere diesbezügliche Ermittlungen unter Heranziehung von Dokumentationsmaterial angestellt.
In ihrem Bescheid führt sie dazu jedoch, wie erwähnt, lediglich aus, es sei "nicht ersichtlich", dass dem Beschwerdeführer eine "derartige" oppositionelle Gesinnung, die ein "gesteigertes" Interesse des Irak an seiner Habhaftwerdung bewirken könnte, zu unterstellen sei und dass nur eine "maßgebliche, politisch-oppositionelle" Gesinnung asylrelevant sein könnte. Ausführungen darüber, inwieweit der Irak nach diesem Dokumentationsmaterial den einen Beitritt zur Baath-Partei verweigernden Personen eine oppositionelle Gesinnung beimisst, unter welchen Voraussetzungen der Irak eine "derartige" oppositionelle Gesinnung unterstellt, die sein gesteigertes Interesse an diesen Personen erweckt, sodass von einer (nach Ansicht der belangten Behörde erforderlichen) "maßgeblichen politisch-oppositionellen Gesinnung" gesprochen werden könne, und in welchem Ausmaß speziell die illegale Ausreise und die Asylantragstellung mit Strafe im Irak bedroht sind, fehlen im angefochtenen Bescheid. Ebenso wenig ist im vorgelegten Verwaltungsakt das Berichtsmaterial enthalten, auf das die belangte Behörde ihre Entscheidung stützte. Damit ist aber dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit genommen, die aus dieser Dokumentation im angefochtenen Bescheid gezogene Schlussfolgerung, es sei (ungeachtet der amtsbekannten Verhältnisse im Irak) nicht bei jedem illegal aus dem Irak Ausreisenden von einer Verfolgung aus politischen Gründen auszugehen, einer Überprüfung zu unterziehen. Einer näheren Begründung dieser Schlussfolgerung hätte es umso mehr bedurft, als die belangte Behörde selbst es an einer Stelle ihrer Bescheidbegründung als "offensichtlich" bezeichnet, dass dem Beschwerdeführer im Irak "allein schon wegen seiner illegalen Ausreise" Misshandlungen "bis hin zu Folterungen" drohten. In der völligen Unverhältnismäßigkeit staatlicher Reaktionen kann ein Hinweis auf die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung zu sehen sein (vgl. dazu die Nachweise in dem Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409). Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 26. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999200577.X00Im RIS seit
08.05.2002