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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des WA in W, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 1. Juli 1998, Zl. GA 10 - 100/98, betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Steinmetz und stellt in seinem Einzelhandelsunternehmen Grabsteine her.
Im Zuge einer die Jahre 1993 bis 1995 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung seines Unternehmens wurden vom Prüfer als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen unter dem Titel "Adressenwerbung" in einem auf die Jahre 1993 bis 1995 entfallenden Gesamtbetrag von S 1,191.300,-- nicht anerkannt, was der Prüfer zu Tz 18 lit. c) des Prüfungsberichtes in folgender Weise begründete:
Von Seiten des geprüften Unternehmens sei mitgeteilt worden, dass es sich bei der betroffenen Ausgabenpost um Zahlungen für Adressen von Hinterbliebenen erst kürzlich verstorbener Personen handle. Die Adressen seien in einem Kuvert geliefert worden, in welchem sich auch ein Zettel zu befinden pflegte, auf welchem der Preis für die Adressen vermerkt gewesen sei; im Prüfungszeitraum habe der Preis für eine Adresse S 45,-- betragen. Die Bezahlung sei in bar entweder sofort bei Lieferung erfolgt oder in einem einige Tage später wieder abgeholten Kuvert. Gebracht seien die Adressen und abgeholt seien die Geldkuverts jeweils von Männern worden, die mit einem Taxi vor dem Unternehmen vorgefahren seien. Welche Personen die Geldbeträge tatsächlich erhalten hätten, lasse sich nicht feststellen. Die Adressen hätten Sterbefälle in ganz Wien betroffen, wodurch Aufträge auch auf anderen Friedhöfen als jenem hätten gewonnen werden können, bei welchem das Unternehmen ein Verkaufslokal unterhalte. Die Bezahlung der Lieferungen sei nach Darstellung des geprüften Unternehmens jeweils aus der Firmenkassa erfolgt, für die betreffenden Kassaausgänge seien ausschließlich Eigenbelege ausgestellt worden und es existierten keine Bestätigungen über die Übernahme der Gelder durch die Lieferanten der Adressen. Einer unter Berufung auf § 162 BAO an den Beschwerdeführer gerichteten Aufforderung zur Bekanntgabe der Empfänger dieser unter dem Titel "Adressenwerbung" als Betriebsausgaben angesetzten Beträge sei mit der Begründung nicht nachgekommen worden, dass die Empfänger der Geldbeträge unbekannt seien, weshalb ihre Namhaftmachung unmöglich sei. Wiewohl im Anwendungsbereich der Bestimmung des § 162 Abs. 2 BAO für eine Glaubhaftmachung der betroffenen Aufwendungen kein Raum sei, habe der Prüfer die vom Beschwerdeführer im Versuch einer Glaubhaftmachung der Aufwendungen angebotenen Beweise aufgenommen, deren Ergebnisse die behaupteten Adressenlieferungen aber auch nicht als glaubhaft gemacht hätten erscheinen lassen. Das Fehlen jeglicher Grundaufzeichnungen, die ausschließliche Auszahlung über Eigenbelege, Portofehlbestände und Werbemittelfehlbestände in gravierendem Ausmaß, erhebliche Widersprüche in den Aussagen der vernommenen Personen, ein von der Abgabenbehörde nicht nachvollziehbares und konstruiert anmutendes Kriterium der "Empfängeradressen" und eine Abwicklung der Vorgänge, die nicht nachvollzogen werden könne, sprächen gegen die Glaubhaftigkeit sowohl des Zukaufes der Adressen als auch der dafür behaupteten Zahlungen, was der Prüfer im weiteren Verlauf dieser Textziffer seines Berichtes sodann im Detail darstellte. Der Beschwerdeführer als Abgabepflichtiger habe angegeben, über den Ablauf nicht Bescheid zu wissen und über die Adressenwerbung nur auf Grund der Abrechnungen mit seiner Ehefrau informiert zu sein. Dass der Beschwerdeführer in die Abwicklung dieser im Ablauf ungewöhnlichen Fälle aber ganz und gar nicht involviert gewesen sei, erscheine ungewöhnlich, wenn man die Höhe der aus diesen Vorfällen geltend gemachten Betriebsausgaben in Betracht ziehe. Auch der Außendienst des Beschwerdeführers könne dies nicht ausreichend erklären, weil er ja doch immer wieder in das Verkaufslokal zurückgekehrt sei.
In seinen Berufungen gegen die im Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Bescheide wurde vom Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Benennung der Empfänger der Zahlungen nicht in Abrede gestellt, aber die Auffassung vertreten, dass die erwachsenen Aufwendungen zufolge Zwangsläufigkeit anzuerkennen wären. Adressen von Hinterbliebenen zu erhalten, stelle die einzige Möglichkeit dar, Geschäfte auch außerhalb des Standortes tätigen zu können. Für diese Adressen habe der Beschwerdeführer S 45,-- pro Stück bezahlen müssen. Die Behauptung des Prüfers, die eingeschlagene Vorgangsweise sei nicht branchenüblich, sei mit dem Beschwerdeführer nicht erörtert worden. Der Prüfer habe nicht bedacht, dass es dem Beschwerdeführer nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht gestattet sei, Hinterbliebene aufzusuchen, sodass als einzig zulässige Art der Werbung eine briefliche Kontaktaufnahme mit Hinterbliebenen verbleibe. Der Einkauf solcher Adressen durch Grabsteinerzeuger sei ebenso branchenüblich wie der Umstand, dass die Adressen von Hinterbliebenen den daran Interessierten durch solche Personen zugänglich gemacht würden, die nicht genannt werden wollten, in welchem Zusammenhang zu vermuten sei, dass es sich um vom Dienstgeber unerwünschte Nebengeschäfte ihrer Dienstnehmer handle. Weshalb der Prüfer es als ungewöhnlich bezeichne, dass der Beschwerdeführer von der kaufmännischen Gestion keine detaillierte Kenntnis gehabt habe, sei nicht einsichtig, weil die kaufmännische Gestion eben von der Ehefrau des Beschwerdeführers durchgeführt werde. Der Beschwerdeführer selbst müsse sich um die technischen Angelegenheiten kümmern, die seine volle Arbeitskraft erforderten. Da die Ehefrau des Beschwerdeführers gleichzeitig seine einzige qualifizierte Angestellte und immer im Büro anwesend sei, während er sich auf den Baustellen befinde, sei die Annahme der Ungewöhnlichkeit durch den Prüfer verfehlt. Im Weiteren befassen sich die Berufungen auch noch mit Argumenten des Prüfers zur misslungenen Glaubhaftmachung der Aufwendungen.
In einer im Abgabenverfahren erstatteten Stellungnahme vom 26. September 1997 trat der Prüfer den Berufungsausführungen inhaltlich entgegen. Kein einziger der angebotenen Beweise habe das Vorbringen des Beschwerdeführers untermauert, dem Parteiengehör sei "im Übermaß" Rechnung getragen worden, indem zahlreiche Besprechungen, Telefonate und schriftliche Mitteilungen stattgefunden hätten.
Mit Bescheid vom 6. November 1997 leitete das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass er vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1995 eine Verkürzung an bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben und zwar Einkommen- und Gewerbesteuer in noch festzustellender Höhe bewirkt und dadurch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe. Begründet wurde dieser Tatverdacht mit den in Tz 18 lit. c) des erwähnten Prüfungsberichtes getroffenen Feststellungen.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde wendete der Beschwerdeführer ein, dass sich aus der in der Begründung des Bescheides genannten Textziffer des Prüfungsberichtes ergebe, dass er mit der kaufmännischen Abwicklung in seinem Unternehmen nichts zu tun habe. Seine Tätigkeit bestehe darin, die Bauten an Ort und Stelle auf den Friedhöfen zu überwachen und zu organisieren. Er verbringe kaum Arbeitszeit im Büro und sämtliche Tätigkeiten im Büro würden von seiner Ehefrau abgewickelt, welche die administrativen Tätigkeiten bislang zu seiner vollsten Zufriedenheit wahrgenommen habe. Außerdem habe er einen Steuerberater bevollmächtigt. Aus dem "Betriebsprüfungsakt" sei eine Abgabenhinterziehung durch den Beschwerdeführer nicht ersichtlich. Er habe auch keine Möglichkeit gehabt, sich hiezu zu äußern, womit auch der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei. Dass er vorsätzlich eine Abgabenverkürzung bewirkt habe, stehe in Tz 18 lit. c) des Prüfungsberichtes nicht.
Dieser Administrativbeschwerde blieb mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ein Erfolg versagt. Die Feststellung des Prüfers erlaubten eine Schlussfolgerung auf die Möglichkeit der Begehung eines Finanzvergehens durch den Beschwerdeführer, heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Für einen Verdacht reichten die der Finanzstrafbehörde mit dem Prüfungsbericht zugekommenen Mitteilungen aus, die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens seien ohnehin nicht vorweg zu nehmen. Nach dem Inhalt des Prüfungsberichtes sei dem Beschwerdeführer der Sachverhalt, der den Verdacht begründe, auch ausreichend bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer müsse als "langjähriger Unternehmer" von seiner Verpflichtung wissen, betriebsbedingte Aufwendungen nachzuweisen. Nicht anzuerkennende Betriebsausgaben von insgesamt S 1,191.300,--, die nicht glaubhaft gemacht worden seien, indizierten den Verdacht vorsätzlichen Handelns ausreichend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Behörde Tatsachen zur Kenntnis gelangen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann; dass die Annahme der Wahrscheinlichkeit solcher Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht gerechtfertigt ist, muss in der Begründung eines Einleitungsbescheides dargelegt werden (siehe hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 2002, 99/15/0217, vom 19. Dezember 2000, 2000/14/0104, und vom 29. November 2000, 2000/13/0196, mit weiteren Nachweisen). Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenso bereits ausgesprochen hat, pflegen Berichte über abgabenbehördliche Prüfungen solche Wahrnehmungen der Prüfungsorgane über Sachverhalte und Vorgangsweisen des Steuerpflichtigen zu enthalten, aus denen sich im Einzelfall durchaus ableiten lassen kann, dass Grund zur Annahme besteht, der Steuerpflichtige habe seine abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten mit dem Ergebnis einer Verkürzung der von ihm geschuldeten Abgaben in einer Weise verletzt, die nach den Umständen des Falles die Möglichkeit nahe legen müsse, dass er diese Verletzung seiner Pflichten mit der daraus resultierenden Abgabenverkürzung habe ernstlich für möglich halten und sich mit ihr abfinden müssen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1997, 96/13/0094). Wie der Gerichtshof im soeben zitierten Erkenntnis weiter ausgeführt hat, ist es eine nach Maßgabe des Inhaltes der Ausführungen im Prüfungsbericht im Einzelfall zu beurteilende Frage, ob sie eine solche die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Steuerpflichtigen tragende Annahme zulassen oder ob andernfalls die Annahme eines die Einleitung eines Strafverfahrens rechtfertigenden Tatverdachtes weiter gehender Begründungen im Einleitungsbescheid bedarf.
Die Feststellungen des im Beschwerdefall vorliegenden Prüfungsberichtes reichen entgegen der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Auffassung zur Rechtfertigung des im Einleitungsbescheid formulierten Tatverdachtes gegen den Beschwerdeführer aus. Dass der Beschwerdeführer über die im Prüfungsbericht geschilderte Abwicklung der Adressenbeschaffung von unbekannten, mit dem Taxi vorfahrenden Männern mit der Gepflogenheit unverzüglicher Barzahlung oder späterer Übergabe von Bargeld in Kuverts an die angeblich unbekannten Lieferanten nichts gewusst haben sollte, ist angesichts des Ausmaßes der dafür in den Streitjahren abgesetzten Aufwendungen nicht ausreichend wahrscheinlich, um der Rechtfertigung zumindest eines Tatverdachtes gegen den Beschwerdeführer des Inhaltes entgegenzustehen, dass er mit dem Versuch der Geltendmachung nicht nachweisbarer Betriebsausgaben die Möglichkeit des Bewirkens einer Abgabenverkürzung in Kauf genommen habe.
Die vom Beschwerdeführer in seiner Rüge unterbliebenen Parteiengehörs vermisste Gelegenheit zur Gegendarstellung hatte er in seiner Administrativbeschwerde. Dass die belangte Behörde das darin vom Beschwerdeführer zur Entkräftung des Tatverdachtes einzig erstattete Vorbringen, er wäre zufolge seiner ausschließlichen Tätigkeit auf den Baustellen über das ihm Vorgeworfene nicht informiert gewesen, nicht als ausreichend wahrscheinlich beurteilt hatte, um den sich aus dem Inhalt des Prüfungsberichtes ergebenden Tatverdacht zu widerlegen, kann nach Lage des Falles nicht als unschlüssige Sachverhaltsbeurteilung angesehen werden.
Die Beschwerde erwies sich damit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung hat der Gerichtshof aus dem im § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund Abstand genommen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998130160.X00Im RIS seit
07.10.2002Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008