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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Mag. Harald Pisar, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lederergasse 33b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. November 1998, Zl. St-222/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 25. November 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Dominikanischen Republik, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahre 1995 auf Grund einer Einladung seiner jetzigen Gattin aus der Dominikanischen Republik nach Österreich gelangt. Nach weiteren sporadischen Aufenthalten in Österreich halte sich der Beschwerdeführer seit dem 24. Dezember 1997 ständig in Österreich auf.
Am 16. März 1998 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens der Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedingt auf drei Jahre Probezeit sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt worden. Wie aus den Entscheidungsgründen hervorgehe, habe er am 8. Februar 1996 in Linz mit einem damals 13-jährigen Mädchen den Beischlaf unternommen, indem er das Mädchen mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs genötigt habe. Der Beschwerdeführer habe das Mädchen in die Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Gattin mitgenommen, dort die Eingangstür abgesperrt und den Schlüssel abgezogen, sodass das Mädchen die Wohnung nicht mehr habe verlassen können. Dann habe der Beschwerdeführer das Mädchen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, wenngleich es nicht zu dessen Vollzug gekommen sei. Durch diese Tat sei das Mädchen psychisch äußerst beeinträchtigt worden, es habe unter Schlafstörungen gelitten und sei einige Zeit hindurch akut selbstmordgefährdet gewesen. Als sich das Mädchen schließlich ihrer Mutter anvertraut habe, sei es gelungen, ihre psychologische Situation wieder zu stabilisieren.
Am 6. März 1998 habe der Beschwerdeführer seine jetzige Gattin, Frau Barbara R., geheiratet. Am 18. April 1998 sei ihr gemeinsamer Sohn geboren worden. Der Beschwerdeführer sei im Besitz einer ihm am 9. März 1998 erteilten, bis 31. März 1999 gültigen Niederlassungsbewilligung. Seit dem 9. Juni 1998 arbeite er in einem Textilwarengeschäft in Linz und verdiene dort S 7.500,-
- netto monatlich. Seine Gattin sei derzeit in Karenzurlaub. Sie sei nebenbei auch selbständige Grafikerin. Gelegentlich helfe ihr der Beschwerdeführer bei ihrer Arbeit. Er selbst sei selbständiger Künstler, nämlich Tänzer, und trete auch auf Modeschauen auf.
In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG erfüllt. Im Hinblick auf das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers - die Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens - sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß gefährde. Es sei in Anbetracht der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe und des von ihm verübten Delikts nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten, das bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingeräumte Ermessen zum Nachteil des Beschwerdeführers auszuüben.
Da der Beschwerdeführer in aufrechter Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen lebe und er mit dieser ein derzeit etwa ein halbes Jahr altes Kind habe, werde durch das Aufenthaltsverbot in beträchtlichem Ausmaß in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dennoch erscheine dieser Eingriff zur Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer habe sogar das Vertrauen seiner damaligen Lebensgefährtin missbraucht, indem er das Mädchen in deren Wohnung geholt habe. Bei einer solchen charakterlichen Einstellung sei zu befürchten, dass sich der Beschwerdeführer auch künftig mit ähnlicher Leichtigkeit über normiertes Recht hinwegsetze. Unter diesen Umständen wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer als dessen Auswirkungen auf seine Lebenssituation und die seiner Familie. Der Beschwerdeführer sei erst seit dem 24. Dezember 1997 ständig in Österreich aufhältig und stehe erst seit wenigen Monaten in einem ständigen Beschäftigungsverhältnis. Die Schwere der Straftat lasse eine kürzere Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes als zehn Jahre nicht zu.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Nach § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit., die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstückes. Im vorliegenden Fall findet daher auf den Beschwerdeführer, der Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin ist, die Bestimmung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG Anwendung, der zufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig ist, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend seine strafgerichtliche Verurteilung, er macht jedoch geltend, dass eine zukünftige Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im gegenständlichen Fall nicht zu befürchten sei, weil die Freiheitsstrafe bedingt verhängt worden sei. Das Rechtsinstitut der bedingten Strafnachsicht sei entweder von der belangten Behörde überhaupt nicht berücksichtigt oder aber fehlgedeutet worden. Die Behörde sei nicht nur an das Faktum der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung sondern nach § 39 Abs. 2 FrG auch an die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände gebunden. Hiebei sei wiederum die Wertung des Strafgerichtes heranzuziehen. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG seien daher nicht erfüllt.
1.3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 8. Februar 1996 ein damals erst 13-jähriges Mädchen in die Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Gattin mitgenommen, dort die Eingangstür abgesperrt und den Schlüssel abgezogen, sodass das Mädchen die Wohnung nicht mehr verlassen konnte. In weiterer Folge hat der Beschwerdeführer das Mädchen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, wenngleich es nicht zu dessen Vollzug gekommen ist. Das Mädchen war durch diese Tat in der Folge psychisch äußerst beeinträchtigt, litt unter Schlafstörungen und war einige Zeit hindurch akut selbstmordgefährdet. Lediglich durch den Umstand, dass sich das Mädchen schließlich ihrer Mutter anvertraute, gelang es, ihre psychologische Situation wieder zu stabilisieren. Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr abgeleitet. Dabei ist es - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde - nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, von welchen Erwägungen das Strafgericht bei dem Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht ausgegangen ist, weil die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes - unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Gewährung bedingter Strafnachsicht - vorzunehmen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0155). Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeigt - selbst wenn er bis zu dieser Straftat in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war - doch deutlich seine Bereitschaft, seine Wünsche in völlig unangemessener Weise unter Missachtung der Persönlichkeitsrechte und der körperlichen sowie psychischen Integrität anderer durchzusetzen.
1.4. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die Annahme der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde (vgl. § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), keinen Bedenken. Wenn sie das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides allein auf § 36 FrG und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, so war dies zwar rechtswidrig, dies bewirkte jedoch keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, zumal § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 leg. cit. bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung sind, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 2001/18/0032).
2. Ebenso begegnet die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 1 FrG keinem Einwand. Diese hat im Hinblick auf den (ständigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem 24. Dezember 1997, seine seit dem 9. Juni 1998 ausgeübte Beschäftigung und seine daraus ableitbare Integration in Österreich sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass er seit dem 6. März 1998 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und mit dieser sowie mit einem am 18. April 1998 geborenen gemeinsamen Kind zusammenlebt, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber auch - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - zu Recht den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt und somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, manifestieren sich doch in der vom Beschwerdeführer verübten Straftat, derentwegen er gerichtlich verurteilt wurde, die von ihm ausgehende massive Gefahr für die körperliche Sicherheit und Unversehrtheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.
Im Licht dessen kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den obgenannten erheblichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. An dieser Beurteilung vermag auch die von der Beschwerde ins Treffen geführte Behauptung, dass der Beschwerdeführer bereits von November 1995 bis Ende April 1996 und von September bis Dezember 1996 in Österreich verbracht habe und in diesem Zeitraum niemals - außer diesem einen Mal - mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, ebenso wenig zu ändern wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge sowohl die Geldstrafe als auch den dem Opfer zugesprochenen Schadenersatz bezahlt habe.
3. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 48 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Schließlich wendet sich die Beschwerde noch gegen die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0192) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der bei der Verübung der schweren Straftat zu Tage getretenen Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, nämlich seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, nicht vor Ablauf von zehn Jahren erwartet werden könne.
5.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 17. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999180191.X00Im RIS seit
20.01.2003