TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/17 2002/20/0383

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Veröffentlicht am 17.10.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §25 Abs2;
FrG 1997 §95 Abs1;
FrG 1997 §95 Abs3;
FrG 1997 §95;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des IS in Wien, geboren 1985, vertreten durch Dr. Andreas Stepan, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 22/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Mai 2002, Zl. 226.611/0-IV/11/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte am 13. November 2001 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er hielt sich zu dieser Zeit in einer Notunterkunft beim Bundesasylamt in Traiskirchen auf. Mit Bescheid vom 22. Jänner 2002 wurde sein Antrag gemäß §§ 7 und 8 AsylG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde am 23. Jänner 2002 der damaligen gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers, der Bezirkshauptmannschaft Baden, Jugendabteilung, als örtlich zuständigem Jugendwohlfahrtsträger zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 31. Jänner 2002 selbst Berufung. Laut dem im Akt in Kopie einliegenden Meldezettel ist der Beschwerdeführer seit 18. Februar 2002 in Wien wohnhaft. Mit Schreiben vom 8. März 2002, welches am 11. März 2002 dem Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, zugestellt wurde, wurde dieser als nunmehriger gesetzlicher Vertreter seitens des unabhängigen Bundesasylsenates gefragt, ob die vom Beschwerdeführer selbst eingebrachte Berufung genehmigt werde, und zur Beantwortung der Anfrage eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Eine solche Stellungnahme des gesetzlichen Vertreters langte beim unabhängigen Bundesasylsenat nicht ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 25 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und im Sinne des § 25 Abs. 1 AsylG im Verfahren nach dem AsylG nicht handlungsfähig sei. Fehle es an der prozessualen Handlungsfähigkeit einer Partei, so könnten Verfahrenshandlungen nur durch den gesetzlichen Vertreter rechtswirksam gesetzt werden. Die durch den Asylwerber selbst eingebrachte Berufung habe sich daher zunächst als schwebend unwirksam erwiesen. Mangels Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter sei die vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung endgültig rechtsunwirksam geworden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

§ 25 Asylgesetz 1997 (BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 82/2001) lautet:

"§ 25. (1) Volljährige Fremde sind in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Für den Eintritt der Volljährigkeit nach diesem Bundesgesetz ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich (§ 21 ABGB).

(2) Mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, sind berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger. Sobald für solche Jugendliche ein gesetzlicher Vertreter gemäß § 95 Abs. 3 FrG einzuschreiten hat, wird er auch Vertreter nach diesem Bundesgesetz.

(3) In Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt."

§ 95 FrG (BGBl. I Nr. 75/1997) lautet auszugsweise:

"§ 95. (1) Minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind in Verfahren nach dem 3., 4. und 6. Hauptstück handlungsfähig. Sie können zu einer mündlichen Verhandlung einen gesetzlichen Vertreter und eine an der Sache nicht beteiligte Person ihres Vertrauens beiziehen. Verfahrensfrei zu setzende Maßnahmen bleiben unberührt.

     (2) Der gesetzliche Vertreter eines solchen Fremden hat das

Recht,

     1.        auch gegen den Willen des Minderjährigen

Akteneinsicht zu nehmen und zu dessen Gunsten Beweisanträge zu

stellen und

     2.        innerhalb der einer Partei offen stehenden Frist

Rechtsmittel einzulegen, Beschwerden einzubringen und Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.

(3) Minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und deren Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, können im eigenen Namen nur Verfahrenshandlungen zu ihrem Vorteil setzen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines solchen Verfahrens der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes, in dem sich der Minderjährige aufhält. Wäre demnach dieselbe Behörde für das fremdenpolizeiliche Verfahren und die Vertretung zuständig, so wird der sonst örtlich nächstgelegene Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter.

..."

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer ab der Einleitung des Verfahrens über einen gesetzlichen Vertreter in Form des jeweils örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers verfügte. Dies war während der offenen Berufungsfrist bzw. zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung die Bezirkshauptmannschaft Baden. Als Folge der Übersiedlung des Beschwerdeführers nach Wien wurde der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, dessen gesetzlicher Vertreter.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannt habe, als sie trotz der nicht erfolgten Genehmigung der Berufung durch seinen gesetzlichen Vertreter meritorisch hätte entscheiden müssen. Da der Beschwerdeführer bereits das 16. Lebensjahr vollendet habe, dürfe er gemäß § 95 Abs. 1 FrG Anträge - und somit auch Berufungsanträge - stellen. Der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, habe als gesetzlicher Vertreter gemäß § 95 Abs. 2 FrG nur das Recht, (zusätzliche) Anträge zu Gunsten des Beschwerdeführers zu stellen. In § 95 FrG sei nicht die Rede davon, dass der gesetzliche Vertreter berechtigt sei, "zu dessen Nachteil untätig zu bleiben" bzw. das Recht habe, allfällige Berufungen des mündigen Minderjährigen nachträglich zu genehmigen.

Der Beschwerdeführer übersieht damit, dass § 95 Abs. 1 FrG minderjährigen Fremden, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, lediglich in Verfahren nach dem 3., 4. und 6. Hauptstück des FrG Handlungsfähigkeit einräumt, nicht aber in Verfahren nach dem AsylG. Der Verweis des § 25 Abs. 2 AsylG, wonach in jenen Fällen, in denen für mündige Minderjährige ein gesetzlicher Vertreter gemäß § 95 Abs. 3 FrG einzuschreiten hat, dieser auch Vertreter nach dem AsylG wird, kann nicht dahingehend verstanden werden, dass die Handlungsfähigkeit des mündigen Minderjährigen im Verfahren nach dem AsylG sich insgesamt nach § 95 FrG richtet.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, sein gesetzlicher Vertreter, der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, habe ihn auf Grund der Fristsetzung des unabhängigen Bundesasylsenats mit einem nicht eingeschriebenen Schreiben in deutscher Sprache zu einer Vorsprache geladen. Diese Ladung sei ihm nie zugekommen. Er hätte sie auch (gemeint: andernfalls) mangels Kenntnis der deutschen Sprache nicht verstanden. In einem Aktenvermerk des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, sei ersichtlich, dass deswegen keine Genehmigung der Berufung erfolgt sei, weil der Beschwerdeführer der Ladung keine Folge geleistet habe. Damit sei der Beschwerdeführer in seinem rechtlichen Gehör verletzt. Mit diesem Vorbringen wird jedoch nicht das Verhalten der belangten Behörde, sondern jenes des gesetzlichen Vertreters gerügt. Dieses ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob auch eine Berufung ein "Antrag" im Sinne des § 25 Abs. 2 AsylG ist oder ob sich die genannte Bestimmung nur auf Asylanträge bezieht, da in dem Zeitpunkt, in dem die Berufung erhoben wurde, jedenfalls ein gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 25 Abs. 2 AsylG, der die Interessen des Beschwerdeführers hätte wahrnehmen können, vorhanden war. Da dieser der eingebrachten Berufung nicht zugestimmt hat, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 17. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002200383.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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