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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Juni 2002, Zl RV/118 - 10/02, betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. Mai 2001 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der P GmbH für Abgaben in der Höhe von S 198.168,-- (Umsatzsteuer 1995 und Kammerumlage 1995) zur Haftung herangezogen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Abgaben bei der P GmbH auf Grund eines abgeschlossenen Konkursverfahrens nicht hätten eingebracht werden können. Bisherige Vollstreckungsmaßnahmen seien erfolglos verlaufen. Da der Beschwerdeführer als zur Vertretung berufene Person seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, habe die Haftungsinanspruchnahme ausgesprochen werden müssen.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass die P GmbH im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt eingetragen gewesen sei. Geschäftsführer dieser Gesellschaft sei deren früherer Prokurist RW gewesen. Mit Beschluss der Gesellschafter vom 8. Mai 1998 sei die Gesellschaft aufgelöst und der Geschäftsführer RW seiner Funktion enthoben worden. Gleichzeitig sei der Beschwerdeführer zum Liquidator der Gesellschaft bestellt worden. Für die gesamte Geschäftsgebarung der Gesellschaft vor dem 8. Mai 1998 trage der Beschwerdeführer keine Verantwortung, da er vorher keine Geschäftsführungs- oder Vertretungsfunktionen gehabt habe.
Zum Zeitpunkt seiner Bestellung zum Liquidator sei die Gesellschaft bereits konkursreif gewesen. Dem Beschwerdeführer seien keinerlei liquide Mittel zur Verfügung gestanden, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ordnungsgemäß abzudecken. Am 7. Juli 1998 habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft gestellt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15. Juli 1998 sei der Konkurs eröffnet worden. Mit Beschluss vom 9. Juni 2000 sei dieser gemäß § 139 KO aufgehoben worden.
Ab der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der P GmbH habe der Beschwerdeführer keine wie immer geartete Möglichkeit gehabt, auf die Geschäftsführung und Gebarung der Konkursmasse Einfluss zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe keinen Zugriff zu den seinerzeitigen Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft gehabt.
Der Beschwerdeführer habe als Liquidator ab dem 8. Mai 1998 keinen wie immer gearteten Handlungsspielraum, bezogen auf die Führung der Geschäfte der Gesellschaft, gehabt; insbesondere habe er keine wie immer geartete Möglichkeit gehabt, Zahlungen an die Gläubiger zu leisten. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde es vermieden, konkret anzuführen, worin die schuldhafte Verletzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten bei der Gesellschaft gelegen sein sollte. Es werde beantragt, diesbezüglich die Begründung des angefochtenen Bescheides zu ergänzen.
Der Beschwerdeführer könne nicht für die Umsatzsteuer für das Jahr 1995 in der Höhe von S 190.080,-- und auch nicht für die Kammerumlage in Höhe von S 8.088,-- in Anspruch genommen werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür zur Gänze fehlen würden. Wenn jemand am 8. Mai 1998 zum Liquidator bestellt werde und sechs Wochen später die Eröffnung des Konkurses beantragen müsse, weil ein konkursreifes Gebilde vorliege, dann könne er nicht für eine Umsatzsteuer aus dem Jahr 1995 haften. Es werde mit Entschiedenheit bestritten, dass zu jenem Zeitpunkt, zu welchem die Umsatzsteuer und Kammerumlage fällig gewesen seien, der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätte, diese zu bezahlen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 15. Jänner 2002 gab das Finanzamt der Berufung teilweise statt und schränkte die Haftung auf S 180.908,-- (Umsatzsteuer Jänner bis November 1995:
S 174.842,-- und Kammerumlage Jänner bis September 1995: S 6.066,--) ein.
In der Begründung wurde angeführt, dass laut Handelsregisterauszug der Beschwerdeführer bis zum 17. Jänner 1996 Geschäftsführer der P GmbH gewesen sei. Es sei daher die Haftung bezüglich der Umsatzsteuer auf die Monate Jänner bis November 1995 und für die Kammerumlage auf das erste bis dritte Quartal 1995 eingeschränkt worden.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte dabei vor, dass die Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe erst mit der Erlassung des entsprechenden Bescheides hinsichtlich der Abgabe entstehe. In jenem Zeitraum, in welchem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei, und zwar im Zeitraum bis 17. Jänner 1996, sei kein Bescheid über eine Umsatzsteuer für 1995 in der Höhe von S 190.080,-- existent gewesen. Eine Verpflichtung, die Umsatzsteuer für 1995 zu entrichten, sei erst nach dem 17. Jänner 1996 entstanden, als der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Allein schon aus dieser Erwägung könne eine pflichtwidrige Unterlassung des Beschwerdeführers, bezogen auf die Entrichtung einer noch gar nicht bescheidmäßig festgesetzten Umsatzsteuer, (gemeint wohl: nicht) angenommen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als die Haftung auf S 157.299,-- eingeschränkt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 12. November 1994 bis 17. Jänner 1996 Geschäftsführer, sowie vom 8. Mai 1998 bis 16. Juli 1998 Liquidator der P GmbH gewesen sei. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15. Juli 1998 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet worden, der nach Verteilung gemäß § 139 KO mit Beschluss des genannten Gerichtes vom 9. Juni 2000 aufgehoben worden sei. Die Konkursquote habe 6 % betragen. Am 16. Mai 2002 sei die Firma im Firmenbuch gelöscht worden. Die Haftungsschuldigkeiten seien daher, wie sich aus den obigen Ausführungen ergebe, bei der P GmbH uneinbringlich, allerdings sei die Konkursquote zu berücksichtigen gewesen.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre es unter anderem auch, dafür zu sorgen, dass die gesetzlich vorgesehenen Abgabenerklärungen rechtzeitig und richtig eingereicht würden. Der Geschäftsführer einer GmbH habe den Pflichten hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen nicht vollständig entsprochen, wenn es zu einem Rückstand bei der Umsatzsteuer gekommen sei, weil die Umsatzsteuer vom Geschäftsführer nicht entsprechend § 21 Abs. 1 UStG (insgesamt in der später bescheidmäßig festgesetzten Höhe) entrichtet worden sei. Daraus folge, dass der Zeitpunkt der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Frage der Haftung irrelevant sei. Im gegenständlichen Fall habe die Betriebsprüfung festgestellt, dass Rechnungen mit "Vorsteuerausweis" für Tätigkeiten von Busüberstellungen und Garagenarbeiten zum Teil von Dienstnehmern der Primärschuldnerin und zum Teil von anderen Nichtunternehmern ausgestellt worden seien. Die diesbezügliche Verkürzung habe für das Jahr 1995 S 186.099,59 betragen, wobei auf den Zeitraum November bis Dezember 1995 S 24.825,27 entfallen seien (unter Hinweis auf den diesbezüglichen BP-Bericht).
Prinzipiell würde der Beschwerdeführer zwar auch für die Umsatzsteuerverkürzung betreffend den Voranmeldungszeitraum November 1995 haften (Fälligkeitstag: 15. Jänner 1996). Da sich jedoch die Verkürzung der Monate November und Dezember 1995 nicht eindeutig auf die betroffenen Monate zuordnen lasse, werde auf die Haftung für den Monat November 1995 verzichtet.
Dass etwa im Zeitraum November 1994 bis Mitte Jänner 1996 überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden seien, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Allerdings ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass in diesem Zeitraum Löhne bezahlt worden seien, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos gewesen sei.
Somit stelle sich die Haftung für die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer, welche auf die zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern auf Grund von Rechnungen von Dienstnehmern bzw. Nichtunternehmern Jänner bis Oktober 1995 eingeschränkt werde, wie folgt dar:
S 186.099,59 (Vorsteuerkürzung Transporte) abzgl. S 24.825,27 (November und Dezember 1995, siehe oben) = S 161.274,32. Dieser Betrag vermindere sich auf Grund der Ausgleichsquote von 6 % auf
S 151.597,--.
Diese Überlegungen würden auch für die Kammerumlage, für die die Haftung auf das Quartal Jänner bis März 1995, somit auf S 5.702,-- (3/4 von S 8.088,-- = 6.066,--; hievon 94 %, einzuschränken gewesen sei, gelten. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kammerumlage um eine Selbstbemessungsabgabe handle. Somit sei nicht der Zeitpunkt der Bescheiderlassung, sondern der Zeitpunkt der Fälligkeit maßgebend. Die Kammerumlage sei spätestens am 15. Tag des dem Kalendervierteljahr zweitfolgenden Monates zu entrichten. Eine Selbstbemessung und Abfuhr durch den Beschwerdeführer sei nicht erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen (vgl. für viele das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2002, 99/14/0233).
Der Beschwerdeführer rügt, dass er vom Haftungsbescheid des Finanzamtes "geradezu überrascht" gewesen sei, "weil er von jenem Verfahren, welches dem Bescheid voranging, nie verständigt" worden und ihm daher auch nicht die Gelegenheit gegeben worden sei, seine Rechte dort wahrzunehmen. Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer vor Erlassung des Haftungsbescheides Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhalten hat, welche er mit Schreiben vom 11. August 2000 auch wahrgenommen hat. Dem - im Haftungsverfahren anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer wäre gemäß § 248 BAO die Möglichkeit offen gestanden, die Mitteilung eines noch nicht bekannt gewordenen Abgabenanspruches zu beantragen bzw. innerhalb der zur Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch Berufung gegen den Abgabenanspruch zu erheben. Nach der Aktenlage hat er eine solche Mitteilung nicht begehrt.
Der Beschwerdeführer rügt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals das Unterbleiben von Feststellungen über die Aufgliederung des haftungsgegenständlichen Betrages.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Umsatzsteuerbetrag von S 174.842,--, für den er zur Haftung herangezogen wurde, sei in der Berufungsvorentscheidung nicht aufgegliedert worden, ist dem entgegenzuhalten, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Haftung für die Umsatzsteuer lediglich in Höhe von S 151.597,-- ausgesprochen worden ist. Die Berechnung dieses Betrages im angefochtenen Bescheid ist nachvollziehbar.
Zum Beschwerdevorbringen, warum sich trotz Festsetzung einer Gutschrift eine Nachforderung ergeben habe, ist darauf zu verweisen, dass im auf Grund einer Betriebsprüfung wieder aufgenommenen Verfahren die Gutschrift wegen nicht anerkannter Vorsteuern um den strittigen Betrag niedriger festgesetzt worden ist.
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, dass die Umsatzsteuernachzahlungen ausschließlich auf Malversationen des seinerzeitigen Prokuristen RW beruhten, von denen er selbst erst mit Einleitung eines Finanzstrafverfahrens Kenntnis erlangt habe, und dass aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich sei, warum er dafür verantwortlich sein solle. Diese Darlegungen sind nicht geeignet, die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers zu widerlegen. Wenn der verantwortliche Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt, wird er dadurch nicht von seiner Verantwortung befreit. Es treffen ihn in einem solchen Fall Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen nach § 9 BAO führen kann. Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen - im vorliegenden Fall des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der P GmbH - durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Der zur Vertretung einer juristischen Person Berufene hat die Tätigkeit der von ihm beauftragten Person in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibt (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 122 f, und Ritz, Bundesabgabenordnung, § 9 Rz 12, und die dort jeweils zitierte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren Umstände, aus denen sich ergäbe, dass ihm trotz pflichtgemäßer Überwachung des Prokuristen die Abgabenrückstände verborgen bleiben konnten, nicht behauptet. Vielmehr ergibt sich auf Grund seines Vorbringens, dass er jegliche Überwachungsmaßnahmen unterlassen hat. Schon aus diesem Grund zeigt er mit seinem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der Einstellung eines Finanzstrafverfahrens gegen ihn genügt es, darauf hinzuweisen, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung noch ein freisprechendes Urteil eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 2002, 96/14/0068).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. Dezember 2002
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002150152.X00Im RIS seit
29.04.2003