TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/26 2002/03/0158

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Veröffentlicht am 26.02.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §62 Abs2;
AVG §67g Abs1;
AVG §68 Abs1;
VStG §51h Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des V in Roth, Deutschland, vertreten durch Dr. Brigitte Weirather, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 34/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. April 2002, Zl. uvs-2001/K1/029-2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 3. April 2001 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission für schuldig erkannt und über ihn eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (EUR 726,73) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung. Bei der darüber bei der belangten Behörde am 10. Oktober 2001 abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde in Anwesenheit der Vertreterin des Beschwerdeführers der Bescheid des Inhaltes verkündet, dass die Berufung als unbegründet abgewiesen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der mündlich verkündete Bescheid abgeändert und der Berufung insoferne Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 726,73 (Ersatzarrest 2 Tage und 21 Stunden) auf EUR 400,-- (Ersatzarrest 1 Tag) herabgesetzt wurde. Der Spruch des (erstinstanzlichen) Straferkenntnisses wurde weiters insoferne abgeändert, als im Hinblick auf den Strafausspruch die Worte "§ 23 Abs. 2 zweiter Satz" zu entfallen hätten. Die Herabsetzung der Strafe wurde damit begründet, dass der Verfassungsgerichtshof mit dem näher angeführten Erkenntnis, das nach der Verkündung des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis am 8. Februar 2002 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden sei, ausgesprochen habe, die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" in § 23 Abs. 2 GüterbeförderungsG sei verfassungswidrig gewesen. Nach dem weiteren Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes sei die verfassungswidrige Bestimmung insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf Z. 8 bezieht. Es sei somit die in § 23 Abs. 2 GüterbeförderungsG vorgesehene Mindeststrafe weggefallen und seien danach Geldstrafen von 0,-- bis EUR 7.267,-- möglich. Da nach der mittlerweile ergangenen Novelle des GüterbeförderungsG für den Lenker nur mehr eine Geldstrafe bis höchstens EUR 726,-- vorgesehen sei, sei die verhängte Geldstrafe von EUR 726,73 zu hoch ausgefallen. Im Hinblick darauf, dass nach dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Z. 8 nicht mehr anzuwenden sei, hätte eine Neufestsetzung der Strafe erfolgen müssen. § 67g Abs. 3 AVG verlange, dass den Parteien eine Ausfertigung des Bescheides zugestellt werde. Da das Berufungsverfahren erst mit der Zustellung des Berufungsbescheides beendet sei, seien daher durch Art. 140 Abs. 7 B-VG bedingte Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

§ 62 Abs. 2 AVG ordnet an, dass der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden ist.

Nach § 62 Abs. 3 AVG ist eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0207) hat die bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, zu der die Parteien ordnungsgemäß geladen wurden, erfolgte Verkündung des Berufungsbescheides die Wirkung seiner Erlassung. Für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, ist - dies hat die belangte Behörde verkannt - nicht die schriftliche Bescheidausfertigung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Bescheidinhalt und die Tatsache der Verkündung gemäß § 62 Abs. 2 AVG angefertigt wurde.

Da der Inhalt und die Verkündung des am 10. Oktober 2001 verkündeten Bescheides im Beschwerdefall ordnungsgemäß dem § 62 Abs. 2 AVG (i.V.m. § 24 VStG) entsprechend am Schluss der Verhandlung beurkundet wurde, ist dieser Bescheid mit seiner Verkündung und mit dem verkündeten Inhalt in Rechtswirksamkeit getreten. An diesen Bescheid knüpfen sich somit die Rechtswirkungen eines Bescheides, insbesondere auch dessen Unwiderrufbarkeit. Darunter ist zu verstehen, dass der Bescheid von Amts wegen von der Behörde nicht mehr oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen widerrufen, d.h. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0207).

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, wenn sie in der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides eine wesentliche Änderung (im Hinblick auf die festgesetzte Strafe und die herangezogenen Strafbestimmungen) des Bescheidspruches gegenüber dem mündlich verkündeten Bescheid vornahm. Für die belangte Behörde war allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des mündlich verkündeten Bescheides maßgeblich. Die Beachtung einer durch den Verfassungsgerichtshof nach der mündlichen Verkündung des Bescheides ausgesprochenen Aufhebung in Bezug auf eine von der belangten Behörde angewendete Bestimmung des Güterbeförderungsgesetzes konnte von der belangten Behörde nicht mehr berücksichtigt werden.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der angefochtene Bescheid vom 10. April 2002 auf Grund seines - im Spruch ausdrücklich deklarierten - gegenüber dem mündlich verkündeten Bescheid unterschiedlichen normativen Gehaltes nicht als schriftliche Ausfertigung dieses Bescheides gelten. Er ist vielmehr als selbstständiger Bescheid anzusehen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 98/03/0207). Als solcher verstößt er aber gegen das dargelegte Prinzip der Unwiderrufbarkeit eines Bescheides und ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Februar 2003

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Fassung die der Partei zugekommen ist Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002030158.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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