TE Vwgh Beschluss 2003/2/26 2003/13/0010

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2003
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/03 Abgabenverwaltungsorganisation;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §260 Abs1;
BAO §260;
BAO §323 Abs10;
B-VG Art132;
UFSG 2003 §1 Abs1;
VwGG §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, in der Beschwerdesache der V-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den unabhängigen Finanzsenat (Außenstelle Wien) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Berufung betreffend Kapitalertragsteuer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die in der Beschwerde unter Hinweis auf den Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2002, B 1551/01 (vgl. das mittlerweile ergangene - aufhebende - Erkenntnis vom 5. Dezember 2002, G 227/02), vertretene Auffassung, aus Gründen der verfassungsmäßig gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes müsse eine Lückenschließung in dem Sinne erfolgen, dass von einem Weiterlaufen der Entscheidungsfrist auszugehen sei, schon deshalb nicht, weil der mit 1. Jänner 2003 für den UFS neu begonnene Fristenlauf der - normalen - Frist nach § 27 Abs. 1 VwGG bereits von der zeitlichen Dimension her nicht mit der im genannten Prüfungsbeschluss (und dem nachfolgenden Erkenntnis) als verfassungswidrig erachteten generellen Vervierfachung der normalen Devolutionsfrist (von sechs Monaten auf zwei Jahre) vergleichbar ist.

Da demnach die Frist des § 27 Abs. 1 VwGG noch nicht abgelaufen war, musste die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückgewiesen werden, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Wien, am 26. Februar 2003

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft hatte am 4. Dezember 2001 im Zusammenhang mit einer Prüfung der Kapitalertragsteuer gegen "28 Bescheide (Formular L 20), jeweils vom 30.10.2001, jeweils zugestellt am 5.11.2001, betreffend den Zeitraum 7/98 bis 11/00 (ohne 2/00)" Berufung erhoben. Nach abweisender Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte sie am 1. Juli 2002 einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit der vorliegenden, am 14. Jänner 2003 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Finanzsenat (belangte Behörde) gemäß § 27 VwGG geltend. Der Umstand, dass die belangte Behörde erst mit dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, geschaffen worden sei, stehe der Erhebung einer Säumnisbeschwerde im Hinblick auf das vom Verfassungsgerichtshof wiederholt (so der Prüfungsbeschluss vom 28. Juni 2002, B 1551/01, betreffend Vervierfachung der Devolutionsfrist nach § 243 Abs. 3 WAO durch das LGBl. Nr. 9/2000) betonte Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes nicht entgegen. Aus dem Fehlen einer Übergangsbestimmung im § 323 Abs. 10 BAO dürfe solcherart nicht abgeleitet, dass der unabhängige Finanzsenat in den ersten sechs Monaten seiner Existenz keine Verletzung einer Entscheidungspflicht zu verantworten habe.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht nicht.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht (was im Beschwerdefall nicht zutrifft), nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO in der vor dem 1. Jänner 2003 geltenden Fassung oblag die Entscheidung über Berufungen der Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Gemäß § 260 BAO in der ab 1. Jänner 2003 geltenden Fassung des AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, hat über Berufungen gegen von Finanzämtern oder von Finanzlandesdirektionen erlassene Bescheide der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 UFSG (Art. I des AbgRmRefG), welche Bestimmung gemäß § 26 Abs. 1 und 2 leg.cit. erst mit 1. Jänner 2003 in Kraft getreten ist, wird für das Bundesgebiet ein unabhängiger Finanzsenat (im Folgenden UFS) errichtet.

Durch die angeführten Gesetzesänderungen zum 1. Jänner 2003 ist somit eine Änderung hinsichtlich der im zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren zuständigen obersten Abgabenbehörde eingetreten. Die Beschwerdeführerin belangt die erst seit 1. Jänner 2003 zuständige oberste Verwaltungsbehörde mit der Konsequenz, dass dem UFS in Fällen, in denen bereits die Finanzlandesdirektion säumig geworden ist, keine eigene Entscheidungsfrist verbliebe. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit einer vergleichbaren Fallkonstellation - einer Änderung der Zuständigkeit der obersten Verwaltungsbehörden auf Grund der Bundesministeriengesetz-Novelle 2000 - ausgeführt, bei Fehlen einer (anderes anordnenden) Übergangsbestimmung müsse sich die neu zuständig gewordene oberste Verwaltungsbehörde nicht die Verletzung der Entscheidungspflicht einer anderen Verwaltungsbehörde anrechnen lassen (vgl. den Beschluss vom 28. Juni 2000, 2000/12/0111). § 323 Abs. 10 BAO sieht (zufolge seines Verweises auf § 260 BAO) lediglich vor, dass der UFS auch zur Entscheidung über alle am 1. Jänner 2003 unerledigten Berufungen zuständig ist, nicht aber, dass sich der UFS die Verletzung der Entscheidungspflicht einer anderen, nämlich der zuvor zuständig gewesenen Finanzlandesdirektion, gleichsam auf die Frist des § 27 Abs. 1 VwGG anrechnen lassen müsste. Für eine derartige Rechtsfolge mangelt es daher auch gegenständlich an einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003130010.X00

Im RIS seit

26.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten