TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/15 2002/05/1197

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Veröffentlicht am 15.07.2003
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §68;
BauO NÖ 1996 §73;
BauO NÖ 1996;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art18 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Leopold Friedlmayer in Seyring, vertreten durch Brand, Lang, Breitmeyer, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien 9, Maria-Theresien-Straße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 2002, Zl. RU1-V-95085/11, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Gerasdorf, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien 1, Börseplatz - Börsegasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem vorgelegten Verwaltungsakt zufolge hat der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 7. September 2001, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 10. September 2001, "um Änderung der hinteren Baufluchtlinie und Bebauungsdichte für dieses Grundstück (Parz.Nr. 772/17, KG Seyring)" angesucht, da auf diesem Teil ein Gebäude gewesen sei. Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde am 17. September 2001 mit diesem Ansuchen befasst, er hat in dieser Sitzung beschlossen, die Ablehnung des Ansuchens zu empfehlen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. September 2001, der im Betreff ein Ansuchen des Beschwerdeführers vom 10. September 2001 um baubehördliche Bewilligung bezeichnet, wurde das Ansuchen um nachträgliche baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Gästehauses mit Abstellplatz auf dem Grundstück Nr. 772/17, EZ 1294, KG Seyring, abgewiesen. Dies mit der Begründung, dass das Bauvorhaben im Widerspruch zum Bebauungsplan stehe. Weiters wurde mitgeteilt, dass auf Grund des Ansuchens vom 10. September 2001 um Abänderung des Bebauungsplanes betreffend Änderung der Baufluchtlinie und Erhöhung der Bebauungsdichte der Stadtrat in seiner Sitzung vom 17. September 2001 beschlossen habe, die nachträgliche Abänderung abzulehnen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Vertreterin des Beschwerdeführers vor, dieser habe einer näher bezeichneten Baufirma den Auftrag zur Errichtung eines Kleinwohnobjektes als Gartenhaus erteilt. In diesem Auftragsumfang seien sämtliche baurechtlichen Maßnahmen inkludiert gewesen, die zur Errichtung erforderlich seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb "diese erforderlichen Behördenverfahren seitens der beauftragten Baufirma nicht eingebracht wurden".

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2001 hat der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Baubehörde zweiter Instanz die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 18. September 2001 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsmittelbehörde habe im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Zur maßgeblichen Rechtslage gehörten auch die geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungspläne. Der Bebauungsplan sei am 19. Juli 1994 in Kraft getreten. Auf Grund des Ansuchens vom 10. September 2001 um Abänderung des Bebauungsplanes habe der Stadtrat beschlossen, die gewünschten Abänderungen abzulehnen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung führte der Beschwerdeführer aus, er werde durch den gemeindebehördlichen Bescheid in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten auf widmungsgemäße Verwendung seines Grundstückes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (Baurecht) verletzt. Aus Gründen der juristischen Vorsicht werde geltend gemacht, dass der Bebauungsplan, der nach den Ausführungen der Gemeinde mit 19. Juli 1994 in Kraft getreten sein soll, nicht gesetzmäßig zustande gekommen sei (wird näher ausgeführt). Die Baubehörde habe gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 der NÖ BauO 1996 zu prüfen, ob dem Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart oder der Bebauungsplan entgegen stehe. Die Baubehörde habe dann, wenn sie eines der in Abs. 3 des § 20 leg. cit. angeführten Hindernisse feststelle, den Antrag abzuweisen. Halte sie dessen Beseitigung durch eine Änderung des Bauvorhabens für möglich, so habe sie dies dem Bauwerber mitzuteilen. Die Baubehörde hätte daher dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Änderung des Projektes nahe legen müssen. Überdies habe die Behörde nicht geprüft, ob die Baufluchtlinie nur durch Bestandteile von Gebäuden überschritten werde. Dies wäre aber im Hinblick auf die Bestimmung des § 52 der NÖ BauO 1996 beachtlich, zumal diese Bestimmung die Überschreitungen der Baufluchtlinien, aber auch des Bauwichs, durch derartige Vorbauten ermögliche.

Im Vorlagebericht der Gemeinde an die belangte Behörde hat die Gemeinde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer am 10. September 2001 die nachträgliche Baubewilligung für das gegenständliche Gästehaus beantragt hat.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 19. Oktober 2001 als unbegründet abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handle es sich im gegenständlichen Fall nicht um einen Antrag auf Baubewilligung, sondern um einen Antrag auf Abänderung von konkreten Bebauungsvorschriften. Das Verlangen, das konkrete Projekt abändern zu dürfen, gehe somit ins Leere, da es sich im gegenständlichen Fall nicht um ein Baubewilligungsverfahren handle. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer bereits am 9. April 1996 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht, da er die gegenständliche Bebauungsbestimmung als gesetzwidrig erachtete. Der Verfassungsgerichtshof habe jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 1224/96-12, abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe niemandem ein Rechtsanspruch auf Abänderung eines Bebauungsplanes zu, da es sich bei einem solchen um einen generellen Verwaltungsakt handle. Da der angefochtene Bescheid im Ergebnis keine Rechte des Beschwerdeführers verletze, sei spruchgemäß zu entscheiden. Der Vollständigkeit halber werde ausgeführt, dass das gegenständliche Gebäude nicht lediglich in den Bauwich hineinrage, sondern im hinteren Bauwich errichtet worden sei.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. September 2002, B 1146/02-6, abgelehnt, und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Gemeindebehörden geltend gemacht. In der Beschwerde wird ausgeführt, die mitbeteiligte Gemeinde habe das Ansuchen vom 10. September 2001 als Antrag auf Abänderung von Bestimmungen des Bebauungsplanes betrachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; in dieser Gegenschrift wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 7. November 2001 (richtig wohl: 7. September 2001) die Änderung der hinteren Baufluchtlinie und der Bebauungsdichte für das gegenständliche Grundstück beantragt. Am 10. September 2001 sei um nachträgliche baubehördliche Bewilligung für das Gästehaus (Haus in massiver Bauweise im Ausmaß von 7 m x 7 m) angesucht worden.

Auf Grund der Darstellung in der Gegenschrift der mitbeteiligten Stadtgemeinde, wonach zwei Ansuchen, nämlich eines um Abänderung des Bebauungsplanes und eines um nachträgliche baubehördliche Bewilligung für ein Gästehaus eingebracht worden seien, im Akt aber nur ein Ansuchen betreffend die Abänderung des Bebauungsplanes einlag, hat der Verwaltungsgerichtshof die mitbeteiligte Gemeinde aufgefordert, eine Ablichtung des Baugesuches vorzulegen. Seitens der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde dazu zunächst mitgeteilt, dass kein Baugesuch vom 10. September 2001 aufgefunden werden könne, es sei aber ganz sicher eines zusätzlich zum Ansuchen um Abänderung des Bebauungsplanes eingereicht worden. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Juxte betreffend die Vergebührung. Möglicher Weise sei dem Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Versagung der Baubewilligung auch das Baugesuch retourniert worden. Mit Schreiben vom 7. Juli 2003 legte die Gemeinde dem Verwaltungsgerichtshof das Ansuchen um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung vom 6. September 2001, eingelangt bei der Gemeinde am 10. September 2001, vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit dem im Zeitpunkt ihrer Entscheidung einzigen im Akt einliegenden, am 10. September 2001 bei der Gemeinde eingelangten Ansuchen die Abänderung des Bebauungsplanes beantragt hat. Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass niemandem ein Rechtsanspruch auf die Erlassung bzw. Änderung eines Bebauungsplanes zusteht. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 10. Februar 1976, Slg. N.F. Nr. 8987/A, ausgeführt, dass ein Recht auf Mitwirkung an der Erzeugung eines derartigen generellen Verwaltungsaktes nach den Grundsätzen der österreichischen Rechtsordnung auch jenen Personen nicht zusteht, die von einem derartigen Verwaltungsakt möglicher Weise betroffen werden, wie auch ein auf Verwaltungsebene verfolgbarer Anspruch auf Erlassung solcher Akte nicht bestehe. In einem solchen Fall besteht kein Rechtsanspruch auf Erlassung eines Bescheides. Es bestand daher auch keine Verpflichtung, auf Grund des o.a. Antrages einen Bescheid zu erlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/05/0147).

Da aber doch - wie schon aus dem Vorlagebericht der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Dezember 2001 eindeutig hervorgeht - zusätzlich zum Antrag um Abänderung des Bebauungsplanes ein Baugesuch eingebracht wurde, hätte die belangte Behörde die Vorstellung diesbezüglich inhaltlich erledigen müssen, insbesondere hätte sie auf die in der Vorstellung vorgetragene Rüge, der Beschwerdeführer sei zu Unrecht nicht zu einer Abänderung seines Baugesuches aufgefordert worden, eingehen müssen. Abgesehen davon, hätte die belangte Behörde in konsequenter Verfolgung ihrer Ansicht, wonach kein Baugesuch eingebracht wurde, den Bescheid des Stadtrates aufzuheben gehabt und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Stadtrat zurückverweisen müssen. Denn in einem Fall, in dem ein Bürgermeister über ein Baugesuch entscheidet, das nicht eingebracht wurde, nimmt nämlich der Bürgermeister eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihm nicht zukommt. Der Stadtrat hätte in einem derartigen Fall auf Grund der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung diesen erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen. Da der Stadtrat mit einer inhaltlichen Erledigung vorgegangen ist, hätte die belangte Behörde, auch wenn man ihre Meinung zu Grunde legt, es sei kein Baugesuch eingebracht worden, den Berufungsbescheid aufheben müssen. Durch die unterlassene Aufhebung des Berufungsbescheides, mit dem ein Baugesuch rechtskräftig abgewiesen wurde, wäre der Beschwerdeführer insofern in seinen Rechten verletzt, als einem neuen (bzw. ersten) Baugesuch betreffend dasselbe Bauvorhaben res iudicata entgegen gestanden wäre.

Der angefochtene Bescheid ist daher jedenfalls mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 15. Juli 2003

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002051197.X00

Im RIS seit

13.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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