TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/16 2002/01/0147

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Veröffentlicht am 16.07.2003
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10a;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 17a, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 20. März 2002, Zl. 0/912-14061/7- 2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 i.d.g.F. (StbG) i.V.m. § 10a leg. cit." ab.

Nach der Begründung sei anlässlich der Antragstellung festgestellt worden, dass ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer möglich sei, dieses aber sehr mühsam vonstatten gehe und "sehr schlecht eingelernt wirkt". Die Bundespolizeidirektion Salzburg und das Arbeitsmarktservice Salzburg hätten keine Bedenken gegen die Verleihung der Staatsbürgerschaft geäußert. Weder im Finanznoch im Verwaltungsstrafregister sei der Beschwerdeführer vorgemerkt. In einer am 7. März 2002 mit dem Beschwerdeführer bei der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift sei ein Gespräch mit ihm festgehalten worden, in dem er zu seiner familiären und beruflichen Situation befragt worden sei. Wörtlich ist dazu im angefochtenen Bescheid Folgendes fest gehalten:

"Anlässlich der Aufnahme einer Niederschrift wurde der Genannte informiert, dass er sich sofort melden soll, wenn er etwas nicht versteht. In der Folge wurde der Antragsteller befragt, wo er Deutsch gelernt hat. Er sagte: 'Normal Arbeitskollege. Deutschkurs ja no nix, später sicher.'

Er wurde weiters gefragt, ob er mit seiner österreichischen Ehefrau deutsch oder türkisch gesprochen hat. Er sagte: 'In Österreich Frau nix türkisch sprechen, aber deutsch sprechen. Türkisch nix meine Frau. Acht Jahre nix zusammen, Frau ist weg. Voriges Jahr Scheidung gewesen. Voriges Jahr ist weggewesen. Dann waren zusammengewesen, dann ich Hause gehen, dann zurückgehen, Frau sagen so lange Türkei gewesen, Scheidung. Jede Wohnung ist extra gewesen, nur Besuch zusammengewesen.'

Der Betroffene wurde gefragt, wie lange er in Österreich lebt. Er sagte: '1991-igste 12 Jahre. Winter bis Dezember ein Monat Urlaub, wenn Firma ist zu.'

Er wurde weiters gefragt, ob er immer im Winter in die Türkei fährt, wenn die Firma zu ist. Er sagte: 'Wenn ich selber wollen, fahren Hause, wann nix wollen, kannst dableiben.' Weiters sagte er: 'Diese Jahre zweimal fahren. Nix jede Jahre. Wann wollen nix, musst du fahren, jede Jahr.'

Der Antragsteller wurde gefragt, wie oft er im Winter in die Türkei gefahren ist. Er konnte diese Frage nicht beantworten.

Weiters sagte er: 'Jetzt eine Monat in Türkei. Wenn in Türkei, ich habe Vater, Mutti, Kinder. Jetzt meine Vater, Mutter und Kinder nix bei mir, andere Haus.'

Über die Mutter seiner Kinder sagte er weiters: 'Wann ist da, heiraten. Meine Freundin sagen wieso heiraten andere Frau. Sie ist selber weg. Kinder sind bei ihm.'

Er wurde gefragt, warum die Kinder bei ihm sind, obwohl er nicht in der Türkei lebt. Er sagte: 'Frau unten nix haben, arbeiten, was machen Frau, heiraten nix, nur Freundin gewesen. Ich sehen schon, reden schon.'

Der Antragsteller wurde gefragt, ob er in die Schule gegangen ist. Er sagte: 'Türkei schon, fünf Jahre.'

In Österreich hat er keinen Deutschkurs besucht. Er sagte weiters: 'Wenn Baufirma kannst du arbeiten 7 bis 7. Wie geht für Schule.' Winter wollen schon gehen, Vater ist krank, andere Winter nix wissen für Staatsbürgerschaft anfragen. Auf Baustelle ich gut sprechen.'

Der Antragsteller wurde zu seiner Wohnung gefragt, z.B. wie groß sie ist. Er sagte: 'Ungefähr 12 Quadrat, Pflanzmannstraße 7, nur Zimmer. Haus in Türkei, meine Vater.'

Der Antragsteller wurde informiert, dass er in den letzten Jahren im Winter keine Versicherungszeiten gehabt hat. Er sagte:

'War ich nix für Arbeitsamt. Ich Türkei.'

Der Antragsteller wurde gefragt, wann er wieder zu arbeiten beginnt. Er sagte: 'Firma S. Muss rufen, wann wieder anfangen.

Polier nix da.

     Der Antragsteller hat angegeben, dass er den Lebenslauf, der

dem Akt beiliegt, selbst ausgefüllt hat.

     Der Antragsteller wurde informiert, dass für die Verleihung

der österreichischen Staatsbürgerschaft Deutschkenntnisse entsprechend notwendig sind.

Dem Antragsteller wurden die eingeholten Stellungnahmen zur Kenntnis gebracht und es wurde ihm Akteneinsicht gewährt. Nach Einsicht in den Akt hat der Antragsteller keine Stellungnahme abgegeben."

Im Anschluss an die Wiedergabe dieses Gespräches stellte die belangte Behörde fest, dass der am 1. Jänner 1965 in der Türkei geborene Beschwerdeführer vom 22. Jänner 1991 bis 4. Februar 1999 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei; die Ehe sei durch Scheidung aufgelöst worden. Er sei seit 19. April 1993 ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und beziehe seit 18. Februar 2002 Arbeitslosengeld.

In ihrer rechtlichen Beurteilung nahm die belangte Behörde auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10a StbG Bezug. Eine Beurteilung der Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers traf die belangte Behörde zunächst offenbar anhand einer im Verwaltungsakt einliegenden, bei der Antragstellung aufgenommenen, Niederschrift über die "Beurteilung der Deutschkenntnisse im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren gemäß § 10a StbG" vom 31. Oktober 2001, der allerdings nur das eingangs wieder gegebene Resümee zu entnehmen ist. Anlässlich der Niederschrift vom 7. März 2002 sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nur spärlich beherrsche, obwohl er seit neun Jahren ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet sei, er zwei Jahre Voraufenthalte nachweisen könne und überdies acht Jahre mit einer Österreicherin verheiratet gewesen sei. Gerade dieser Umstand hätte schließen lassen, dass sich der Beschwerdeführer während der Dauer seiner Ehe Deutschkenntnisse angeeignet habe, die mehr als nur eine Aneinanderreihung von einfachsten Satzteilen seien. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, einfache ganze Sätze zu artikulieren. In seiner Situation sei "zumindest ein leicht gehobenes Niveau der deutschen Sprachbeherrschung zu erwarten". Er sei seit 1991 mit Unterbrechungen auch berufstätig und habe seine Deutschkenntnisse auf seinem Arbeitsplatz erworben, Deutschkurs habe er keinen besucht. Seine derzeitigen Deutschkenntnisse reichten nicht aus, um die Voraussetzung des § 10a StbG zu erfüllen. Es sei zu erwarten, dass er einfache Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen in ganzen Sätzen beantworten könne. Eine Verständigung über einfache Inhalte, die sich im Wesentlichen an Dingen orientiere, mit denen der Beschwerdeführer im persönlichen Leben zu tun habe, sollte mit ihm möglich sein. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über Deutschkenntnisse, die seinen Lebensumständen entsprächen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde stützte ihre abweisende Entscheidung ausschließlich auf das Fehlen der Verleihungsvoraussetzung nach § 10a StbG. Dies ergibt sich sowohl aus dem Spruch als auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Gegen die Beurteilung seiner Sprachkenntnisse als für die Verleihung der Staatsbürgerschaft unzureichend wendet sich der Beschwerdeführer, wenn er in seiner Beschwerde - bei der Wiedergabe des Sachverhaltes - anführt, er habe die an ihn gestellten Fragen mit einfachen Sätzen beantwortet.

Nach § 10a StbG sind Voraussetzungen jeglicher Verleihung unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Diese gesetzliche Anordnung kann nur so verstanden werden, dass die geforderten Sprachkenntnisse - entsprechend den Verhältnissen des Fremden und angepasst an den jeweiligen Verleihungstatbestand - innerhalb seines sozialen Umfeldes eine Verständigung in Deutsch erlauben. Beim Erfordernis entsprechender Kenntnisse der deutschen Sprache kann es nur um das Mindestmaß an Sprachbeherrschung gehen, das - je nach den konkreten Lebensumständen des Betroffenen - erforderlich ist, um ein dauerhaftes "Miteinander" im Alltagsleben zu ermöglichen (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hält die Beurteilung der Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde einer Überprüfung nicht stand. Orientiert man sich an den persönlichen Lebensumständen des Beschwerdeführers - nach der Aktenlage hatte dieser die Volksschule besucht, lebt in keinem Familienverband und ist regelmäßig als Bauhilfsarbeiter beschäftigt -, können an seine Sprachkenntnisse nur diesen Lebensumständen entsprechende Anforderungen gestellt werden. Nun kommt selbst die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer möglich, "jedoch sehr mühsam" sei bzw. beherrsche er "die deutsche Sprache nur spärlich". Die zuletzt abgegebene Einschätzung bezieht sich auf das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Gespräch, bei dem sich der Beschwerdeführer auf die an ihn gestellten Fragen in einer Weise artikulierte, nach der die Fragen inhaltlich im Wesentlichen als beantwortet gelten konnten. Ein konkretes Verständnisdefizit wurde ihm von der belangten Behörde nicht vorgeworfen. Lediglich auf die Frage, wie oft er im Winter in die Türkei gefahren sei, hat der Beschwerdeführer - aus nicht näher dargestellten Gründen - keine Antwort gegeben.

Wesentlich für die in Rede stehende Sprachbeherrschung ist nicht das Erfordernis einer "mühelosen" Verständigung, sondern ein Mindestmaß zur Bewältigung des Alltagslebens, wovon das Berufsleben einen entscheidenden Teil bildet. In Anbetracht der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Hilfsarbeiter, der er seit Jahren offenbar ohne Verständigungsprobleme - er war mit saisonal bedingten Unterbrechungen immer wieder beim selben Arbeitgeber beschäftigt - nachgeht, und im Hinblick auf seine sonstigen bekannten Lebensumstände, kann ungeachtet des Umstandes, dass er acht Jahre mit einer Österreicherin verheiratet war, nicht gesagt werden, dass er das von der Rechtsprechung für das österreichische Alltagsleben erforderliche Mindestmaß an Sprachbeherrschung nicht aufweise.

Ist aber vom Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung nach § 10a StbG auszugehen, hat die belangte Behörde zu prüfen, ob auch die übrigen Verleihungsvoraussetzungen, zu der sie wegen ihrer unzutreffenden Rechtsansicht keine Aussagen getroffen hat, vorliegen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 16. Juli 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010147.X00

Im RIS seit

18.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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