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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §20 Abs2 idF 1994/518;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der KR in B, vertreten durch Dr. Gerald Stuhler, Rechtsanwalt in 5630 Bad Hofgastein, Kurgartenstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 5. April 2001, Zl. UVS- 3/11560/4-2001, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 18. Februar 2000 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe
"am 2.6.1999 um 10:30 Uhr im Gemeindegebiet von Bad Hofgastein auf der B 167 auf Höhe Reifen Moises in Fahrtrichtung Bad Gastein als Lenker des Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen ... die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h überschritten."
Sie habe dadurch § 99 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 verletzt und wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin in der Schuldfrage abgewiesen und das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als die Tatumschreibung zu lauten habe:
"Sie haben am 02.06.1999 um 10:30 Uhr im Gemeindegebiet von Bad Hofgastein auf der B 167 auf Höhe Reifen Moises in Fahrtrichtung Bad Gastein als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen ... die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h deutlich überschritten."
Die Geldstrafe wurde auf S 700,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Zeuge A. Sch. am 2. Juni 1999 gegen 10:30 Uhr mit seinem PKW auf der Gasteiner Bundesstraße aus Richtung Dorfgastein in Richtung Bad Hofgastein gefahren sei. Bei der Bahnhofskreuzung sei hinter ihm das Fahrzeug der Beschwerdeführerin auf die Bundesstraße eingebogen. Er habe nach seinem Tacho eine Geschwindigkeit von 80 km/h gehalten, die Geschwindigkeit, die auf diesem Streckenabschnitt verordnet sei. Er sei vom Fahrzeug der Beschwerdeführerin "etwa auf Höhe Reifen Moises" nach der Schätzung des Zeugen mit etwa 90 bis 95 km/h überholt worden. Er habe das Kennzeichen des überholenden Fahrzeuges notiert und beim Gendarmerieposten Bad Hofgastein Anzeige wegen Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit erstattet. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren erklärt, dass sie an den Vorfall keine Erinnerung hätte. Sie fahre nahezu täglich im Bereich Bad Hofgastein mit dem Taxi und besitze eine Fahrpraxis von 60.000 km im Jahr. Sie räumte ein, gelegentlich geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen zu setzen, eine Übertretung im vorgeworfenen Ausmaß von 20 km/h könne sie aber ausschließen. Bei der Würdigung der aufgenommenen Beweise ging die belangte Behörde davon aus, dass der Zeuge A. Sch. seine Aussage unter Wahrheitspflicht stehend gemacht habe und insgesamt einen besonnenen und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe. Es sei kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, dass der Zeuge die Beschwerdeführerin hätte wahrheitswidrig angezeigt haben können. Er habe glaubwürdig und nachvollziehbar dargetan, "eine Geschwindigkeit von 80 km/h eingehalten zu haben, und im Zuge des vom Beschuldigtenfahrzeug durchgeführten Überholmanövers auf den Tacho geblickt und dabei knapp 100 km/h abgelesen zu haben". Auch wenn der Tachometer im Fahrzeug der Beschwerdeführerin (gemeint wohl: des Zeugen) nicht geeicht sei, sei es ihm als geprüften Fahrzeuglenker zumutbar, die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges, von dem er überholt werde, verlässlich zu schätzen. Der Zeuge habe dargetan, auf den Tachometer seines Fahrzeuges, eines Neuwagens, geblickt zu haben, als er überholt worden sei, und sei dabei von einer zulässigen Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit eines Fahrzeuges auszugehen. Von der vom Zeugen geschätzten Geschwindigkeit sei aber ein Sicherheitsabzug von 10 % in Abzug zu bringen, sodass von einer gefahrenen Geschwindigkeit der Beschuldigten von zumindest etwa 90 km/h ausgegangen werde. Bei dem Zeugen handle es sich um einen erfahrenen Inhaber einer Lenkerberechtigung und sei es einem solchen zuzubilligen, dass er eine nicht unerhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch einen anderen Fahrzeuglenker, von dem er überholt werde, feststellen könne. Ein substanziiertes Berufungsvorbringen, das die glaubwürdige Aussage des Zeugen A. Sch. widerlegen könnte, sei nicht erstattet worden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten samt Antrag auf kostenpflichtige (betreffend den Vorlageaufwand) Abweisung der Beschwerde vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 20 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994, darf, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges u.a. im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.
Gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 zeigt das Verbots- oder Beschränkungszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, das das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 i.d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
Auf dem verfahrensgegenständlichen Straßenstück besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 von 80 km/h.
Die Beschwerdeführerin rügt, dass sich die belangte Behörde nicht mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt habe, dass der Tacho des Fahrzeuges des Anzeigers nicht geeicht gewesen sei und zudem eine weitere Fehlertoleranz beim Anzeiger (nämlich das behauptete Ablesen des eigenen Tachometers und die Geschwindigkeitsschätzung des überholenden Fahrzeuges der Beschwerdeführerin) gegeben sei. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte die belangte Behörde, wenn sie die Angaben des Zeugen A. Sch. als glaubwürdig zu Grunde gelegt habe, von einer vom Tacho abgelesenen Geschwindigkeit des Anzeigerfahrzeuges von 80 km/h ausgehen müssen und von dieser Geschwindigkeit eine Messtoleranz von ca. 10 km/h in Abzug bringen müssen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen anlässlich seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung, wonach er "seiner Schätzung nach vom Beschuldigtenfahrzeug mit etwa 90 - 95 km/h überholt wurde", ergäbe sich, dass der Zeuge eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem Anzeigerfahrzeug und dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin von etwa 10 - 15 km/h subjektiv empfunden habe. Unter Zugrundelegung der (entsprechend der ständigen Rechtsprechung) anzuwendenden Toleranzen wäre daher von einer Geschwindigkeit des Fahrzeuges der Beschwerdeführerin beim Überholmanöver von etwa 80 (70+10) km/h bzw. höchsten 85 (70+15) km/h unter Zugrundelegung der Aussage des Zeugen auszugehen, wobei bei richtiger rechtlicher Würdigung im Zweifel zu Gunsten der Beschwerdeführerin die geringere Geschwindigkeit anzunehmen gewesen wäre.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Gemäß der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 24. Februar 1988, Zl. 87/03/0095) ist eine allgemein übliche Toleranz für ungeeichte Tachometer von 10 km/h einzurechnen. Berücksichtigt man diese Messtoleranz bei der vom Anzeiger angegebenen vom Tachometer abgelesenen Geschwindigkeit von 80 km/h, ist von einer Geschwindigkeit des Anzeigers von 70 km/h auszugehen. Auf der Grundlage der vom Anzeiger in der Berufungsverhandlung zuletzt angegebenen höheren Geschwindigkeit des Fahrzeuges der Beschwerdeführerin von 10 bis 15 km/h ergibt sich beim Fahrzeug der Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt eine Geschwindigkeit von 80 bis 85/km/h. Auf Grund der vorliegenden Beweise erweist es sich somit nicht als schlüssig, wenn die belangte Behörde von einer Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. sogar von einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung der im vorliegenden Fall erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003
Schlagworte
Feststellen der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030157.X00Im RIS seit
30.09.2003