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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des F S in A, vertreten durch Dr. Gernot Starha, Rechtsanwalt in 9500 Villach, 8. Mai Platz 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 5. März 2001, GZ. RV 232/1 - 4/00, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der KG - im Wesentlichen Umsatzsteuern und Lohnabgaben - zur Haftung herangezogen.
In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, nach Abwicklung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG und der GmbH stehe die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin fest. Der Beschwerdeführer habe bereits in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme jegliche Pflichtverletzung bestritten und dazu vorgebracht, dass mit der kaufmännischen Leitung ein langjähriger Mitarbeiter und mit den abgabenrechtlichen Belangen ein Steuerberater betraut gewesen seien. Der Betriebsleiter habe nach durchaus positiven Geschäftsberichten im Frühjahr 1998 plötzlich seinen Austritt erklärt. Daraufhin angestellte Prüfungen hätten ergeben, dass der Betriebsleiter in nur 14 Monaten (seit der Betriebsfortführung nach einem Zwangsausgleich) einen Betriebsabgang von 1,1 Mio. S erwirtschaftet und anstehende Zahlungen an das Finanzamt, die Gebietskrankenkasse, Arbeitnehmer und Lieferanten nicht geleistet habe. Anders als der Beschwerdeführer meine, so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, ergebe sich daraus keineswegs, dass der Beschwerdeführer keine Pflichtverletzung zu vertreten habe. Den Geschäftsführer treffe nämlich die Pflicht, die Tätigkeit der mit steuerlichen und kaufmännischen Agenden betrauten Personen zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschlössen, dass ihm Abgabenrückstände verborgen blieben. Auch die Beauftragung eines Steuerberaters entbinde den Geschäftsführer nicht von seinen Informations- und Überwachungspflichten. Dass die geschilderten Fehlhandlungen des Betriebsleiters monatelang unentdeckt geblieben seien, lasse auf die mangelnde Überwachung durch den Beschwerdeführer schließen. Der Beschwerdeführer habe auch gar nicht behauptet, regelmäßige Kontrollen durchgeführt zu haben. Die Nichterfüllung der Überwachungsaufgaben des Geschäftsführers stelle eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, welche letztlich zur Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgabenschulden geführt habe.
Bezüglich der nicht abgeführten Lohnsteuerbeträge ergebe sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten - wie näher ausgeführt - aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988. Hinsichtlich der übrigen Abgaben habe der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass die vorhandenen Geldmittel gleichmäßig auf alle Gläubiger verteilt worden seien. Aus den vorgelegten Unterlagen gingen weder die gesamten eingelangten Geldmittel noch deren anteilige Verwendung zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der KG hervor. Den Kontoauszügen sei vielmehr zu entnehmen, dass laufende Kosten (Strom, Telefon, Betriebs- und Kfz-Versicherungen) zur Gänze ordnungsgemäß entrichtet worden seien. Ebenso seien Lieferantenforderungen, Gerichtskosten und Krankenkassenbeiträge laufend beglichen worden. Demgegenüber seien Zahlungen an das Finanzamt nur bei größeren Bankguthaben getätigt worden. Da somit der Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht erbracht worden sei, sei von einer Benachteiligung einzelner Gläubiger insbesondere der Abgabenbehörde auszugehen, was gleichfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung darstelle.
Die Heranziehung zur Haftung sei eine Ermessensentscheidung, die im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sei. Im gegenständlichen Fall sei unbestritten, dass die betreffenden Abgabenforderungen uneinbringlich seien. Dieser Umstand sei dem Beschwerdeführer anzulasten, weshalb aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses des Staates an der Einbringung der Abgaben der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger in Anspruch zu nehmen gewesen sei.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Bei einer GmbH & Co KG, bei der die KG wie im Beschwerdefall durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten wird, hat dieser Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten der KG zu erfüllen. Der Geschäftsführer haftet bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1997, 96/15/0107, Slg.Nr. 7.159/F, mit weiteren Nachweisen).
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe das bei seiner Inanspruchnahme als Haftender auszuübende Ermessen nicht hinreichend begründet. Unter dem Gesichtswinkel der "Billigkeit" hätte sich die belangte Behörde von Amts wegen mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen wie auch mit seinem bisherigen redlichen Verhalten und der Frage der Zumutbarkeit des Erkennens der Abgabenschulden auseinander setzen müssen. Der Beschwerdeführer habe, wie sich aus dem beim Finanzamt Villach geführten Steuerakt ergebe, 40 Jahre lang einen Gewerbebetrieb geführt, ohne dass es zu einer Beanstandung durch das Finanzamt gekommen sei. Die belangte Behörde hätte unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit des Erkennens der abgabenrechtlichen Verfehlungen auch berücksichtigen müssen, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen durch den bereits jahrelang mit der Buchhaltung beauftragten Steuerberater verfasst worden seien. Solcherart habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, ein geeignetes Kontrollorgan eingesetzt zu haben. Der Beschwerdeführer habe "im selben Moment, wo von diesem Steuerberater ein entsprechender Hinweis gemacht wurde, eine umfassende Prüfung durchgeführt, die mit dem vorzeitigen Austritt des leitenden Angestellten praktisch" zusammengefallen sei. Der im Jahr 1915 geborene Beschwerdeführer beziehe eine Pension und bewohne gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung. Unter Gegenüberstellung der Gründe für die Entstehung der Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und seinem redlichen Vorleben hätte die belangte Behörde zum rechtlichen Ergebnis kommen müssen, dass die berechtigten Interessen des Beschwerdeführers nicht zur Haftung herangezogen zu werden gegenüber den von der belangten Behörde ausschließlich beachteten Gründen der Zweckmäßigkeit überwiegen würden.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass die belangte Behörde bei seiner Inanspruchnahme als Haftender das Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend ausgeübt hätte. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob die belangte Behörde vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hat, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, 97/14/0176, mit weiteren Nachweisen). Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden einziger Geschäftsführer der GmbH war, somit der einzig in Betracht kommende Haftende im Sinne des § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff BAO gewesen ist, und dass diese Abgabenschulden bei der KG nicht mehr eingebracht werden können.
Vor diesem Hintergrund ist die belangte Behörde in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen. Daran vermag der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein "steuerehrliches Vorleben" nichts zu ändern. Dieses Vorbringen übersieht, dass die Geschäftsführerhaftung nach § 9 Abs. 1 BAO schadenersatzrechtlichen Grundsätzen entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, 97/15/0051) und keine Strafsanktion darstellt, in deren Rahmen das bisherige steuerliche Wohlverhalten zu berücksichtigen wäre. Eine Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO setzt voraus, dass der Abgabenausfall durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers herbeigeführt wurde. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zu Recht eine Verletzung der Überwachungspflicht vorgeworfen, die dazu geführt habe, dass die steuerlichen Verfehlungen des Betriebsleiters in Form der Nichtentrichtung von Abgaben durch Monate unentdeckt bleiben konnten. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das darin gelegene Verschulden des Beschwerdeführers auch nicht derart geringfügig, dass dieser Umstand im Rahmen der Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte berücksichtigt werden müssen. Die Befassung eines Steuerberaters mit der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der laufenden Buchhaltung entbindet den Geschäftsführer nicht davon, die Tätigkeit der mit Steuerangelegenheiten betrauten Personen in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben. Diese Überwachungspflicht besteht auch gegenüber Steuerberatern und selbst dann, wenn es noch nicht zu einer Fehlleistung der beauftragten Personen gekommen ist (vgl. für viele die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1998, 98/15/0159, und vom 29. Juni 1999, 99/14/0128). Wenn der Beschwerdeführer unstrittig jegliche Kontrollen durch Monate unterlassen hat, kann keine Rede davon sein, dass im Beschwerdefall Umstände des Einzelfalles vorgelegen wären, die die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers als rechtswidrig erkennen ließen.
Zu seiner wirtschaftlichen Lage hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen erstattet. Dass er nur über Pensionseinkünfte verfügt und mit seiner Ehefrau in einer Eigentumswohnung lebt, sind in der Beschwerde vorgebrachte Umstände, die eine bei der Ermessensübung unterlaufene Rechtswidrigkeit jedenfalls nicht aufzeigen, sodass allfälligen Begründungsmängeln des angefochtenen Bescheides die rechtliche Relevanz fehlt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001140099.X00Im RIS seit
12.11.2003