Index
L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litcLeitsatz
Verlustigerklärung des Mandats eines Ersatzmitglieds des Gemeinderates aufgrund Verlegung des Hauptwohnsitzes in eine andere GemeindeSpruch
Dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf wird stattgegeben. Dr. K wird seines Mandates als Ersatzmitglied des Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf für verlustig erklärt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit einem an die Gemeinde Eberndorf gerichteten Schreiben vom 5. Juli 1999 gab Dr. K (... Mitglied des Gemeinderates dieser Gemeinde) ua. bekannt, dass er "mit Wirkung 31.8.1999 auf (s)ein Gemeinderatsmandat verzichte".
1.2.1. In der Niederschrift über die 3. Sitzung des
Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf am 7. Juli 1999 ist zu
Tagesordnungspunkt 1. "... Dr. K - Antrag auf Mandatsverlust an den
Verfassungsgerichtshof" wörtlich das Folgende festgehalten:
"Berichterstatter: Bgm. J P
Mit Stichtag 11.6.1999 hat sich ... Dr. K mit seinem
Hauptwohnsitz in ... Kühnsdorf, abgemeldet und in ... Wien,
angemeldet. Seinen bisherigen Hauptwohnsitz hat Dr. K in einen Nebenwohnsitz umgeändert. Aufgrund dieser Situation hat der Gemeinderat der Marktgemeinde Eberndorf gemäß §31 K-AGO Abs1 b in Verbindung mit Abs2 einen Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, da Dr. K gemäß §38 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung idgF die Wählbarkeit verloren hat.
§31 K-AGO Abs1 bestimmt, daß ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates für verlustig zu erklären ist, wenn es nach erfolgter Wahl nach der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte.
§16 Abs1 iVm §38 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung, LGBl. Nr. 9/1991 idgF regelt die Wählbarkeit. Danach sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wahlberechtigt, die vor dem 1. Jänner des Wahljahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 B-VG haben. Ein Kriterium für das passive und aktive Wahlrecht ist demnach der Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 B-VG in der Gemeinde. Die Verlegung des Hauptwohnsitzes des ... Dr. K ist daher gleichbedeutend mit dem Verlust des aktiven und passiven Wahlrechtes.
Festgehalten wird, daß dieser Antrag nicht formgebunden ist und keiner anwaltlichen Fertigung bedarf.
Die Erklärung vom 6.(wohl: 5.)7.1999, mit welcher ... Dr. K mit Wirkung vom 31.8.1999 sein Gemeinderatsmandat zurücklegt, bewirkt nicht, daß dieser aus der FPÖ-Kandidatenliste der Gemeinderatswahl 1997 gestrichen wird. Dies bedeutet, daß dieser in der Liste der Ersatzmitglieder an erster Stelle gereiht wird.
Gemäß den o.a. Bestimmungen der K-AGO gelten für die Wählbarkeit der Ersatzmitglieder dieselben Bestimmungen wie bei den Mitgliedern des Gemeinderates.
Seitens der Verwaltung wurde Herrn ... Dr. K ein vorformuliertes Schreiben zugemittelt, in welchem er die Streichung aus der Parteiliste der Freiheitlichen Partei bestätigt. Er hat versprochen, dieses Schreiben zu unterfertigen und vorab per Fax an die Gemeinde Eberndorf rückzuübermitteln. Da er bis dato noch nicht reagiert hat, ist es zweckmäßig den TOP heute zu behandeln und den Antrag zu beschließen.
GR E weist daraufhin, daß es unmöglich ist, diese Handlung im normalen Postweg in einer so kurzen Zeit (Montag bis Mittwoch) durchzuführen.
GV Mag. V (EL) erklärt, daß es nicht sinnvoll ist, heute diesen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu beschließen. Diese Maßnahme wäre nur mit Kosten und Arbeit verbunden. Vernünftiger wäre es, bis zur nächsten Sitzung abzuwarten, ob sich diese Causa vielleicht von alleine klärt.
Bgm. P (SPÖ) stellt klar, daß man diesbezüglich keine Gesetzesverletzung begehen will. Außerdem teilt er mit, daß dieser Antrag an den Verfassungsgerichtshof mit keinerlei Kosten verbunden ist. Aus diesem Grund empfiehlt er den Antrag auf Mandatsverlust gemäß §31 K-AGO zu beschließen, wobei er als bevollmächtigtes Organ die Gemeinde vor dem Verfassungsgerichtshof zu vertreten hat.
Antragsteller: Bgm. J P
Dem Gemeinderat wird empfohlen, einen Antrag auf Mandatsverlust gemäß §31 K-AGO an den Verfassungsgerichtshof aus oben angeführten Gründen zu beschließen, wobei er als Bevollmächtigter nominiert wird.
Der Antrag wird vom Gemeinderat mit 19:4 Stimmen (Gegenstimmen: GR S, GR P, GR E, GR Ing. P) mehrheitlich angenommen."
1.2.2. Mit einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten,
auf Art141 Abs1 erster Satz litc B-VG gestützten Eingabe brachte der
Bürgermeister der Gemeinde Eberndorf im Namen des Gemeinderates den
Antrag ein, "der Verfassungsgerichtshof wolle in Stattgebung des
Gemeinderatsbeschlusses vom 7.7.1999 ... Dr. S K ... seines Mandates
als Gemeinderatsmitglied für verlustig erklären."
1.3. Mit an Dr. K gerichteter, durch Hinterlegung beim
Zustellpostamt ... Wien rechtswirksam zugestellter Note des
Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 1999 wurde der in Punkt 1.2.2. genannte Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf mit dem Bemerken übermittelt, dass es Dr. K frei stehe, binnen vier Wochen eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Dr. K machte von dieser Möglichkeit jedoch nicht Gebrauch.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 erster Satz litc B-VG erkennt der
Verfassungsgerichtshof "auf Antrag eines allgemeinen
Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder",
worunter auch Ersatzmitglieder zu verstehen sind . Ein solcher Antrag "kann ... auf
einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der
Mitgliedschaft (Ersatzmitgliedschaft) in einem allgemeinen
Vertretungskörper ... gegründet werden" (Art141 Abs1 zweiter Satz
B-VG).
2.1.2. Gemäß §71 Abs1 VerfGG können die allgemeinen Vertretungskörper (somit auch ein Gemeinderat)
"jederzeit beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, ein Mitglied (Ersatzmitglied) des Vertretungskörpers aus einem gesetzlich vorgesehenen Grund seines Mandates für verlustig zu erklären."
Für den Fall, dass ein solcher Beschluss von einem dieser Vertretungskörper gefasst wird, hat dessen Vorsitzender den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (§71 Abs1 letzter Satz leg. cit.).
2.2.1. Der Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf ist - ungeachtet seiner Formulierung (sh. Pkt. 1.2.2.) - zweifelsfrei darauf gerichtet, dass der Verfassungsgerichtshof den als Ersatzmitglied für den Gemeinderat auf der Liste der Freiheitlichen Partei Österreichs befindlichen Dr. K dieses Mandates für verlustig erklärt. Das "Mandat als Gemeinderatsmitglied" als solches hatte nämlich im Hinblick auf §30 Abs2 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung - AGO, LGBl. 1998/66, schon - ex-lege - mit der (ausdrücklich darauf bezogenen) schriftlichen Verzichtserklärung des Genannten vom 5.7.1999 (im Antrag ist fälschlich vom 6.7. die Rede) geendet.
2.2.2. Dem - zulässigen - Antrag ist aus den nachstehenden Erwägungen stattzugeben:
2.2.2.1. Gemäß §76 Abs4 Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung - GBWO, LGBl. 1991/9 idF 1996/20, bleiben u. a. solche Wahlwerber, die ein Mandat zunächst angenommen, dann aber zurückgelegt haben, so lange Ersatzmitglieder als sie nicht ausdrücklich ihre Streichung aus der Liste der Ersatzmitglieder verlangen.
2.2.2.2. Gemäß §31 Abs1 litb AGO ist ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates u.a. dann für verlustig zu erklären, wenn es nach erfolgter Wahl gemäß der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung die Wählbarkeit verliert. Zu Folge §31 Abs2 AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet. Abs1 und 2 gelten in gleicher Weise für Ersatzmitglieder des Gemeinderates (§31 Abs3 leg. cit.).
2.2.2.3. Wählbar in den Gemeinderat sind nach §38 Abs1 GBWO alle Wahlberechtigten iSd §16 leg. cit.
Gemäß §16 Abs1 GBWO sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahlberechtigt, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz iSd Art6 Abs3 B-VG haben.
2.2.3. Der im Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde
Eberndorf vom 7. Juli 1999 sowie in dem auf Art141 Abs1 erster Satz
litc B-VG gestützten Antrag dieses Gemeinderates für die begehrte
Mandatsaberkennung ins Treffen geführte Umstand, Dr. K habe sich "mit
seinem Hauptwohnsitz in ... Kühnsdorf, Gemeinde Eberndorf, abgemeldet
und in ... Wien, angemeldet" (und seinen bisherigen Hauptwohnsitz in
einen Nebenwohnsitz umgeändert), entspricht den Tatsachen; Dr. K selbst äußerte sich - wie schon festgehalten - im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht: Laut einem im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Meldezettel (... Eberndorf/Kärnten) vom 11. Juni 1999 wurde Dr. K am 1. Oktober 1961
(mit Hauptwohnsitz) in ... Kühnsdorf, Gemeinde Eberndorf, angemeldet;
am 11. Juni 1999 nahm er eine Abmeldung vor und verzog nach ... Wien.
Laut einer ebenfalls im Verfahren vorgelegten Zuzugsmitteilung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 18. Juni 1999 wurde dem Gemeindeamt der Gemeinde Eberndorf (gemäß §2 Abs2 Wählerevidenzgesetz) mitgeteilt, dass Dr. K, der bisher in ... Kühnsdorf, den Hauptwohnsitz hatte und mit dieser Adresse in der dortigen Wählerevidenz eingetragen war, laut Meldezettel den Hauptwohnsitz am 15. Juni 1999 nach Wien verlegt habe. Die Adresse:
... Kühnsdorf, bleibe weiterer Wohnsitz. Dr. K sei (mit der Adresse
... Wien) in die hiesige Wählerevidenz eingetragen worden und sei
daher in der Wählerevidenz der Gemeinde Eberndorf zu streichen.
Somit ist davon auszugehen, dass Dr. K mit der Verlegung
seines Hauptwohnsitzes von der Gemeinde Eberndorf (... Kühnsdorf)
nach Wien (...) den in §38 Abs1 iVm §16 Abs1, letzter Tatbestand, GBWO (iZm §31 Abs1 litb AGO) vorgesehenen Grund für den Verlust seines Mandates als Ersatzmitglied (s. abermals VfSlg. 1476/1932, 2514/1953) des Gemeinderates der Gemeinde Eberndorf setzte, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Gemeinderecht, Gemeinderat, Wahlen, VfGH / Mandatsverlust, WohnsitzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:WII1.1999Dokumentnummer
JFT_09999070_99W0II01_00