TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/13 2001/16/0565

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Veröffentlicht am 13.05.2004
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §200 Abs1;
BAO §294 Abs1;
BAO §303;
B-VG Art129;
ErbStG §31;
KVG 1934 §37;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Kail, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der O-Bank AG in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GesmbH, Wirtschaftsprüfer in 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 4. Oktober 2001,

l. RV 162/1-5/2000, RV 163/1-5/2000, RV 164/1-5/2000, RV 165/1- 5/2000, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die (wie ihre Rechtsvorgängerin) Bankgeschäfte betreibt, entrichtete Börsenumsatzsteuer (im Folgenden ist mit "Beschwerdeführerin" stets auch ihre Rechtsvorgängerin gemeint). Nach den vorgelegten Verwaltungsakten wird diese Steuer seit 1955 in Anwendung des § 37 KVG mit einem jährlichen Pauschalbetrag festgesetzt. Hier gegenständlich sind die Vorschreibungen für die Jahre 1994 bis 1997.

Unter Berücksichtigung des Steueraufkommens jeweils des Vorjahres erließ das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (Finanzamt) im Jänner 1994, Jänner 1995, Dezember 1995 und November 1996 "vorläufige Bescheide gemäß § 200 BAO" für die Jahre 1994 bis 1997 (im Folgenden: Erstbescheide). Für jedes dieser Jahre legte die Beschwerdeführerin eine Umsatzaufstellung vor, gegliedert nach Produktgruppen, wobei jeweils zwischen börsenumsatzsteuerpflichtigen und börsenumsatzsteuerfreien Umsätzen unterschieden wurde. Diese Produktgruppen erlauben keine unmittelbare Zuordnung unter den Katalog des § 22 Abs. 1 Z. 1 bis 4 bzw. I und II KVG.

Auf Grund dieser Meldungen setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 13. Jänner 1995, 25. Jänner 1996, 27. Jänner 1997 und 27. Juli 1998 die Börsenumsatzsteuer, ausgehend von einem Steuersatz von 0,36485 %o von der Summe der angegebenen börsenumsatzsteuerpflichtigen Umsätze fest (im Folgenden: Zweitbescheide). Der Text des Bescheides vom 13. Jänner 1995 lautet zwischen seiner Überschrift und der Rechtsmittelbelehrung wie folgt:

"Endgültiger Bescheid gemäß § 200 BAO

Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 10.1.95 haben sich die börsenumsatzsteuerpflichtigen Umsätze gegenüber den der Pauschalierung zu Grunde gelegten Durchschnittsumsatz verändert. Das Finanzamt behält sich das Recht vor, den Pauschalbetrag nachträglich zu erhöhen, wenn eine Überprüfung dies rechtfertigen sollte. Auf Grund des Vorhaltes im Bescheid vom 27.1.1994 betreffend die Pauschalierung für das Jahr 1994 wird der gemäß § 37 KVStG festgesetzte Pauschalbetrag an Börsenumsatzsteuer in Höhe von S 1,200.000,-- um S 488.118,-- auf S 711.882,-- herabgesetzt."

Die anderen drei Bescheide unterscheiden sich von diesem Bescheid nur insoferne, als auf das Datum des jeweiligen Schreibens der Beschwerdeführerin Bezug genommen wurde und auf den Vorhalt im jeweiligen Erstbescheid, weiters als andere Beträge angeführt sind und sich daraus eine andere Herabsetzung, im Fall des das Jahr 1997 betreffenden Bescheides eine Erhöhung ergeben hat, die spätestens einen Monat nach Zustellung zu entrichten war.

Auf Grund einer Anordnung des Finanzamtes fand eine Prüfung der Aufzeichnungen gemäß § 151 Abs. 3 BAO am 15. Juli 1999 statt. Aus dem Prüfbericht ergibt sich zunächst, dass die Bemessungsgrundlagen herabgesetzt wurden; betrug etwa die Bemessungsgrundlage im Bescheid vom 13. Jänner 1995 für das Jahr 1994 S 1.951,162.636,99, so wird sie im Prüfbericht mit S 1.898,640.636,99 angegeben. Auch in den drei anderen Jahren ergibt sich eine Herabsetzung in einer ähnlichen Relation. Irgendwelche Grundlagen, die zur geänderten Bemessungsgrundlage führten, sind dem Prüfbericht nicht zu entnehmen.

Weiters enthält der Prüfbericht für die Jahre 1994 und 1995 Aufgliederungen der nunmehr ermittelten Umsätze nach Börsenumsatzsteuersätzen von 15 Groschen, 12 Groschen, 10 Groschen, 4 Groschen und 6 Groschen, ohne dass dafür Rechtsgrundlagen angeführt wurden. Offenbar gewichtet nach diesen Umsätzen wurde für das Jahr 1994 ein durchschnittlicher Steuersatz von 0,796 %o, für 1995 von 0,749 %o ermittelt und daraus ein Mischsatz von 0,7725 %o errechnet. Dieser Mischsatz wurde für alle 4 Jahre auf Grund der neuen Bemessungsgrundlage angewendet, was in Anbetracht des früher herangezogenen Durchschnittssteuersatzes von 0,36485 %o für jedes Jahr zu einer Neubemessung in etwa der doppelten Höhe führte.

Darauf erließ das Finanzamt am 23. September 1999 vier weitere Börsenumsatzsteuerbescheide für die gegenständlichen Jahre, wobei diese Bescheide als "endgültig (§ 200 BAO) gemäß § 37 KVG zufolge der vorbehaltenen Nachprüfung" bezeichnet wurden (im Folgenden: Drittbescheide). In den Begründungen wurde darauf hingewiesen, dass die bisherige Abgabenfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt sei. In der nunmehr durchgeführten Prüfung sei ein Durchschnittssteuersatz von 0,7725 %o ermittelt worden, weshalb die Börsenumsatzsteuer pauschal neu zu ermitteln gewesen sei.

In ihrer gegen alle 4 Drittbescheide erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ein Bescheid, der nicht als vorläufig bezeichnet sei, endgültig sei. Die für die Streitjahre ergangenen früheren (Zweit-)Bescheide seien ausdrücklich als "endgültige Bescheide" bezeichnet worden. Bescheide könnten auch nur insgesamt vorläufig ergehen, einzelne Teile des Spruches können nicht als vorläufig erklärt werden. Da in den vorliegenden Fällen von endgültigen Bescheiden auszugehen sei, sei die Erlassung nochmaliger endgültiger Bescheide nicht zulässig gewesen. Es sei keine Wiederaufnahme des Verfahrens durchgeführt worden, wobei dies gar nicht möglich wäre, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen wären. Die Beschwerdeführerin habe in den vorliegenden Fällen die Zustimmung zur Pauschalbesteuerung erteilt, sodass die Parteien, also die Finanzbehörde und der Steuerpflichtige, daran gebunden seien, auch wenn sie sich über die Höhe des festgesetzten Steuerbetrages geirrt hätten. Die Zustimmung beider Parteien enthalte zugleich einen Rechtsmittelverzicht. Die Herstellung des Einvernehmens mit dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Steuerfestsetzung laufe auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hinaus. Ein einmal gewählter Pauschalsteuersatz könne nicht im Nachhinein abgeändert werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Bei den jeweils zu Beginn eines Jahres bzw. am Ende des vorangegangenen Jahres erlassenen (vorläufigen) Bescheiden habe es sich in Wahrheit um Vorauszahlungsbescheide gehandelt. Nach Mitteilung über die genauen Umsätze des vorangegangenen Jahres sei es zur Erlassung eines weiteren Bescheides gekommen, welcher zwar als "endgültiger" Bescheid bezeichnet worden sei, aber im Spruch den zitierten Vorbehalt enthalten habe. Es sei richtig, dass ein Bescheid nur insgesamt als vorläufiger oder als endgültiger Bescheid ergehen könne und dass Bescheide nicht allein deshalb vorläufig ergehen dürfen, weil irgendwann eine Buch- und Betriebsprüfung beabsichtigt sei. Dies ändere aber nichts daran, dass auch ein zu Unrecht erlassener vorläufiger Bescheid, so lange er im Rechtsbestand ist und nicht aufgehoben wurde, die Wirkungen eines vorläufigen Bescheides entfalte und nicht als endgültiger Bescheid anzusehen sei. Auch nach einem zu Unrecht erlassenen vorläufigen Bescheid könne ein rechtmäßiger endgültiger Bescheid ergehen. Lasse der Abgabenpflichtige die zu Unrecht erlassene Vorläufigkeit unbekämpft, so könne er sich im Rechtsmittel gegen einen später erlassenen endgültigen Bescheid nicht darauf berufen, dass dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen. Die hier vorliegenden widersprüchlichen Bescheide müssen durch Bescheidauslegung entweder als vorläufige oder endgültige Bescheide qualifiziert werden. Es sei jahrelange Übung gewesen, dass die gemäß § 37 KVG an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden; die Prüfungen in den Jahren 1958, 1964, 1967, 1972, 1978 und 1983 hätten zu geänderten Bescheiden geführt, lediglich bei der Überprüfung im Jahr 1988 sei es zu keiner Nachforderung gekommen. Es sei daher davon auszugehen, dass sowohl das Finanzamt als auch die Beschwerdeführerin die (inhaltliche) Vorläufigkeit dieser Bescheide anerkannt habe. Da die Vorläufigkeit der Zweitbescheide nicht bestritten worden sei, seien die Drittbescheide als endgültige Bescheide nach vorläufigen Bescheiden zu Recht erlassen worden.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Festsetzung der Börsenumsatzsteuer nach dem ursprünglich festgesetzten pauschalierten Satz gemäß § 37 KVG verletzt. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die hier gegenständlichen Steuerjahre 1994 bis 1997 finden die Bestimmungen des III. Abschnittes des KVG Anwendung (siehe § 38 Abs. 3a KVG in der Fassung BGBl. II Nr. 79/2000, wodurch diese Bestimmungen außer Kraft gesetzt wurden).

Gemäß § 17 Abs. 1 KVG unterliegen die in § 18 definierten Anschaffungsgeschäfte über die im § 19 definierten Wertpapiere der Börsenumsatzsteuer. Berechnet wird die Steuer grundsätzlich (§ 21 Z. 1 KVG) vom vereinbarten Preis.

Der anzuwendende Steuersatz ist im § 22 KVG geregelt. In den Z. 1 bis 4 des Abs. 1 (Z. 5 betrifft Ges.m.b.H.-Anteile) werden für 4 Wertpapiertypen gestaffelte Steuersätze, und zwar für Händlergeschäfte (I) in Höhe von 2, 3, 5 und 7,5, für die übrigen Geschäfte (II) in Höhe von 4, 6, 10 und 15 Groschen pro S 100,-- (= Zehntelpromille) festgelegt.

Händler ist nach § 24 Z. 1 KVG u.a., wer zu (näher bestimmten) Bankgeschäften berechtigt ist. Sind beide Vertragsteile Händler, handelt es sich um im Tarif unter I genannten Händlergeschäfte (§ 23 Abs. 1 KVG); ist nur ein Vertragspartner Händler, liegen Kundengeschäfte vor (§ 23 Abs. 2 KVG), die der Tarifgruppe II zuzuordnen sind. Für Händlergeschäfte, die nach dem 31. Dezember 1993 abgeschlossen werden, ausgenommen über Anteile gemäß § 22 Abs. 1 Z. 5, ist die Börsenumsatzsteuer nicht zu erheben (§ 23 Abs. 1 2. Satz KVG).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die Beschwerdeführerin seit 1994 nur mehr für Kundengeschäfte, gestaffelt nach den 4 Wertpapiergruppen, Börsenumsatzsteuer abführen müsste. Sie hat aber seit ihrer Eingabe vom 20. August 1955 stets unter Bezugnahme auf § 37 KVG die Pauschalierung der Börsenumsatzsteuer beantragt. Alle seither ergangenen Bescheide einschließlich der hier gegenständlichen Drittbescheide nennen § 37 KVG als Rechtsgrundlage.

Diese in den gemeinsamen Vorschriften des KVG enthaltene Bestimmung lautet:

"Pauschalierung

Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann das Finanzamt von der genauen Erfassung des Steuerbetrages absehen und die Steuer in einem Pauschalbetrag festsetzen."

Eine ganz ähnliche Bestimmung findet sich im § 31 ErbStG; statt dem Wort "Zustimmung" ist dort vom "Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen" die Rede.

Diese Bestimmungen ermöglichen die Festsetzung der Steuer in einem Pauschalbetrag, wobei die Pauschalierung nur die Berechnung der Steuer, nicht aber die Feststellung des der Steuer unterliegenden Tatbestandes betrifft (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuer zu Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer 2003, Rz. 1 zu § 31 ErbStG; Takacs, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, Anm. 1 zu § 37).

Eine solche Pauschalierungsvereinbarung ("mit Zustimmung" bzw. "im Einvernehmen") ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen, der, wie im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1981, VfSlg. 9.226 (worauf im Erkenntnis vom 23. Jänner 2004, G 359/02 Bezug genommen wurde) dargestellt, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Entscheidend ist, dass sich die Vereinbarung auf eine gesetzliche Ermächtigung stützt (hg. Erkenntnis vom 19. April 1982, Zl. 2568/80, ÖStZB 1983, 110) und dass lediglich die Modalitäten der Abgabenerhebung (Berechnung der Bemessungsgrundlage, Fälligkeit etc.) und nicht die Steuerpflicht selbst betroffen ist, wenn im Gesetz Voraussetzungen und Inhalt hinreichend bestimmt sind und wenn in Streitfällen eine bescheidmäßige Erledigung vorgesehen ist, sodass eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit möglich ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 29. April 1992, Zl. 88/17/0128).

Ein diesen Anforderungen entsprechender Vertrag entfaltet Tatbestandswirkung; ist ein Vertrag vorgesehen, ist seine Erfüllung mit Hilfe des auf die Vertragslage aufbauenden Bescheides allein gesetzmäßig im Sinne des Art. 129 B-VG (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, 67 f).

Hält sich die Vereinbarung im Rahmen des Gesetzes, so ist es der Behörde daher verwehrt, eine von der Vereinbarung abweichende Festsetzung vorzunehmen, auch wenn sich diese ebenfalls im Rahmen des Gesetzes hält (Ruppe, Einfachgesetzliche Ansätze und verfassungsrechtliche Grenzen von Vergleichen im österreichischen Abgabenrecht, in: Leitner, Finanzstrafrecht 2002, Absprachen/Vergleiche im Abgaben- und Finanzstrafrecht, 20).

Nicht nur in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen, sondern seit 1955 wurde von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 37 KVG hier Gebrauch gemacht, weshalb zu untersuchen ist, was Inhalt der getroffenen Vereinbarung war. Dabei zeigt sich, dass über die Wertpapierumsätze als Grundlage der Besteuerung (§ 21 Z. 1 KVG) nicht disponiert wurde; vielmehr ergingen im Voraus auf Grund der Umsatzfeststellung des Vorjahres zunächst Erstbescheide, die zwar als "vorläufige" Bescheide bezeichnet wurden, bei denen es sich aber, wie die belangte Behörde richtig aufzeigt, in Wahrheit um (im KVG nicht vorgesehene) Vorauszahlungsbescheide (vgl. § 45 EStG) handelte.

(Diese Vorgangsweise, dass solche Bescheide "als vorläufig" tituliert wurden, wurde vom Finanzamt erstmals im Bescheid vom 11. Jänner 1982 gewählt; vorher gab es auf Grund des Pauschalierungsansuchens jeweils Bescheide, die weder ein Attribut "vorläufig" noch "endgültig", aber eine Festsetzung "gegen jederzeitigen Widerruf und gegen jederzeitige Überprüfung" enthielten. Solche Überprüfungen fanden in mehrjährigen Abständen statt und führten zu bescheidmäßigen Neufestsetzungen. Erstmals mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. Dezember 1985 wurde eine wie im Sachverhalt beschriebene Umsatzaufstellung übermittelt, die zu einer Festsetzung wie im eingangs bezeichneten Zweitbescheid führte. Die 1988 durchgeführte Überprüfung veranlasste keinen Drittbescheid, weil sich keine Änderung ergab.)

In den Folgejahren bis zum gegenständlichen Prüfungszeitpunkt bildeten die Umsatzaufstellungen der Beschwerdeführerin, verbunden mit einem auf § 37 KVG gestützten Antrag, einerseits die Basis für die Festsetzung in den Zweitbeschwerden für die Vergangenheit, andererseits für die "vorläufige" Festsetzung in den Erstbescheiden für die Zukunft.

Die zwischen den Parteien des Abgabenverfahrens seit 1955 gewählte Vorgangsweise zeigt, dass von einer "Pauschalierung", also Abstandnahme von einer genauen Erfassung, bezüglich der von der Beschwerdeführerin getätigten Umsätze als Bemessungsgrundlage nie Gebrauch gemacht wurde. Letztlich erfolgte immer eine exakte Feststellung der Umsätze und darauf basierend die Ermittlung des Abgabenbetrages.

Niemals genau ermittelt (auch nicht bei den Drittbescheiden, die zum hier angefochtenen Bescheid führten) wurde der Abgabenbetrag jedoch in Bezug auf die nach § 22 KVG anzuwendenden Steuersätze. In diesem Zusammenhang ist auf eine anlässlich des ersten Ansuchens im Jahr 1955 vom Finanzamt eingeholte Auskunft des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien zu verweisen, wonach nur ein einheitlicher Pauschalsatz für die Börsenumsatzsteuer in Frage komme. Zur Ermittlung des Pauschalsteuersatzes würden die von dem ersuchenden Bankinstitut im Jahr 1954 getätigten Umsätze an steuerpflichtigen Kommissions- und Eigengeschäften und die hiefür abgeführte Börsenumsatzsteuer herangezogen. Der sich ergebende Jahresdurchschnittssatz werde auf Tausendstelpromille errechnet und auf Hunderstel aufgerundet.

Anlässlich des ersten auf Grund einer Prüfung ergangenen Bescheides vom 25. April 1958 kam es auf Basis der ermittelten Umsätze zu einer Börsenumsatzsteuerberechnung, der ein einheitlicher Steuersatz von 0,36485 %o zu Grunde gelegt wurde. Eine stichprobenweise Nachrechnung ergibt, dass dieser Steuersatz - an Stelle der im § 22 Abs. 1 KVG genannten Staffelung - stets bis einschließlich zu den hier gegenständlichen Zweitbescheiden Anwendung gefunden hat; insbesondere führten auch die Prüfungen 1964, 1967, 1972, 1978, 1983 und 1988 zu keiner Veränderung dieses Steuersatzes.

Wenn die Beschwerdeführerin nach der erstmaligen Festsetzung unter Heranziehung dieses Steuersatzes im Jahr 1958 immer wieder Pauschalierungsanträge stellte und die Behörde dem stets durch Beibehaltung dieses Steuersatzes nachkam, muss insofern von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen ausgegangen werden, wonach an Stelle der Staffelung nach Warengruppen dieser einheitliche Steuersatz gewählt wurde. Diese Vereinbarungen entfalteten die oben genannte Tatbestandswirkung, sodass sich der in den Zweitbescheiden ausgesprochene Vorbehalt nur auf die Höhe der Umsätze beziehen konnte, deren Ermittlung keiner Pauschalierung zugänglich gemacht wurde.

Eine nähere Untersuchung, wie die Vereinbarung mit dem geschilderten Inhalt anlässlich der vier gegenständlichen Steuerperioden zu Stande gekommen ist, kann aus folgenden Erwägungen unterbleiben.

Zur Zulässigkeit der hier jeweils in derselben Sache ergangenen Drittbescheide ist zunächst darauf zu verweisen, dass diese Bescheide von der Abgabenbehörde erster Instanz stammen, also nicht in Anwendung des § 299 BAO erlassen wurden, und dass mit ihnen auch keine Wiederaufnahme der Verfahrens nach den Bestimmungen der §§ 303 ff. BAO erfolgte.

Während die Erstbescheide ausdrücklich als "vorläufig" bezeichnet waren, enthielten die Zweitbescheide einerseits das Attribut "endgültig", andererseits die beschriebene Vorbehaltsklausel. Vorläufige Bescheide nach § 200 Abs. 1 BAO sind aber ausdrücklich als solche zu bezeichnen und mangels ausdrücklicher Bezeichnung ist ein solcher Bescheid als endgültiger Bescheid anzusehen (siehe die Nachweise bei Stoll, BAO-Kommentar, 2108).

Die Drittbescheide können auch nicht auf § 294 Abs. 1 BAO gestützt werden. Danach ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen betrifft, grundsätzlich nur zulässig, wenn sich die Abgabenbehörde einen Widerruf oder Bedingungen vorbehalten hat. Die Pauschalierung des § 37 KVG ist jedoch, wie Takacs a.a.O., Anmerkung 3 überzeugend unter Hinweis auf die Materialien darlegt, keine Begünstigung, sondern dient nur der Verwaltungsvereinfachung.

Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 294 Abs. 1 BAO sind Vorbehaltsklauseln ohne gesetzliche Grundlage unwirksam, weil andernfalls dadurch die engen Grenzen der Wiederaufnahme unterlaufen werden könnten. Allein der von der belangte Behörde hervorgehobene Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Vorbehaltsklausel in den Zweitbescheiden unbekämpft ließ, bildet somit keine Rechtsgrundlage für die Erlassung der Drittbescheide. Da die Zweitbescheide als endgültige Bescheide nur nach Maßgabe der §§ 293 ff. BAO abgeändert werden konnten, belastete die belangte Behörde auch aus diesem Grund ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Nicht unerwähnt soll weiters bleiben, dass die Festsetzung auf Grund des Prüfungsergebnisses in den Drittbescheiden nicht nachvollziehbar ist. Die anlässlich der gegenständlichen Prüfung ermittelte verminderte Bemessungsgrundlage ist, wie dies im Vorlagebericht an die Abgabenbehörde 2. Instanz dargestellt wurde, darauf zurückzuführen, dass seit 1. Jänner 1994 keine Börsenumsatzsteuerpflicht für Händlergeschäfte besteht, dass also Händlergeschäfte herausgerechnet wurden; die Herabsetzung der Bemessungsgrundlagen war aber so geringfügig, dass sie nicht kausal für eine Verdoppelung des Durchschnittssteuersatzes sein kann. Schließlich fällt auf, dass im Prüfbericht ein Börsenumsatzsteuersatz von 12 Groschen für eine bestimmte Warengruppe genannt wird, der aber den § 22 ff. KVG nicht entnehmbar ist.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 13. Mai 2004

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001160565.X00

Im RIS seit

01.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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