TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/18 2002/10/0007

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Veröffentlicht am 18.05.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
UniStG 1997 §54 Abs2 Z3;
UniStG 1997 §54 Abs3;
UniStG 1997 §54 Abs4;
UniStG 1997 §60 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der Studienkommission der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien vom 30. September 1999, Dek.Zl. 1936s/99, betreffend Aufhebung einer Prüfung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Im Rahmen seines Studiums der Rechtswissenschaften trat der Beschwerdeführer am 1. Oktober 1998 zum vierten Mal zur schriftlichen Teilprüfung der Diplomprüfung aus dem Fach "Bürgerliches Recht" an. Die Prüfungskommission beurteilte die Arbeit des Beschwerdeführers mit "Nicht genügend". Mit Schriftsatz vom 8. November 1998 beantragte der Beschwerdeführer, die Prüfung gemäß § 60 Abs. 1 UniStG aufzuheben und den Antritt nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte anzurechnen.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde dar, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag auf Aufhebung der Prüfung auf seine durch Behinderung gegebene Benachteiligung sowie darauf hingewiesen, dass von über 300 Kandidaten nur ein einziger ein "Sehr gut" erreicht habe. Der Beschwerdeführer habe weiters vorgebracht, dass die ihm genehmigte abweichende Prüfungsmethode seiner speziellen Beeinträchtigung nicht entsprochen habe. Er habe seiner Eingabe zwei psychiatrische Gutachten aus dem Jahr 1986 beigelegt, denen zufolge er unter abnormer Ermüdbarkeit bzw. unter vorzeitiger erhöhter cerebraler Ermüdbarkeit leide, sowie ein verkehrspsychologisches Gutachten aus dem Jahr 1986, demzufolge er als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B geeignet, zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe A angesichts der erheblichen Koordinationsschwierigkeiten und der mangelnden Fahrpraxis als nicht geeignet beurteilt worden sei. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer überdies darauf hingewiesen, dass seine Behinderung eine andere Bewertung seiner Leistung erforderlich mache. Weiters habe er mangelnde Unabhängigkeit der Korrekturvorgänge im Hinblick auf seine Behinderung gerügt. Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde sodann die Auffassung, die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend seine Behinderung und die Eignung einer abweichenden Prüfungsmethode seien nicht geeignet, einen schweren Mangel der in Beschwerde gezogenen Prüfung bzw. Prüfungsbeurteilung darzutun. Solche Gesichtspunkte seien gegebenenfalls in Verfahren nach § 54 Abs. 3 Satz 3 UniStG von Relevanz.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluss vom 30. November 1999, B 1783/99, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich im Recht verletzt, dass seine am 1. Oktober 1998 abgelegte Diplomprüfung aus bürgerlichem Recht aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 60 UniStG aufgehoben und nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte angerechnet werde. Der Beschwerdeführer bringt vor, bei einem als Hubschrauberpilot erlittenen Flugunfall vom 7. März 1985 habe er unter anderem ein Schädelhirntrauma mit einer Hirnquetschung, einem traumatischen Hirnödem und einer daran anschließenden traumatischen Psychose davongetragen. Als Spätfolge dieses Unfalles bestehe ein organisches Psychosyndrom, bei dem Zeichen abnormer Ermüdbarkeit, eine partielle Kritikschwäche und ein weitschweifiger und umständlicher Gedankengang im Vordergrund stünden. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, "in einem" vier Stunden hindurch konzentriert zu arbeiten. Diese Schwäche werde auch durch die für die gegenständliche Prüfung gewährte, unter Aufsicht abgehaltene Pause von einer Stunde nicht beseitigt. Im Gegenteil, dadurch habe sich der Beschwerdeführer insgesamt in einem fünfstündigen Prüfungsstress befunden, sodass die Arbeit nach der Pause erst recht wieder unter dem Einfluss seiner unfallbedingten Konzentrationsschwäche gelitten habe. Die abnorme Ermüdbarkeit des Beschwerdeführers zeige sich unter anderem auch darin, dass in etwa ab der dritten Stunde seine Schrift unleserlich werde. Die Prüfung werde dieser Behinderung des Beschwerdeführers in keiner Weise gerecht und weise daher einen schweren Mangel auf. Dies sei durch die Unterlagen, die der Beschwerdeführer vorgelegt habe, belegt. Andernfalls hätte die belangte Behörde weitere Nachforschungen über die tatsächlichen Auswirkungen der Behinderungen des Beschwerdeführers anstellen müssen. Dazu käme, dass dem Beschwerdeführer auch über sein begründetes Ansuchen keine nachvollziehbare Begründung für die negative Beurteilung gegeben worden sei. Auch die zu diesem Fall bestehende Musterlösung sei ihm nicht übergeben worden. Dem Beschwerdeführer gehe es nicht in erster Linie darum, einen juristischen Beruf auszuüben. Er wolle beweisen, dass es auch mit seiner Behinderung möglich sei, ein Studium an einer inländischen Universität erfolgreich zu absolvieren. Dies könne nicht nur zur Bewältigung der eigenen Behinderung, sondern auch als Ansporn für andere Behinderte gelten.

Der Vorsitzende der Studienkommission der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine "informelle Gegenschrift", in der er darauf hinwies, dass die belangte Behörde mit der vollen Implementierung des UOG 1993 an der Universität Wien mit 1. Jänner 2000 zu bestehen aufgehört habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 UniStG ist die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung unzulässig. Wenn die Durchführung einer negativ beurteilten Prüfung einen schweren Mangel aufweist, hat die Studiendekanin oder der Studiendekan diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden mit Bescheid aufzuheben. Die oder der Studierende hat den Antrag innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe der Beurteilung einzubringen und den schweren Mangel glaubhaft zu machen. Der Antritt zu der Prüfung, die aufgehoben wurde, ist nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte anzurechnen.

Gemäß § 54 Abs. 2 Z. 3 UniStG sind die Studierenden berechtigt, mit der Anmeldung (zu einer Prüfung) die Durchführung der Prüfung in einer von der im Studienplan festgesetzten Prüfungsmethode abweichenden Methode zu beantragen.

Nach § 54 Abs. 3 dritter Satz UniStG ist dem Antrag auf Genehmigung einer abweichenden Prüfungsmethode zu entsprechen, wenn die oder der Studierende eine länger andauernde Behinderung nachweist, die ihr oder ihm die Ablegung der Prüfung in der vorgeschriebenen Methode unmöglich macht, und der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung durch eine abweichende Methode nicht beeinträchtigt werden.

Die Beschwerde macht als "schweren Mangel der negativ beurteilten Prüfung" im Sinne von § 60 Abs. 1 UniStG nicht etwa die Unterlassung einer Bedachtnahme auf "während der Prüfung aktuell aufgetretene Umstände", die zu einer - den Grad einer "Prüfungsunfähigkeit" erreichenden - Herabsetzung der Leistungsfähigkeit während der Prüfung führten (vgl. z.B. die mit Erkenntnissen vom 21. Februar 2001, Zl. 99/12/0336, und vom 12. November 2001, Zl. 2001/10/0159, entschiedenen Fälle) geltend; geltend gemacht wird vielmehr, dass die über Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 54 Abs. 3 dritter Satz UniStG genehmigte abweichende Prüfungsmethode "der Behinderung des Beschwerdeführers nicht gerecht" gewesen wäre.

Mit einem entsprechenden, ebenfalls auf aus dem Jahr 1986 datierende Befunde gestützten Vorbringen des Beschwerdeführers hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 17. August 2000, Slg. 15477/A, das einen den Antrag des Beschwerdeführers auf Genehmigung einer abweichenden Prüfungsmethode gemäß § 54 Abs. 2 und 3 UniStG abweisenden Bescheid betraf, zu befassen. Der Verwaltungsgerichtshof billigte die Auffassung der belangten Behörde, die es abgelehnt hatte, anstelle der schriftlichen Prüfung (bzw. zusätzlich zu dieser) eine mündliche Prüfung (als abweichende Prüfungsmethode) anzuordnen.

Die vorliegende Beschwerde zeigt nicht auf, dass die in Rede stehende Prüfung wegen fehlender Bedachtnahme auf die mangelnde Eignung der gemäß § 54 Abs. 2 und 3 festgelegten Prüfungsmethode mit einem schweren Mangel im Sinne des § 60 Abs. 1 behaftet wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im oben erwähnten Vorerkenntnis vom 17. August 2000 - den Beschwerdeführer betreffend - dargelegt, die belangte Behörde habe zu Recht dem Antrag des Beschwerdeführers, von einer schriftlichen Prüfung zur Gänze Abstand zu nehmen, nicht entsprochen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, unter welchen von dem dem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt abweichenden Gesichtspunkten die belangte Behörde nunmehr zu einer anderen Beurteilung hätte gelangen müssen. Dem ist hinzuzufügen, dass der Beschwerdeführer sich der Prüfung nach der angeordneten (abweichenden) Prüfungsmethode unterzog, nachdem sein Vorgehen im Sinne des § 54 Abs. 4 UniStG (einschließlich der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) nicht erfolgreich war. Davon ausgehend gelingt es der Beschwerde nicht aufzuzeigen, dass der Prüfungsvorgang mit einem schweren Mangel im Sinne des § 60 Abs. 1 UniStG behaftet wäre, zumal weder behauptet wird, es wäre offenkundig gewesen, dass die (erfolgreiche) Ablegung der Prüfung in der vorgeschriebenen Methode im Hinblick auf die Behinderung des Beschwerdeführers unmöglich gewesen wäre, noch dargelegt wird, welche der Behinderung des Beschwerdeführers besser Rechnung tragende abweichende Prüfungsmethode hätte angewendet werden können, durch die der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung nicht beeinträchtigt worden wären.

Soweit die Beschwerde das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die Beurteilung der Prüfung (offenbar: im angefochtenen Bescheid) vermisst, wird damit ebenfalls kein "schwerer Mangel" der "Durchführung der Prüfung" im Sinne von § 60 Abs. 1 UniStG aufgezeigt. Nach Lage der Akten war der Beschwerdeführer mit Schreiben des o. Univ. Prof. K., Institut für Zivilrecht, darauf hingewiesen worden, dass die gravierenden Fehler und Mängel, die seiner Prüfungsarbeit anhafteten, im Original der Arbeit und einem beiliegenden Korrekturblatt im Einzelnen ausgewiesen seien. Dem Korrekturblatt seien auch die wesentlichen Ansprüche und Anspruchsgrundlagen zu entnehmen. In diese Unterlagen könne der Beschwerdeführer jederzeit Einsicht nehmen. Die Arbeit sei von der Prüfungskommission einstimmig mit "Nicht genügend" beurteilt worden. Im weiteren Verfahren ging der Beschwerdeführer auf die inhaltliche Beurteilung der Prüfung nicht ein; vielmehr bezog er sich sowohl in seinem Antrag auf Aufhebung der Prüfung als auch in seiner Prüfung - abgesehen von Darlegungen, die ohne weitere Konkretisierung übermäßige Anforderungen durch die Prüfungsaufgaben geltend machen - ausschließlich auf Fragen der angewendeten Prüfungsmethode; eine Fehlerhaftigkeit der Beurteilung seiner Prüfungsarbeit wird nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde nicht gehalten, die Gründe für die Beurteilung der Arbeit des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid im Einzelnen darzulegen; ein Begründungsmangel liegt somit nicht vor. Es kann daher auf sich beruhen, ob mit dem Hinweis auf Begründungsmängel im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Prüfung ein "schwerer Mangel" im Sinne des § 60 Abs. 1 UniStG aufgezeigt werden könnte.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, es gehe ihm nicht in erster Linie darum, einen juristischen Beruf auszuüben, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend; damit kann nicht aufgezeigt werden, dass die Durchführung der Prüfung mit einem schweren Mangel behaftet wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002100007.X00

Im RIS seit

25.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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